Hallo zusammen,
das Thema ist zwar schon uralt und ein Großteil der Leute wahrscheinlich nicht mehr im forum aktiv, trotzdem hole ich es nochmal hoch.
Ich bin erst vor zwei Jahren zum Rennradsport und darüber zum Triathlon gekommen. Vorher war ich ausschließlich Läufer, konnte mich aber sehr schnell für den Radsport begeistern. Nichtsdestotrotz lassen mich die immer wieder vorkommenden schweren, tlw auch tödlichen Unfälle von Radsportlern aufschrecken und ich frage mich dann mal mehr mal weniger intensiv, ob man diesen Sport als junger Familienvater überhaupt ausüben sollte.... Nach einiger Zeit verdränge ich dies allerdings wieder und gehe zum Alltag über und rede mir ein, dass das ganze eine rein subjektive Wahrnehmung einer Häufung von Unfällen ist.
Für diejenigen, die damals als das Thema hier eröffnet wurde schon gefahren sind... Hat sich die Situation seit dem nochmal verschlimmert?
Ich komme nochmal auf dein ursprüngliches Posting zu dem Thema Risiko im Radsport zurück. Wenn Du wissen willst, wie gefährlich Radsport ist, ist es hilfreich, neben Einzelberichten auch ein paar belastbare Zahlen anzusehen.
Die jährliche Verkehrsunfallstatistik ist dafür eine Quelle, sie hat für eine Risikoabschätzung im Radsport allerdings ihre Grenzen, denn sie gibt zwar Auskunft über verletzte und getötete Radfahrer, das sind aber ganz überwiegend Fälle, in denen das Rad als Verkehrsmittel genutzt wurde und nicht als Sportgerät. Hinzu kommt, dass die Unfallzahlen dieser Statistik auch nicht in Beziehung zur Gesamtzahl der aktiven Radfahrer oder zu deren Fahrleistung gesetzt wird. Dennoch lohnt sich ein Blick hinein. Sie zeigt, dass die Zahl der verunfallten Radfahrer von gut 73.000 im Jahr 2000 auf mehr als 88.000 im Jahr 2018 gestiegen ist, also um mehr als 20%. Enthalten sind in diesen Zahlen nur polizeiliche aufgenommene Unfälle. Unfälle und Stürze, bei denen keine Polizei gerufen wurde, sind nicht enthalten.
Aus dem Anstieg der Unfallzahlen kann man aber nicht folgern, dass Radfahren grundsätzlich gefährlicher geworden ist!
Die absolute Zahl der Unfälle kann auch durch eine Zunahme der Fahrleistung (der mit dem Rad zurückgelegten Wege) ansteigen. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass die Fahrleistung mit Fahrrädern sehr stark gestiegen ist. Leider gibt es zwar keine statistischen Zahlen dazu die bis 2018 reichen. Allein im Zeitraum 2002 bis 2008 ist die mit Fahrrädern zurückgelegte Wegstrecke aber um 17 % gestiegen, wie man einer Broschüre des Bundesverkehrsministeriums entnehmen kann.
https://www.ziv-zweirad.de/fileadmin/redakteure/Downloads/PDFs/radverkehr-in-zahlen.pdf
Ich habe keine Zweifel daran, dass auch in den Jahren seit 2008 die Fahrleistung mit Rädern insgesamt weiter gestiegen ist. Dafür spricht u.a. auch die zunehmende Beliebtheit des Fahrrades. 2017 gaben 63 Prozent der Befragten in einer Studie an, dass sie das Fahrrad gern oder sehr gern nutzen. 2015 waren es noch 9 Prozentpunkte weniger!
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/fahrradmonitor-2017-ergebnisse.pdf?__blob=publicationFile
Zudem ist in den letzten Jahren auch der Absatz von E-Bikes gestiegen, was die Fahrleistung mit Rädern weiter gesteigert haben dürfte, denn mit einem E-Bike können auch völlig untrainierte weiter und länger fahren.
Es ist daher in der Summe davon auszugehen, dass die Nutzung des Rades stark gestiegen ist, und zwar nach allem was sich aus den verfügbaren Zahlen ableiten lässt, weit stärker, als die Unfallzahlen angestiegen sind. Mit anderen Worten.
