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Pyrenäen 2014

kaipi

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Bremen
Hier schon mal die erste Fassung meines Berichtes. Fotos kommen noch. Ortsnamen muss ich teilweise noch recherchieren. Aber lest selbst.

Die Grundidee meiner Tour: die spanische und französische Seite der Pyrenäen abklappern und wenn die Zeit noch reicht, zurück nach Bremen.

Freitag, 30. Mai 2014: Girona - Gombrèn (115 km, 1.800 hm; Regen, kalt)
Der Flug ist nervig. Es gibt doch so viel schönere Fortbewegungsarten! Aber alles klappt prima. Am Flughafen von Girona treffe ich gleich freundliche Angestellte, die mir meine Radkiste und den Plastikmüll abnehmen wollen. Ich bau mein Rad zusammen. Der erste Schreck: eine Schraube an der Lenkertaschenhalterung ist kaputt. Muss die andere den Job halt alleine erledigen. Die ersten Tröpflein fallen auch schon. Da hätte ich ja auch in Bremen bleiben können.

Mein Garmin 500 lotst mich schnell auf kleine, verkehrsarme Sträßchen, durchs Llémena-Tal, über den ersten kleinen Pass in das stärker befahrene Brugent-Tal. Dort gibt es allerdings ein kleines, schmuddeliges und winkeliges Nebensträßchen. Oben auf dem nächsten kleinen Pass (Coll de Bas, etwa 600 m) fängt es richtig an zu regnen. Ich stell mich erstmal unter. Irgendwann fahr ich aber weiter, mit Regenjacke und Überschuhen. Ich stoße wieder auf die Hauptstraße und biege logischerweise links ab, da ich auch nach links von ihr abgebogen war. Irgendwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu, denn ich lande wieder da, wo ich schon mal war. Als wäre der Regen nicht schon schlimm genug. Außerdem ist es schweinekalt. Des Rätsels Lösung: die Hauptstraße führt durch einen Tunnel unter dem Nebensträßchen durch und ist dann natürlich auf der falschen Seite.
Im Regen fahr ich mit viel Verkehr nach Olot und biege dort ab auf das schön ruhige Sträßchen zum Coll de Canes, 1120 m. Vorher kommt noch der Coll de Coubet (1010 m).

Oben kommt endlich die Sonne raus. In Ripoll gurke ich rum, bis ich die richtige Straße finde. Gemütlich ansteigend kurbel ich durch die Abendsonne bis nach Gombrèn. Sehr hüsches Hotel, nette Leute. Das Abendessen ist der Wahnsinn. Super lecker, super kreativ und vielseitig. Allerdings alles nur Miniportiönchen. Auch die selbstgebackenen Brötchen. Statt den vier Gängen gemäß Karte gibt es aber sechs, so dass ich tatsächlich satt werde. Fonda Xesc heißt der Laden. Gibt es seit 40 Jahren als Familienbetrieb.


Samstag, 31. Mai 2014: Gombrèn - Tuixent (66 km, 1.500 hm; heiter, frisch)
Wie schon das Abendessen ist auch das Frühstück der Hammer. An die 20 kleine Schälchen stehen auf dem Tisch verteilt. Geräuchter Schinken, zwei Sorten Wurst, drei Käse, Kirschen, Erdbeeren, Weinbergpfirsich, Nüsse, Tomate, Frischkäse, Marmelade. Quittenbrot. Alles sehr lecker, keine Massenware. Dazu Brot, Croissant, Kuchen. Orangen-Pfirsich-Saft, Wasser, Cafe con leche. Dazu ein toller Ausblick ins Tal und verspielte Schwalben in der Luft. Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel.

Die Jungs vom Nachbartisch, die schon gestern ihr Essen filmten, kommen auf mich zu und fragen mich, ob ich ihnen ein Interview zum Restaurant gebe. Scheisse, denke ich, bloß das nicht. Hab ich noch nie gemacht und keine Lust. Das heisst, ich hab Angst, stimme aber unwillig zu. Erst sind die beiden Frauen vom Nachbartisch dran, die sonst einzigen Gäste. Dann ich, auf deutsch. Und es macht mir großen Spaß. Will ich jetzt öfter machen. Dank an die beiden für dieses schöne, beflügelnde Geschenk!
Bevor ich losfahre, kaufe ich noch Brot, Ziegenkäse, Salami. Wie bestellt ziehen Wolken auf. Gemütlich fahr ich los auf den Coll de Merolla (1.090 m) und wieder runter nach Guardiola de Bergueda.

