@alle:
Vielen lieben Dank für eure positiven Mails... Es ist schön, wenn man merkt, dass anderen das eigene Schicksal nicht am Ar... vorbeigeht. Sicher nicht selbstverständlich in der heutigen Zeit!!!
Konfuzius sagt: Nichts ist so schlimm, wie man fürchtet - nichts ist so schön, wie man hofft...
Diesen Spruch kenne ich schon lange und habe in den letzten Jahren immer wieder festgestellt, dass er einfach stimmt. Das hat mir auch ein wenig die Angst vor der Chemo genommen.
28.9.
Morgens um 8 bin ich von S. pünktlich an der 2. Medizin in Kiel abgesetzt worden. Also ab zur Anmeldung und erst mal in den Wartebereich. Da stockt einem dann erst mal der Atem. Mit meiner Anwesenheit fiel der Alterschnitt drastisch. Du schaust in blasse, graue Gesichter alter Leute, deren Augen nichts wirklich fixieren... Gespräche finden hier nicht statt. jeder ist mit sich und seinem Schicksal beschäftigt. Vereinzelt werden die ganz alten und schwachen Herrrschaften von ihren Kindern begleitet. Mir wird schlecht, weil ich denke, was soll ich hier, ich hab doch gar nix und die hier sehen alle sehr schlecht und krank aus... Die Angst steigt, dass ich bald auch so enden werde. Meine Sitznachbarin, eine Mittfünfzigerin, die sich nur mit Rollator bewegen kann, was wohl auf ihr Gewicht von geschatzten 200kg zurückzuführen ist, packt ihr Frühstück aus und beginnt irgenetwas knuspriges zu verspeisen. Alle schauen sie an, aber mir ist auch so schon schlecht genug...
Dann werde ich aufgerufen und muss eine kleinen Umweg um die Hungrige nehmen, da sie ihre Beine als natürliche Sperre ausgestreckt auf ihrem Rollator gelagert hat.
Im Behandlungsraum 1 stehen 4 Fernsehsesselähnliche Behandlungsstühle nebst elektronischem Equipement zur Steuerung der Medikamentengabe. Auf drei Sesseln sitzen bereits Patienten, die ihre Ration schon intravenös geniessen... Alle drei geschätzt über 75 - man kommt sich so fehl am Platze vor...
Die freundliche Ärztin kommt noch mal zum klärenden Gespräch und setzt mir mit größter Sorgfalt die Infusionsnadel, die UNBEDINGT in dieser Position verbleiben muss, da austretende Medikamente schwere Gewebeschäden verursachen können. Also erstmal erstarren. Und Angst haben. Sie erklärt mir, dass ich erstmal ein Medikament bekomme, welches die auftretende Übelkeit bekämpft. Danach wird dann ein Mittel gegen Blasenreizung infusiert, als Schutz gegen die aggressiven Medikamente, die über die Nieren wieder ausgeschieden werden. Dann - endlich kommt das erste Therapiemedikament. Merken tut man davon nix. Nach einer Stunde ist auch dieser Beutel leer und sein Inhalt gleichmäßig in meinem Körper verteilt. Das nächste ist rot und sieht gefährlich aus. Das bestätigt auch die Ärztin, die mich noch mal ausdrücklich auf die ruhige Armhaltung hinweist! Und darauf, dass mein Urin nachher dunkelrot sein wird und ich mir deswegen keine Sorgen machen soll. Nach einer halben Stunde ist auch der beutel leer und das letzte Medikament wird eingeleitet. Zum Schluss noch ein paar Minuten Kochsalzlösung - um die Venen zu spülen... Und vier Tabletten gegen Blasenreizung sowie zwei Cortison...
Gemerkt habe ich bisher nix. Alle Angst also unbegründet? Das Abschlussgespräch bei der Ärztin verschafft mir weitere Medikamente. EIne Tablette gegen auftretende Übelkeit und vier weitere gegen Blasenreizung, die ich um Punkt 15:15 nehmen soll. Dazu eine Spritze, die meinen weißen Blutkörperchen auf die Sprünge helfen soll, denn die werden 8 Tage nach der Chemo drastisch zurückgehen, was die Gefahr einer - dann sehr sehr gefährlichen - Infektion erhöht. Die Spritze muss bis Montag gekühlt werden und wird mir dann beim Hausarzt am Montag verabreicht, wenn zur Kontrolle Blut abgenommen wird. Das wird jetzt jeweils MO und DO gemacht, so kann die Therapie evt. angepasst werden...
