Rennrad-News

Interview zur deutschen Gravel WM Quali-Strecke
„Lässt sich gut wegknallen“

Am 13. Mai findet in Aachen der deutsche Qualifikationslauf der Trek UCI Gravel World Series statt – das erste große Gravel Rennen auf öffentlichem Gebiet in Deutschland. Wir haben die Streckenplaner gefragt, wie man so etwas in der Genehmigungsrepublik Deutschland angeht. Und Gravel Profi Paul Voß gibt eine Streckeneinschätzung.

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Das erste große Gravel-Rennen in Deutschland im Rahmen des 3Rides Festivals in Aachen (alle Infos zur Gravel WM Quali) ist zugleich die Qualifikation für die UCI Gravel Weltmeisterschaften. Im Rahmen des dreitägigen Fahrrad-Festivals 3Rides geht das Gravel-Rennen am 13. Mai 2023 über die Bühne.

# Carolin Schiff beim Streckencheck - sie würde gerne auch im Norden in ihrer Heimat Bremen ein Gravel Rennen wie den UCI Quali-Lauf sehen.

Die Strecke ist in der Haupt-Rennklasse 136 km lang und startet auf dem Gelände des weltbekannten Pferdesport-Events CHIO. Auf dem Rundkurs mit 19,5 km Länge addieren sich 200 Hm. So sind am Ende über.2.000 Höhenmeter zu bewältigen Mitfahren darf Jede und Jeder, mit und ohne Rennlizenz. Die Startgebühr beträgt 60 Euro. Benötigt wird lediglich ein entsprechendes ärztliches Attest. Neben dem Gravel-Profis Paul Voß und der Cyclocross- und Straßenfahrerin Carolin Schiff plant inzwischen auch der Cyclocross-Profi Marcel Meisen seinen Start.

Was ist nötig, um eine solche Gravel Rennstrecke zu planen? Und worauf können sich Racer*innen vor Ort gefasst machen. Streckenplaner Björn Müller, Ex Tour de France Punkte-Trikot-Träger und Gravel-Rennfahrer Paul Voß und Kollegin Carolin Schiff haben unsere Fragen beantwortet.

Hallo Björn, das erste Gravel Rennen – woran orientiert man sich da bei der Planung?

Björn Müller: Im Gegensatz zum Radcross nutzen wir beim Gravel die Landschaft, wie wir sie vorfinden. An der Strecke wird nur sehr wenig künstlich erschaffen, daher ist gute Ortskunde der Schlüssel, um 65 Prozent der Strecke auf nicht asphaltierten Strecken zu finden. Wir müssen natürlich sehr stark auf die Vorgaben des Naturschutzes achten, die sind hier in der Gegend besonders hoch. Das ist beim Gravel-Rennen allerdings weniger kompliziert als beim Mountainbike, denn wir planen ja mit Waldwegen, nicht mit Trampelpfaden. Der Koordinationsaufwand mit den Behörden ist dennoch erheblich, allerdings hat das sehr gut funktioniert, und wir arbeiten sehr vertrauensvoll zusammen. Wichtig ist auch, dass der Parcours nicht zu kurz ist. Es ist ja ein UCI-Massen-Event – und deshalb wäre ansonsten die Gefahr zu groß, dass schon nach sehr kurzer Zeit die ersten Überrundungen anstehen.

Ein Gravelrennen ist ein MTB-Marathon nur mit Rennrädern – was stimmt daran, was nicht?

Björn Müller: Das sehe ich ganz anders. Ein MTB-Marathon ist auf eine sehr lange Distanz angelegt, mit vielen Höhenmetern – wir haben hier eine Strecke, die speziell für Gravel-Räder ausgesucht ist. Hier wird nicht gesprungen, hier geht es nicht über Single Trails – Gravel ist eine eigene Art des Radfahrens und auch nicht ein Rennradmarathon mit ein bisschen mehr Schotter.

Macht die UCI Vorgaben zur Streckenbeschaffenheit?

Björn Müller: Ja, die UCI verlangt mindestens 65 Prozent Anteil an Offroad-Strecke. Das bedeutet, dass wir auch Streckenpassagen heraussuchen, bei denen wir statt der nebenan laufenden Straße einen Schotterweg nutzen. Die UCI sähe am liebsten 120-Kilometer-One-Way-Strecken, aber das funktioniert bei uns in Deutschland nicht. Insofern müssen wir nur die Vorgabe erfüllen, dass wir mindestens 15 Kilometer Strecke pro Runde haben.

Dass es nicht mehr Rennen gibt, liegt auch daran, dass lange Strecken durch deutsche Wälder schwer zu genehmigen sind, wie schwer war es konkret?

