• Hallo Gast, wir suchen den Renner der Woche 🚴 - vielleicht hast du ein passendes Rennrad in deiner Garage? Alle Infos

Reibungsverluste in der Kette (Berechnung)

Kodiak

Dutch Precision
Registriert
1 November 2014
Beiträge
299
Reaktionspunkte
151
Ort
Hamburg
Ich hatte ein bisschen Langeweile und habe mal versucht auszurechnen, wie viel Leistung die interne Reibung der Kette verbraucht. Bitte gerne nachrechnen bzw. die Annahmen in Frage stellen.

Ein Teil der Reibungsverluste der Kette kommt daher, dass sich beim Biegen eines Kettengliedes der Bolzen in den gekröpften Löchern der Innenlaschen unter Last dreht. Die kleine Drehung pro Kettenglied summiert sich unabhängig von der Zähnezahl des Ritzels bzw. Kettenblattes auf 360 Grad pro Umdrehung. Das bedeutet, dass der "Reibweg" zwischen Bolzen und Laschen genau der Umfang des Bolzens ist, und die Anpresskraft ist die an der Kette anliegende Zugspannung. Die Verlustleistung ist Reibkraft mal Weg pro Zeit, also ergibt sich mit d=Bolzendurchmesser, µ=Reibungskoeffizient, F=Ketten-Zugkraft, n=Umdrehungen/Sekunde für die Verlustleistung des Systems Bolzen+Lasche: P = µπFdn. Mit den Annahmen µ=0,1 (Stahl auf Stahl ungeschmiert), F=1000N, d=0,003m, n=1,5/s kommen wir auf ca. 1,4W am Kettenblatt bei 90upm.

Bei einer angenommenen Übersetzung von 52:13 dreht sich das Hinterrad vier Mal so schnell, ergibt eine Verlustleistung von insgesamt 7W (Ritzel + Kettenblatt).

Das ist aber nur die Reibung zwischen Bolzen und Innenlaschen. Dazu kommt noch die Reibung zwischen der Außenseite der Kröpfung und der Rolle unter der Annahme, dass sich die Rolle nicht ihrerseits im Zahnrad dreht (was ja gerade der Witz an der Rollenkette ist). Hier gilt dieselbe Formel, allerdings ist der Durchmesser der gegeneinander rotierenden Elemente größer, sagen wir mal 4mm. Damit ist der Gesamtverlust 7 * (1 + 4/3) = 16,3W

Klingt viel. Aber bezogen auf was für eine Grundleistung? Ein 52er Kettenblatt hat einen Umfang von 0,66m, bei 1000N Kettenspannung und 90er Kadenz ergibt das ein rundes Kilowatt auf der Kurbel. Das heißt unterm Strich: eine ungeschmierte Kette kostet bei Übersetzung 52:13 ca. 1,6% Leistung.

Interessantes Nebenergebnis: Um bei derselben Kadenz dieselbe Leistung zu übertragen, benötigt eine Überstzung 44:11 eine Kettenspannung von 1180N, d.h. die Verlustleistung steigt auf ca. 1,9%. Ein Hoch auf die Heldenkurbel.

Nicht berücksichtigt ist die konstante Spannung durch den Umwerfer, mit insgesamt acht Biegevorgängen.

Mich interessiert Eure Rückmeldung zu dieser Berechnung. Würde mich freuen, wenn es jemand nachrechnet. Wenn ich nicht um Größenordnungen falsch liege, zeigt es, dass uns auf Feierabendrunden und RTF ziemlich egal sein kann, ob wir überhaupt irgendwas mit unserer Kette machen. Beim Rennen sieht es anders aus: 2% weniger Leistung ist 1% weniger Speed auf flacher Strecke (wegen Luftwiderstand quadratisch und so), das summiert sich bei einem Zeitfahren über eine Stunde auf signifikante 36 Sekunden.

Jetzt kann jemand anders die Reibungskoeffizienten für diverse Schmierstoffe beisteuern und damit das Thema wieder ein bisschen religiös anreichern. Ich habe fertig.
 
My 2 cents:

du willst also letztlich berechnen, welchen Einfluss verschiedene Schmiermittel auf den Reibungsverlust durch den Kettenantrieb haben?

Denn:
ohne Kette zu fahren würde zwar den Reibungsverlust vermeiden, hätte aber andere Probleme ... ;)

Und ich denke mir: neben den verschiedenen Schmiermitteln dürfte auch der Verschmutzungsgrad der Kette einen Einfluss auf den Reibungsverlust haben, oder?
Ob der bereits eingetretene Verschleiß der Kette sich auf den Reibungsverlust auswirkt kann ich nicht einschätzen.
 