Die Landschaft ist schön, aber halt ohne Sonne. Wenig Verkehr. Danach geht es durch ein anfangs schluchtartiges Tal wieder hoch. Bald taucht der Gabelberg Pedraforca auf. Die flacheren Gipfel weiter nördlich tragen ein zartes Schneehäubchen. Ab und zu kommt etwas Sonne durch. Dann wird es warm. Im Schatten bleibt es frisch. Den kleinen Coll de la Trapa (1.321 m) nehm ich auf dem Weg nach Gosol mit.


In der Mittagspause fängt es an zu tröpfeln. Ich will nur noch bis Tuixent über den Coll de Jaso (1620 m). Die Sonne hat es sich jetzt anders überlegt und den Kampf gegen die Wolken gewonnen. Die Farben der Berge und Wiesen leuchten auf. Wunderschön.

Kurz vor Tuixent wundere ich mich, warum so viele Leute hier auf der Straße spazierengehen. Im Ort ist der Marktplatz abgesperrt. Die Hotels sind ausgebucht. Ich probiere es noch in der albergo cortina und werde sehr freundlich empfangen. Im Vielbettzimmer (17, wie sich später rausstellt) ist noch ein Plätzchen frei. Ich sage zu, teils weil ich nicht bis in die nächste Stadt fahren will, teils wegen der Freundlichkeit, teils auch aus Neugierde, was hier heute noch geboten.

Es ist ein Dorffest zu Ehren der Trementenaires, weisen Frauen, die früher aus Kiefernharz und Wildkräutern Heilmittel hergestellt haben. Damit ihr Wissen und ihre Kunst nicht in Vergessenheit geraten, wird nun schon im fünften Jahr gefeiert. Katalonien wäre nicht Katalonien, wenn die Identität der nach Unabhängigkeit von Moskau (oder Madrid?) strebenden Region nicht auch mit Musik und Gruppentänzen gestärkt würde. Letzteres ist wohl das, was die meisten Besucher anzieht.

Erstmal muss ich mich gedulden, bis es Abendessen gibt. Bis halb neun. Die Fete geht um halb elf los mit einem alten Dokumentationsfilm über die Trementenaires. Ich versteh kein Wort, bleib aber trotzdem tapfer dabei. Dann kommen Fackelträger, begleitet von einer traditionellen Folkgruppe. Das Feuer aus Holz und jeder Menge Kräutern wird entzündet. Es werden Volksweisen gesungen, was das Zeug hält. Auf die Dauer recht ermüdend. Auch der erste Rundtanz wird angeleitet und die Hälfte der Leute tanzt mit.
Als das Feuer irgendwann runter ist, ziehen alle um auf die plaça maior. Neue Musiker heben die Stimmung und ein berühmter achtfingriger Methusalix leitet über ein Headset die - Fortschritt muss sein - die Tänze an. Bald kann auch ich dem zuvor gereichten warmen Kräuterrum, der Musik und vor allem den hübschen Katalaninnen nicht mehr widerstehen und tanze bis drei Uhr morgens mit.

Sonntag, 2. Juni 2014: Tuixent - Sort (96 km, 1.900 hm; sonnig, warm)
Etwas traurig vom Abschied von diesem besonderen Ort, aber auch voller schöner Erinnerungen fahre ich durch die schönen Täler, Berge und Dörfer gen La Seu d'Urgell.

Auf dem Coll de la Trava (1.480 m) bietet sich ein toller Blick auf die schneebedeckten Berge im Norden. Das Frühstück in Tuixent war sehr spärlich und ich bin erstaunt, so weit mit quasi leerem Magen gekommen zu sein. Die Stadt ist nicht so meins. Mittelaltermarkt vor der Kirche. Ne Pizza. Ein Stück das große Tal gen Süden, dann bieg ich ab zum Coll del Cantó (1.720,8 m).

Die Straße ist breit, anfangs recht steil. Außerdem ist es mal heiß und es gibt nicht viel zu sehen. Erst ganz oben bieten sich mir ein paar nette Ausblicke. Die Abfahrt ist rasant. In Sort lande ich im Hotel Pey. Angenehm, 40 €. Mein Rad darf in den Speisesaal.
 
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kann es sein, dass du vergessen hast deine XY-Platzhalter in den Texten durch die richtigen Namen zu ersetzen? ;)
Wie immer Respekt, wenn man so eine Tour alleine durchzieht! Wenn ich das lese, muss ich meine eigenen Bilder wieder hervor kramen und in Erinnerungen schwelgen.
 
