AW: Das erste Mal Rennrad gefahren ... (Erfahrungsbericht)
Schöner Thread, mein rückblickender Erfahrungsbericht darf dann auch gleich als Forums-Neuvorstellung verstanden werden:
Bei mir war es ein Umstieg vom MTB, das aber schon seit langem exklusiv auf Asphalt unterwegs war. Slicks, großes Kettenblatt und dank niedrig bauender Starrgabel im Hardtailrahmen und ewig langen Anbauteilen (KG 1,96) fast so viel Überhöhung wie heute am Unterlenker. Nach gut 10 Jahren mit dieser Konfiguration war der Umstieg überfällig. Da ich einersets trotzdem unsicher war und nicht übermäßig Geld ausgeben wollte aber sich andererseit die Komponenten von der Wertigkeit her mindestens ebenbürtig zu den gewohnten XT & Co anfühlen sollten wurde es dann ein Canyon mit herrlich glänzender Campa Athena in Alu poliert.
Erste Schock auf dem Rennrad: es ist laaaang und bei keiner der vielen Griffpositionen können die Hände vernünftig den Oberkörper stützen ohne sich krampfhaft festzuklammern - ganz anders als beim Flatbar, wo (bei ausreichend Länge und Überhöhung) der Oberkörper auch mal auf den Armen ruhen kann um dafür den Hintern zu entlasten (auch wenn es für Rennradler an Ketzerei grenzt: man kann Unebenheiten auch mit den Schultern ausfedern!). An
Bremsen oben auf den Ergos war ohne entsprechend trainierten Rücken kaum zu denken.
Dann weitere Schocks:
Wendigkeit! Oder sollte ich sagen "Zappeligkeit"? Auch nach gut 2000km ist mein Renner immer noch das einzige Rad, mit dem ich (bisher?) nicht freihändig fahre.
Seitenwind! Selbst bei mehr oder weniger Windstille war das Rad bergab immer wieder für eine überraschende Richtungsentscheidung gut. So ähnlich stelle ich mir ein eigenwilliges Pferd vor.
Bodenhaftung! Oder eher das Gegenteil davon.
Kurios war auch die Umstellung beim Schalten: von 8fach 11-28 (das modernste, was mit XT-Daumenschaltern geht, ich liebe die Dinger) auf 11fach 12-27: die einzelnen Schaltschritte waren so viel kleiner als gewohnt, dass ich am Anfang oft das Gefühl hatte in die falsche Richtung geschaltet zu haben.
Aber auch:
Bergauf!! War vorher alles oberhalb von 20 Höhenmetern eine unangenehme Notwendigkeit (und oben ein Päuschen für Mitfahrer) so wurde der Ansteig plötzlich zum Ziel. Schnaufen blieb zwar trotzdem Pflicht, aber bergauf war vollkommen klar, wofür all die ungewohnte Zappelei und Ruppigkeit gut war. Rennräder sind die wahren Bergfahrräder und die Aussicht, dass da draussen noch viel höhere Berge auf mich warten als die Hügel hier im fränkischen verspricht genügend Ziele für das ganze restliche Hobbysportlerleben.
Rückblickend ist das ganze nun gerade mal ein halbes Jahr her und es hat sich bereits viel getan. Die Sicherheit auf dem Rennrad kam als schleichender Prozess, ich hatte es Anfangs nicht mal gemerkt. Die Erkenntnis darüber kam erst, als ich unbewusst die eine oder andere kritische Situationen bewältigt hatte, die mich am Anfang vielleicht wirklich noch vom Rad geworfen hätte. Also vermeintlichen Saisonabschluss kam dann sogar noch eine Teilnahme am örtlichen Jedermann, und darauf dann ein Herbst, in dem ich immer öfter meine Schönwetterfahrerehre verletzt habe. Das Rennrad, das anfangs so besorgniserregend fremdartig war hat insgesamt also zu einer durchaus nicht in dieser Form erwarteten Steigerung meiner Radfahrbegeisterung geführt.