Ich kann selbst nichts beitragen, aber es gab mal ein YT-Video von GCN, bei dem eine total schmutzige Kette getestest, anschließend im Ultraschallbad gereinigt und mit Muc-Off behandelt und wieder getestet wurde. Ich meine, der Unterschied zwischen diesen Extremen betrug rund 1W (keine Ahnung, bei welcher Eingangsleistung, Video finde ich gerade nicht).
 
du willst also letztlich berechnen, welchen Einfluss verschiedene Schmiermittel auf den Reibungsverlust durch den Kettenantrieb haben?
Nein, um Gottes Willen. Im Gegenteil: Ich entnehme der worst-case-Betrachtung, dass die Art des Schmiermittels bei meinen sportlichen Ambitionen keine Rolle spielt und ich an meinem billigst gewachsten, aber blitzsauberen Antrieb nichts ändern brauche.
 
Ich hatte ein bisschen Langeweile und habe mal versucht auszurechnen, wie viel Leistung die interne Reibung der Kette verbraucht. Bitte gerne nachrechnen bzw. die Annahmen in Frage stellen.

Ein Teil der Reibungsverluste der Kette kommt daher, dass sich beim Biegen eines Kettengliedes der Bolzen in den gekröpften Löchern der Innenlaschen unter Last dreht. Die kleine Drehung pro Kettenglied summiert sich unabhängig von der Zähnezahl des Ritzels bzw. Kettenblattes auf 360 Grad pro Umdrehung. Das bedeutet, dass der "Reibweg" zwischen Bolzen und Laschen genau der Umfang des Bolzens ist, und die Anpresskraft ist die an der Kette anliegende Zugspannung. Die Verlustleistung ist Reibkraft mal Weg pro Zeit, also ergibt sich mit d=Bolzendurchmesser, µ=Reibungskoeffizient, F=Ketten-Zugkraft, n=Umdrehungen/Sekunde für die Verlustleistung des Systems Bolzen+Lasche: P = µπFdn. Mit den Annahmen µ=0,1 (Stahl auf Stahl ungeschmiert), F=1000N, d=0,003m, n=1,5/s kommen wir auf ca. 1,4W am Kettenblatt bei 90upm.

Bei einer angenommenen Übersetzung von 52:13 dreht sich das Hinterrad vier Mal so schnell, ergibt eine Verlustleistung von insgesamt 7W (Ritzel + Kettenblatt).

Das ist aber nur die Reibung zwischen Bolzen und Innenlaschen. Dazu kommt noch die Reibung zwischen der Außenseite der Kröpfung und der Rolle unter der Annahme, dass sich die Rolle nicht ihrerseits im Zahnrad dreht (was ja gerade der Witz an der Rollenkette ist). Hier gilt dieselbe Formel, allerdings ist der Durchmesser der gegeneinander rotierenden Elemente größer, sagen wir mal 4mm. Damit ist der Gesamtverlust 7 * (1 + 4/3) = 16,3W

Klingt viel. Aber bezogen auf was für eine Grundleistung? Ein 52er Kettenblatt hat einen Umfang von 0,66m, bei 1000N Kettenspannung und 90er Kadenz ergibt das ein rundes Kilowatt auf der Kurbel. Das heißt unterm Strich: eine ungeschmierte Kette kostet bei Übersetzung 52:13 ca. 1,6% Leistung.

Interessantes Nebenergebnis: Um bei derselben Kadenz dieselbe Leistung zu übertragen, benötigt eine Überstzung 44:11 eine Kettenspannung von 1180N, d.h. die Verlustleistung steigt auf ca. 1,9%. Ein Hoch auf die Heldenkurbel.

Nicht berücksichtigt ist die konstante Spannung durch den Umwerfer, mit insgesamt acht Biegevorgängen.

Mich interessiert Eure Rückmeldung zu dieser Berechnung. Würde mich freuen, wenn es jemand nachrechnet. Wenn ich nicht um Größenordnungen falsch liege, zeigt es, dass uns auf Feierabendrunden und RTF ziemlich egal sein kann, ob wir überhaupt irgendwas mit unserer Kette machen. Beim Rennen sieht es anders aus: 2% weniger Leistung ist 1% weniger Speed auf flacher Strecke (wegen Luftwiderstand quadratisch und so), das summiert sich bei einem Zeitfahren über eine Stunde auf signifikante 36 Sekunden.