Außer Dem bekomme ich noch ein Rezept mit. Cortison, Blasentabletten und welche gegen Übelkeit. Meine Apothekerin will dafür nachher 250,- haben, wovon ich aber noch nichts weiß...
Alle im Krankenhaus sind sehr nett, aber ich will sie trotzdem nicht wirklich häufig sehen. Also bis zum 12.10.
Mein Chef hat mir dann einen Fahrdienst organisiert, der mich gegen 13:00 zurück nach Hause bringt. Kleiner Umweg über die Apotheke - natürlich kein einziges Mittel vorrätig. Soll aber bis 18:00 Uhr da sein. Hoffentlich. Bisher gehts mir auch noch ganz gut... Gut auch, dass die Ärztin mir das mit dem Urin gesagt hat - ganz schön rot...
Um drei bekomme ich dann doch langsam Hunger und beschliesse zwei Scheiben Brot zu essen. Kurz danach wird mir schlagartig schlecht. So schnell, dass man es kaum zur Toilette schafft. Dann mit zitternden Händen die eine Tablette gegen Unwohlsein aus dem Krankenhaus genommen. Die wirkt glücklicher- und erstaunlicherweise in wenigen Sekunden. Welch eine Wohltat...
Es geht mir dann etwas besser, und ich beschliesse nun meine Mutter zu informieren. Das fällt mir nun leichter, da es mir nach der ersten Chemo-Sitzung ja ziemlich gut geht.
Sie ist dann doch nicht so geschockt, wie ich befürchtet habe (Konfuzius...), denn sie hatte auf Grund ihrer beruflichen Erfahrung bereits damit gerechnet... Betroffen war sie natürlich trotzdem und zum Abschluss des Gesprächs hat sie glaube ich auch geheult...
17:15 mir gehts immer noch ganz gut... 17:16 mir gehts so beschissen, wie noch nie. Und noch keine Medikamente... Anruf bei der Apotheke. Die Mittel sind zum Glück gerdae eingetroffen. Allerdings ist der Fahrer unterwegs und ich kann nicht warten... Also angezogen, ins Auto geschleppt und mehr schlecht als recht zur Apotheke. 250€ gelöhnt und wieder nach hause. Schnell eine Tablette gegen Übelkeit. Langsam geht es dann ein kleines bischen besser. Um halb sieben noch eine Tablette. Um halb acht noch eine. es wird nicht wirklich besser... S. kommt nach Hause und zur Begrüßung muss ich mich erst mal übergeben... Toll... Jetzt auch noch dieTabletten wieder ausgekotzt. Wie soll das WE bloß verlaufen??? Jetzt wird es aber langsam besser. Ich nehm noch eine Tablette und eine große Schüssel mit ans Bett. Gute Nacht...
29.9.
6 Uhr - erstaunlicher Weise durchgeschlafen und die Schüssel neben dem Bett ist noch leer. Ich muss mal auf Toilette. Danach kann ich nicht mehr einschlafen. Von wegen Fatige-Syndrom...
Im Vergleich zu gestern gehts mir gut. Lediglich ein akzeptables Unwohlsein und Kopfschmerzen. Um 11 Uhr Cortison genommen. Steigert den Appetit. Eine ganz hervorragende Eigenschaft, wenn einem nicht zum Essen zumute ist. Ich hab Angst, dass mir nach der nächsten Mahlzeit wieder so schlecht wird. Ich versuchs dann mit Zwieback und TUC - geht ganz gut. Vorsichtshalber nehme ich aber noch ne Tablette dazu. Bis zum Abend gehts dann ganz gut. Ohne Spucken. Ich glaube, Anderen geht es echt schlechter...
30.9.
wieder um 6 wach, wieder Toilette, wieder nciht mehr schlafen...
Kopfschmerzen und Unwohlsein wird weniger - puh...
Heute nur Cortison genommen. Und Hunger hab ich wie Sau...essen macht aber im Moment keinen Spass
Ich dacht immer, man nimmt ab bei Krebs...
Verkaufsoffener Sonntag - S. muss auch heute arbeiten, also wieder ein Tag alleine vor dem Fernseher :-(
1.10.
wieder um 6 wach.... usw.
Macht aber nichts, denn um 8 bin ich sowieso beim Hausarzt zur Blutuntersuchung. Alles o.k.und der Blutdruck 120/80. fast wie bei einem Sportler...
heute fühl ich mich gut und stark genug, um meine Kinder zum ersten mal wiederzusehen und mit ihnen über meine Krankheit zu sprechen.
Und genau das werde ich JETZT machen. Also bis später...