Muchas gracias, Torsten y fussili. Die Reise hat gerade erst begonnen. Am 29.06. bin ich zurück. Die Wünsche erfülle ich alle gerne, kann aber etwas dauern. Wie lade ich denn am besten Fotos hoch und mach sie vorher kleiner? Hab ein Android-Tablett.

Montag, 2. Juni 2014: Sort - Campo (111 km, 2.000 hm; heiter, frisch)
Das Frühstück servieren mir zwei Männer, sehr nett und freundlich. Ich bekomme Wurst- und Käseplatten wie für zehn Personen. Dafür etwas wenig Brot, aber es reicht. Und Rührei. Als ich losfahren will, ist mein Hinterrad schlapp. Ist schnell repariert. Offenbar war der Schlauch schlecht geflickt. Ich schmeiss ihn weg und kaufe im Ort einen neuen Ersatz. Wie ich später feststelle, ist es alles andere als selbstverständlich, in den Pyrenäen einen Radladen zu finden. Flott geht es auf der breiten, aber verkehrsarmen Straße talwärts, an einem Rockschuppen vorbei.

Während ich noch überlege, einen Abstecher zur Schlucht Desfiladero des Collegats zu machen, sagt mein GPS rechts ab. Ich bin von dem superkleinen Sträßchen sofort fasziniert, kann gerade noch runterschalten und vergesse die Schlucht, eine der schönsten Europas, wie ich später nachlese. Stattdessen biege ich ab in die romantische Einsamkeit. Erst geht es steil rauf. Oben ist es wellig, wie verbreitet in der Gegend. Die Landschaft und die einsamen Dörfer leuchten in der warmen Sonne. Über mir an die zwanzig Geier. Durch eine hübsche kleine Schlucht geht es wieder ins Tal und auf einer breiten, landschaftsverhunzenden, nahezu verkehrslosen Piste langsam ansteigend Richtung El Pont de Suert. Die Piste wird zum Glück bald wieder zum schnuckeligen Sträßchen und steigt an zum Creu de Perves (1.335 m). Eine Schafherde kreuzt meine Weg.

In El Pont de Suert stopf ich mich mit Tapas voll, fettig frittiertes Zeug, nicht so der Bringer. An einer Tanke kauf ich ne große Flasche Wasser, während zwei fette Porsche-Cabrios ihren Tank mit Benzin füllen. Ich finde mich mit Abstand cooler und erklimme durch ein schönes Tal den Alto de Bonansa. Hab ich früher gern geguckt. Die Gegend sah aber anders aus. Der Titelsong galopiert durch meinen Kopf.

Oben ist es öde. Auf der anderen Seite fahre ich durch eine imposante Schlucht des Riu Isabena talwärts.

So eng die Schlucht so breit das nächste Tal. Seltsam erodierte Abhänge. Auch die Straße superbreit und nagelneu. Gibt es in der EU einen Wettbewerb "Wer baut die breitesten Straßen und keiner fährt drauf"? Auf der seichten Passhöhe biege ich ab und durch eine kleine Minischlucht lande ich wieder auf der Magistrale und rase mit 80 kmh ins beschauliche Campo in das freundliche und hübsche und ruhige Hotel Los Nogales (40 €).
Dienstag, 3. Juni 2014: Campo - Nerin (Valle d'Anisclo) (58 km, 1.500 hm; heiter, warm)
Nach spärlichem und zuckersüßem Frühstück breche ich auf und fahr die ersten 20 km auf der superbreiten, aber nahezu verkehrslosen Nationalstraße.

Bestimmt aus EU-Regionalfördermitteln bezahlt. Während ich noch darüber sinniere, dass wir in Bremen beim Hochwasserschutz jeden Cent dreimal umdrehen und uns mit Müh und Not einen bescheidenen Spazierweg auf dem Deich gönnen, komme ich nach Arro und biege auf ein absolut zauberhaftes Sträßchen nach Los Molinos ab. Ein schlichtes, schmales Asphaltband durch lichten Pinienwald mit interessanten Erosionsformationen und tief eingeschnittenen Fluss- und Bachtälern, im Hintergrund steile Felswände und die schneebedeckten Gipfel des Hauptkammes. Der Monte Perdido, auf dem ich vor fast 20 Jahren schon mal stand, hüllt sich allerdings in Wolken. Auch hier gleiten große Greifvögel durch die Luft.