Björn Müller: Das stimmt. Es ist immer eine Hürde, mit der Unteren Umweltbehörde zu sprechen. Man sieht oft nicht auf den ersten Blick, welcher Naturschutz in einem Gebiet gilt. Es muss also genau abgestimmt werden, wo und zu welcher Zeit die Fahrer durch ein Gebiet fahren. Es ist wichtig, dass die Experten dabei genau im Blick haben, welche Belastungen etwa für brütende Vögel anfallen.

# Gravel- und CX-Eite beim Streckencheck - Marcel Meisen, Carolin Schiff, Paul Voß (vorne von links).

Taugt das Vorgehen eine Blaupause für mehr Events in anderen Regionen?

Björn Müller: Das denke ich nicht. Jedes Bundesland ist unterschiedlich. Als Veranstalter muss man mit den lokalen Behörden sprechen. Unser großer Vorteil ist, dass die Stadt Aachen uns stark unterstützt und erkennt, dass wir hier ein international relevantes Event haben. Das hat auch für den Tourismus Bedeutung. In Aachen zieht die Stadt sehr positiv mit und unterstützt uns. Das ist nicht überall zu erwarten.

Auf welche Streckenteile seid ihr besonders stolz?

Schon auf die ganze Runde. Wir haben sehr unterschiedliche Streckenabschnitte. Da ist der Weg durchs CHIO-Gelände, der schmal und eng gesteckt ist. Dann haben wir die Fahrt über die Pavés auf offenem Feld, wo auch Windkanten drohen. Man kann mit einem sehr schnellen Rennen rechnen, aber es gibt auch viele technisch anspruchsvolle Passagen. Der letzte Anstieg zum Blauen Stein, wo es über Schotter nochmal durch den Wald bergauf geht, das ist schon sehr anspruchsvoll. Material wird hier eine große Rolle spielen.

Hier wird man auf jeden Fall ein Gravelrad brauchen, mit dem Straßenrad kommt man hier nicht durch.

Paul Voß

Wo müssen Qualifahrer am meisten aufpassen, Paul?

Paul Voß: Der Parcours hat mir sehr gut gefallen. Es sind ein paar technische Kurven, es gibt ein paar knackige Anstiege – aber ich denke, der Kurs lässt sich gut wegknallen. Mich erinnert die Strecke ein bisschen an die belgischen Frühjahrsklassiker, gerade mit dem Kopfstein, den schmalen Wegen und dem Wind. Es wird damit schon auf Position gefahren. Am Ende wird der Kurs schwerer sein, als er mir beim Erkunden vorkam. Hier wird man auf jeden Fall ein Gravelrad brauchen, mit dem Straßenrad kommt man hier nicht durch. Ich denke, ein Standardsetup mit schnellen Reifen ist hier geboten. Einige Kurven sind technisch, aber nicht allzu herausfordernd. Wichtig wird die große Bandbreite an Gängen sein.

Gravel Biker, kommst du nach Aachen, was solltest du noch auf dem Gravel Bike machen außer die Quali zu fahren, Paul oder Elodie?

Paul Voß: Die Gegend hier ist wirklich schön. Carolin Schiff und ich haben schon überlegt, ob wir ein paar Tage früher hierherkommen und uns ein bisschen mehr anschauen. Man kann hier Graveln, Rennrad fahren und Mountainbike fahren. Es hat hier Ardennen-Charakter, aber es gibt auch ganz andere Möglichkeiten. Das ist schon sehr vielseitig. Aachen ist ganz sicher einen längeren Rad-Trip wert.

Wie seht ihr die Zukunft der Gravel Rennen in Deutschland?

Björn Müller: Wir hoffen, dass wir Nachahmer finden, dass es Rennen gibt, Ausfahren und vor allem auch Rennen. Wir merken, wie die Szene sich in Genussfahrer und Rennstarter teilt. Das neue Format der Rennen zieht. Es wäre schön, wenn es mehr Gelegenheiten für Sportler gäbe, da auch mal um die Wette zu fahren.

Was wäre euer Traum Gravel Rennen in Deutschland?

Carolin Schiff: Ich würde gern bei uns im Norden eines sehen. Bei uns, rund um Bremen, würden viele Fahrer überrascht sein. Da geht es sogar richtig hoch und runter – etwa bei Worpswede, wo ich selbst gern unterwegs bin.

Mehr Infos: https://3rides-festival.com/

Was denkt ihr über das erste UCI Gravel Rennen in Deutschland?

Gespräch: Jan Gathmann / Fotos: 3Rides/Conor Crowe
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