AW: Cinelli Rahmen 1956?
Nachdem die Original Gabelschaltung den Anforderungen des sportlichen Betriebes nicht mehr genügen konnte, wurde der Rahmen (aus heutiger Sicht leider) in einigen Punkten modifiziert, man könnte auch sagen modernisiert und die damals unmoderne Schaltung "verschmissen". Der Modernisierung fielen u.a. die gezahnten Ausfallenden zum Opfer bzw. wurden gekürzt, die Zahnung abgefeilt und ein Campy-Schaltungsauge angebracht, Zuggegenhalterungen für H-Bremse und Schaltung, ebenso wie die Rahmenanschläge der Schalthebel angelötet. Logische Folge dieser Arbeiten war eine komplette Neulackierung, wodurch natürlich auch alle Decals incl. der emaillierten Steuerrohrplakette verschütt gingen, da sich das Augenmerk damals ausschließlich auf die Funktionalität richtete und man auf derartige Details keinen besonderen Wert legte.
Abgesehen davon, dass ein Rad, das erst wenige Jahre alt war/ist, natürlich weder damals noch heute (in einer vergleichbaren Konstellation) als bewahrenswerte Antiquität gelten konnte/kann, zumal mit eindeutig veralteter technischer Ausstattung, hatte man es ja in den fortschrittsoptimistischen 1950er Jahren nicht so mit den alten Sachen; auch wirklich wertvolle alte Möbel landeten da oft einfach im Sperrmüll oder im Ofen, und mein Vater (Jahrgang 1934) hatte das volle Einverständnis seiner Eltern, als er den ererbten Regulator (eine Wanduhr) aus der Zeit der Jahrhundertwende von den "häßlichen Schnörkeln" befreite, um ihn zu "modernisieren".
Und was kaufte man sich 1955 als Student und Führerschein-Neuling mit wenig Geld ? Ein Auto für 200 Mark, das man sich irgendwie gerade so leisten konnte (oder eigentlich eher nicht ...), natürlich ein Auto, das sonst am Markt nicht so begehrt war, ein Vorkriegsauto, zwar gut erhalten, da über den Krieg aufgebockt (und danach auch, weil der Besitzer, ein Offizier nicht aus Rußland zurückgekommen war), aber eben etwa 18 Jahre alt, technisch altmodisch und mit ordentlichem Spritdurst: ein Horch (und für dieses Geld hätte man ja doch immerhin schon ein ordentliches neues Fahrrad bekommen
)...
Es war aber seinerzeit schwierig mit den Ersatzteilen (und den
Reifen) für in kleinen Stückzahlen gebaute Vorkriegsautos, der Wartungsaufwand war hoch, die Beschleunigung mäßig, dann noch das viele teure Benzin, deswegen mußte der einstige Luxuswagen gehen, sobald das Geld endlich für einen (gebrauchten) Käfer reichte ...
Und das war generell seinerzeit die "Logik der Zeit", zumindest in Europa (weswegen kluge Amerikaner seinerzeit hier recht fleißig künftige Hochpreis-Klassiker einkaufen konnten ...).
Bin seit einiger Zeit auf der Suche nach Originalausfallenden um ev. den Originalzustand erhalten zu können, da bereits mein Sohn - selbst aktiver Radsportler - ein Auge auf den Rahmen geworfen hat.
Ich möchte natürlich dem Erstbesitzer keine Ratschläge erteilen, da sehe ich die Dinge doch anders als bei einem aktuellen "Neukäufer", aber ich würde das eher nicht machen, aus den Gründen, die ich oben schon genannt habe: Bei einer Rekonstruktion des seinerzeitigen Auslieferungszustandes ginge die gesamte Nutzungsgeschichte verloren, und aus dem sehr persönlichen authentischen Exemplar würde ein beliebiges "Durchschnittsrad", mal ganz abgesehen davon, dass der erreichbare Zustand dann eben ein "künstlicher" wäre.
Aber wie gesagt: Wenn der erste und einzige Besitzer eines Rades es wieder so haben will, wie es ihm seinerzeit im Neuzustand gefallen hat, würde ich nie etwas dagegen sagen wollen.