Release Layer System: So geht’s
Als Schutz vor Rotationskräften bei Sturz fand MIPS in Radhelmen weite Verbreitung. Jetzt kommt „RLS“ mit einer Helmschale, die abblättert und das gleiche Ziel verfolgt. Geringere Kopfverletzungen im Falle eines Sturzes mit dem Fahrrad. Im Herbst soll das System in einem Radhelm von Canyon seine Premiere feiern.
Dabei haben die RLS-Konstrukteure vor allem die Rotationskräfte im Blick, die – neben der Krafteinwirkung durch den Aufprall, die der Helm ohnehin mindert – eine Gefahr für das Gehirn darstellen sollen.
Statt im Inneren des Helms Rotationskräfte zu mindern, setzt das Release Layer System aber außen an. Es arbeitet drei Schritten: Reagieren, Rollen und Lösen. Auf der Außenseite des Helms befinden sich Panels, die über eine leichte Polycarbonat-Lagerschicht angebunden sind. Beim Aufprall reagiert die spezielle Klebeschicht, die Panels werden frei beweglich und können auf den eingelassenen Lagern in jede Richtung rollen. Im letzten Schritt lösen sich die Panels teilweise von der Helmschale, um weitere Energie abzugeben.
Laut RLS Mitteilung konnte eine Studie der Universität Straßburg zeigen, dass Helme mit RLS die Spitzen-Rotationsgeschwindigkeit je nach Aufschlagrichtung im Schnitt um 56 bis 66 Prozent reduzieren konnten. Das entspräche einer Senkung der geschätzten Verletzungswahrscheinlichkeit um bis zu 84 Prozent im Vergleich zu identischen Helmen ohne RLS, heißt es.
Die Technik geht auf eine Beobachtung des RLS-Gründers zurück, der bei einem Unfall die Wirkung von sich lösenden Helmschalen bemerkte. Auf Basis dieser Entdeckung wurde die Technologie weiterentwickelt und patentiert.
Erste Anwendung: Canyon Deflectr Trail
Das erste Serienmodell mit RLS wird der Canyon Deflectr Trail MTB-Helm, der ab Herbst 2025 erhältlich sein soll. Canyon arbeitet dabei eng mit dem Entwicklerteam in London zusammen. Der noch unveröffentlichte Canyon-Helm für den Trail- und Enduro-Einsatz hat bereits Platz 1 im Virginia Tech Helmet Rating erreicht, was für die gute Schutzwirkung spricht. Ein Preis wurde bislang noch nicht genannt. Außerdem soll es für den urbanen Bereich einen Helm von HEXR geben, der von Virginia Tech in einem Testfeld von insgesamt 42 Helmen ebenfalls die beste Wertung erzielt hat.
Auch auf negative Umwelteinflüsse wird laut RLS geachtet. Im Vergleich zu anderen Quellen von nichtorganischen Partikeln im Radsport (z. B. Reifenabrieb) sei die Umweltwirkung von RLS sehr gering. In Zukunft sollen auch biologisch abbaubare RLS-Lager möglich werden können. Weitere Infos gibts auf www.releaselayer.com
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29 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumWas manche Leute für Ergüsse haben, wenn sie einen Artikel lesen ist ja das Eine aber muss die Soße dann auch noch allen unter die Nase gerieben werden?
Für die Markteinführung von MIPS mussten die Schweden dazu erst einmal ein Problembewusstsein auf Verbraucherseite schaffen (wie auch bei den Helm-Marken die sie als Partner gewinnen wollten), bevor sie ihre Lösung vermarkten konnten. Das Ganze wurde, klassisch dem Gore-Tex Ingredient Branding Vorbild nach, mit einer omnipräsenten Marketing-Kampagne begleitet.
Seit dieser Zeit ist das Thema Rotationskräfte bei Stürzen überhaupt erst präsent (soweit ich mich erinnern kann). Das hat gut funktioniert und hat die Helm-Marken unter Druck gesetzt, Helme mit MIPS anzubieten - ein lehrbuchmäßiges Pull-Marketing.
Was ich mich immer gefragt habe ist, inwieweit bei all dem die bereits existierenden Schutzfunktionen des menschlichen Körpers selbst in Betracht gezogen wurden? Dazu habe ich nie etwas gehört. Vielleicht auch deswegen, weil es ihren "case" weniger klar und überzeugend gemacht hätte?
Vorhanden ist ja bereits eine Möglichkeit der Verschiebung der unterschiedlichen Weichteil-Schichten zwischen Schädeldecke und Kopfhaut und Haardecke (je nach Haarlänge) untereinander/gegeneinander.
Die Versuchsreihen und -tests die ich dazu gesehen habe, haben immer mit klassischen Kopf-Dummies (wie sie auch Virginia Tech verwendet) gearbeitet - also kahlen Schädeln mit Sensoren innen. Diese berücksichtigen diese biofidelen Eigenschaften nicht welche nur durch Tests mit THOR oder noch besser mit THUMS Simulationen gemessen werden können.
Darum war für mich bis jetzt - und da macht RLS keine große Ausnahme - jeglicher zusätzliche Rotationsschutz zum größten Teil eine Marketingstory.
Wenn man einen Helm mit MIPS oder RLS bekommt, für einen Preis der ins eigene Budget für einen generell guten Helm passt, ist dagegen natürlich nichts einzuwenden. Aber man sollte sich im Klaren sein, dass die zusätzliche Schutzwirkung mindestens abstrakt ist (außer ich habe verpasst, dass MIPS inzwischen Tests mit THUMS Simulationen durchführt..).
biomechanisch ist der Schädel ein Exoskelett, die Verschiebbarkeit v.a. der sog. Kopfschwarte ist minimal. Haare mögen verschieben, aber bauen keine Kraft ab.
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