Radfahren ist allen Unkenrufen über rüppelhafte Autofahrer, Stürze usw. zum Trotz eher sicherer geworden. Dafür spricht auch die Zahl der getöteten Radfahrer in der Verkehrsunfallstatistik. Deren Anzahl ist trotz steigender Fahrleistungen der Radfahrer von 659 im Jahr 2000 auf 445 in 2018 gesunken (2017 waren es sogar weniger als 400). In der Summe kann man daher meiner Meinung nach die Schlussfolgerung ziehen, dass Radfahren heute etwas sicherer ist als früher, keinesfalls aber unsicherer. Wer sich dafür interessiert findet die wiedergegebenen Daten auf der Website des statistischen Bundesamtes:
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/_inhalt.html#sprg230562
Wie schon erwähnt, sind die oben gemachten Angaben bezogen auf alle Radfahrer, da werden diejenigen die mit einem Hollandrad zum Einkaufen unterwegs sind genauso erfasst, wie Mountainbiker, Rennradfahrer oder E-Bike-Piloten (allerdings keine Pedelec-Fahrer. Die werden gesondert erfasst.) Eine Unfallstatistik für Radsportler über längere Zeiträume gibt es nicht . Allerdings gibt es ältere Daten zur Frage, wie Radsport im Vergleich zu anderen Sportarten abschneidet. Dazu gibt es eine Publikation vom Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2003, die sich detailliert mit dem Unfallgeschehen im Sport beschäftigt. Dort sind u.a. Auswertungen zum Unfallrisiko im Vereinssport enthalten, die sich auf Daten der Sportversicherung der Sportverbände stützen. Demnach ist (Vereins-)Radsport ohne jeden Zweifel als (Hoch-)Risikosportart einzustufen. So sind Todesfälle im Vereinssport zwar außerordentlich selten. Nach der Publikation kommt etwa 1 Todesfall auf 100.000 Sportreibende, wobei der ganz überwiegende Teil aller Todesfälle im Sport (70%) durch Herz-Kreislauferkrankungen verursacht wird, also nichts mit Unfällen zu tun hat. Dennoch ist das Risiko im Radsport deutlich höher als in fast allen anderen Sportarten.
Setzt man die Todesfälle in ein Verhältnis zu den Mitgliederzahlen in den jeweiligen
Sportarten, dann geht man im Luft-, Rad- oder Motorsport ein gegenüber dem Gesamtdurchschnitt
aller Sportarten 20 bis 40fach höheres Risiko ein, einen tödlichen Unfall zu erleiden.
Radsport rangiert demnach nach Luftsport und noch vor Motorsport an der zweiten Stelle im Ranking des Risikos, tödlich zu verunglücken
Quelle
https://www.lzg.nrw.de/_php/login/d.../Pub/gesundheitsindikatoren/sportunfaelle.pdf
Fazit:
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Radsport im Vergleich zu anderen Sportarten definitiv eine Risiko-Sportart darstellt. Schlimme Unfälle sind dennoch sehr selten und im Vergleich zu früher ist Radfahren eher sicherer geworden.
Was man selber tun kann.
Wie man das Risiko durch Streckenwahl, Verhalten auf der Straße etc. verringert wurde hier schon ausgiebig diskutiert mit fraglos vielen guten Tipps. Man sollte sich aber vergegenwärtigen, dass ein Restrisiko bleibt und für den Fall der Fälle ggf. durch entsprechende Versicherungen vorsorgen. (Ich bin kein Versicherungsvertreter
) Notwendig ist in jedem Fall eine Haftpflicht, die Radsport nicht in ihren Vertragsbedingungen aus den versicherten Risiken ausgeschlossen hat. (Sollte soviel ich weiß bei neueren Versicherungspolicen nicht mehr der Fall sein, bei älteren Verträgen war das aber teilweise so.) Außerdem ist eine Unfallversicherung oder Berufsunfähigkeitsversicherungen nützlich. Wer wie Du eine Familie hat und diese absichern möchte, der sollte für den unwahrscheinlichen schlimmsten aller Fälle (auch der kommt vor, kann ich Dir aus sehr persönlicher sehr trauriger Erfahrung versichern), eine Risikolebensversicherung abschließen.
Hilfreich ist außerdem, Mitglied in einem dem BDR angeschlossenen Radsportverein zu sein. Dann ist man nämlich sowohl bei Vereinsaktivitäten als auch wenn man privat unterwegs ist Unfall-, Haftpflicht und Rechtschutzversichert. Diese Versicherung springt zwar nur ein, wenn man selber keine entsprechende Versicherung hat und weist auch keine sehr großen Versicherungssummen auf. Trotzdem ist es in jedem Fall besser als nix, z.B. wenn man sich die von mir erwähnten privaten Versicherungen nicht leisten kann oder will. Meiner Meinung nach ist die über die Vereine angebotene Versicherung überhaupt auch ein starkes Argument, sich einem Verein anzuschließen.
Profisport
Ganz zum Schluss noch ein Blick auf den Profiradsport. Dafür gibt es aus Frankreich statistische Analysen über Risiko und Lebenserwartung von Radprofis. Betrachtet wurden dabei alle Fahrer, die nach 1945 an Tour de France teilgenommen hatten und verstorben waren. Die gute Nachricht. Die Radprofis wurden im Durchschnitt älter, als "normale" Männer der gleichen Geburtsjahrgänge. Allerdings hatten sie während ihrer aktiven Radsport-Karriere ein höheres Sterblichkeitsrisiko als ihre Altersgenossen, die keine Radprofis waren. Erst nach der aktiven Karriere sank das Sterblichkeitsrisiko der ehemaligen Radprofis unter das der Normalbevölkerung, was dazu führte, dass sie im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung hatten als "Normalos". Auch das zeigt, dass Radsport eine (Hoch-)Risikosportart ist. (Dass die Radprofis dennoch eine höhere Lebenserwartung haben als die Normalbevölkerung, spiegelt wieder, das man eine außergewöhnliche Physis und herausragende Gesundheit braucht, um überhaupt Radprofi werden zu können.)