Jetzt kann jemand anders die Reibungskoeffizienten für diverse Schmierstoffe beisteuern und damit das Thema wieder ein bisschen religiös anreichern. Ich habe fertig.
Du hast in deiner Rechnung nur den oberen Weg der Kette einbezogen. Untenherum kommen noch 6 Richtungsänderungen der Kettenglieder hinzu (Kettenblatt, 2× unteres Schaltröllchen, 2× oberes Schaltröllchen und Ritzel). Bei starker Feder und Clutch im Schaltwerk ist dort der Zug auf der Kette eben durch dieses Schaltwerk (wahrscheinlich auch in Abhängigkeit dessen Auslenkung) gegeben.
Fahrradzukunft hat das Thema mal experimentell beleuchtet im Rahmen der Betrachtung von Wirkungsgrade bei Fahrradschaltungen (eigentlich Test für Nabenschaltung). Ein Rad ohne Schaltung kam auf 1% Verlust, Kettenschaltung auf 5%, Nabenschaltungen noch mehr (allerdings mit demselben Umwerfer um die Kette stramm zu halten). Das war die Zeit vor der Clutch. Lennart Zinn hat in einem Magazin mal Daten für 1-fach SRAM mit Clutch gegen 2-fach Ultegra ohne Clutch veröffentlicht. Klar konnte man dort die Abhängigkeit von der Ritzelgröße erkennen, aber auch, daß die Ritzelgröße und Schräglauf der Kette nicht die kompletten Verluste alleine erklären konnten. SRAM war immer mit höheren Verlusten, was aber auch an deren Kette gelegen haben könnte (was ich persönlich nicht glaube) oder aber an der Kraft auf der Kette im unteren Kettenweg (was ich wiederum glaube).
 
Durch meine weitere Ausführung wollte ich darauf hinweisen, daß ich den unteren Weg mit dem Schaltwerk für den signifikanteren Anteil halte.
Aber nur bei sehr geringer Antriebsleistung, weil die Zugkraft der Kette linear in die Leistungsberechnung einfließt. Und die ist im unteren Teil vielleicht 20N, im oberen mehrere 100N. Da machen auch die zwei zusätzlichen Umschlingungen des Umwerfers nicht viel.
 
Aber nur bei sehr geringer Antriebsleistung, weil die Zugkraft der Kette linear in die Leistungsberechnung einfließt. Und die ist im unteren Teil vielleicht 20N, im oberen mehrere 100N. Da machen auch die zwei zusätzlichen Umschlingungen des Umwerfers nicht viel.
Fahrradzukunft hatte mit 200W 1% Verlust ohne Schaltwerk, 5% mit Schaltwerk. Bei neueren Schaltwerken für 1-fach mit Clutch gehe ich von wesentlich mehr aus. Häng doch mal eine kleine Hantel ans den Arm des Umwerfers in Richtung der Kette. Ich habe es gerade mal mit 1,5kg alias 15N bei geöffneter Clutch eines RD RX822 GS gemacht. Bewegt sich nicht, bzw nicht im sichtbaren Bereich.
 
Ich verstehe durchaus, dass solche Berechnungen Spaß machen können und man ein tieferes Verstehen eines Systems bekommt.

Man kann sehr gut und genau etwa die zusätzliche Leistung einer zweiten Trinkflasche am Hausberg berechnen: genaue Werte, wenige Formeln, kaum Nebenwirkungen.

Hier hast du aber allerdings eine Vielzahl von Einflussgrößen, die nur grob geschätzt, weggelassen, pauschalisiert und übersehen hast. Man merkt sehr schnell, dass die Fehlerabweichung flugs riesig wird.

Da gibt es zum Glück einen Ausweg: Sinnvolle Testaufbauten und Messungen.

Und beim Gestalten der Tests (Studiendesign) und der späteren Analysen hilft Dir natürlich wieder die gedanklich aufgestellten Betrachtungen.

Gruß messi
 
Hier hast du aber allerdings eine Vielzahl von Einflussgrößen, die nur grob geschätzt, weggelassen, pauschalisiert und übersehen hast. Man merkt sehr schnell, dass die Fehlerabweichung flugs riesig wird.
"Vielzahl?" Bestimmt einige, aber lass mal ein paar hören. Schräglauf der Kette mit entsprechender Reibung an den Zahnflanken spielt bestimmt eine Rolle.
 
Z.B.:
  • du gehst von konstanter Kettenkraft aus. Bei 0 Uhr ist sie fast null, bei 3Uhr fast alles. Einfach den Durchschnitt bilden???
  • nur die ersten Zähne übertragen Kraft, dann tendenziell fallend in Abhängigkeit vom Verschleiß
  • Gleitreibung und Kraft proportional zu betrachten sind nur ein vereinfachstes Modell (Gleitreibung ist mikroskopisch gesehen auch "Formschluss" der durch elastische oder plastische Verbiegung, Abscheren, drüberheben...bei großen Differenzen der Statistik (Gleitreibung) entziehen
  • der Einfluss der Ketten-Rollen ist nicht zu kalkulieren
  • welche Legierung, welche Härtung, welcher "Polierzustand" -> wie hoch ist die "Trockenreibung" wirklich?
  • Oktalink-Effekt
....

Gruß messi
 
Zurück