In Laspuña gönne ich mir ein Bocadillo, einen Cafè con leche und zwei Mandarinen, bevor ich in die fantastische Añisclo-Schlucht einbiege. Steile Felswände rechts, links, vorne, hinten, oben. Unten der klare, türkisfarbene Fluss. Wow. Unvergleichlich. Im gefühlten Schritttempo radle ich ehrfürchtig, ergriffen, begeistert hinauf bis nach Nerin in mein Hotel, das einen Panoramablick zurück bietet.


Mittwoch, 4. Juni 2014: Ausflug Garganta d'Añisclo (12 km, 300 hm; heiter, warm)
Flugs bin ich die kurze Strecke bis zum Parkplatz am Schluchteingang runtergeradelt. Vor fast 20 Jahren war ich schon mal hier, mit Harry, Zelt und Rotwein im Tetrapak. Wir waren vom französischen Lourdes rübergewandert, am Vignemal vorbei und durch den Ordesa-Nationalpark, und jetzt wieder auf dem Rückweg, über den Monte Perdido und die Breche de Roland.
Mein Hotelier gab mir den Tipp, mein Rad bei der Nationalparkaufsicht abzustellen, die in einem winzigen Steinhäuschen sitzt. Klappt prima. Er gibt mir nur auch zu verstehen, das das mit meinen Radschuhen ja wohl gar nicht geht. Ich zeig ihm noch das Profil und suche dann schnell das Weite. Ideal ist es nicht mit den Schuhen, aber ich bin vorsichtig, habs nicht eilig und so geht es. Die Schlucht ist ne Wucht, tolle Ausblicke auf steile Felswände über und unter mir, donnernde Wasserfälle - ich lass dann mal die Fotos sprechen.

Auf halber Strecke treffe ich die kontaktfreudige Susan aus San Diego, California. Sie ist auch begeistert, vergleicht die Schlucht mit dem Copper Canyon in Mexiko. Mein Canyon ist allerdings aus Alu. Kupfer? Weiß nicht so recht. Jedenfalls kann ich endlich mal wieder so frisch von der Leber losquatschen, denn dafür reicht mein Englisch. Mein Spanisch dagegen ist miserabel.
Ich komme bis La Ripareta, wo der Fluss über eine große Steinplatte fließt, die mit wassergefüllten Mulden übersät ist. Da gefiel mir schon vor zwanzig Jahren sehr, als sich in den vielen Pfützen auch noch der blaue Himmel spiegelte.
 
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Du bist noch unterwegs???? Habe ich etwas überlesen?
Wünsche dann auf jeden Fall immer mindestens 8Bar zwischen dir und der Strasse und möge der Wettergott mit dir sein!!!!
 
Ich wünschte ich könnte so toll Texten. Super

Man will automatisch mehr hören. Erinnert mich ein wenig an Hape Kerkelings Jacobsweg.

Geil:daumen:
 
Donnerstag, 5. Juni 2014: Nerin -Torla (25 km, 500 hm; morgens neblig frisch, dann sonnig-warm)
Im frischen Morgennebel radel ich los. Schon bald geht es wieder rauf zum Alto de Fanlo und mir wird warm. Erst versperrt noch eine Schaf-und Ziegenherde den Weg. Die Straße teilt sich, ich weiß nicht wohin und zieh erstmal meine warmen Sachen aus. Da kommt ein Auto, die frag ich mal nach dem Weg. Ist spanisch-englisch geradebrecht, der Weg jetzt aber klar. Da weist der ältere Beifahrer noch in die Richtung, aus der ich kam. Was er sagt, versteh ich nicht. Der jüngere Fahrer klärt auf: er meint das Plüschäffchen, das aus meinem Rucksack lugt. Der älter macht noch Affengeräusche und kratzt sich mit beiden Händen unter den Achseln. Gemeinsam lachen wir uns kaputt.
Bergrunter wird es gleich wieder kalt und ich zieh meine Sachen schon wieder an. Die Straße ist, anders als bei quaeldich.de beschrieben, in einem prima Zustand. Sarvisé und Broto sind nette, ruhige Orte. Nach Torla geht es noch ein paar Serpentinen hoch. Im Ort ist Markt und ich decke mich mit frischem Obst ein. Dazu Karten und Briefmarken. Radsport ist sehr beliebt im Ort:

Das im Internet vorgebuchte Hotel Ordesa (4 Sterne , 44 €) ist ganz schick, aber auch zum Wohlfühlen. Ich schreibe Karten und gönne mir eine einstündige wärmende und entspannende Massage. Ich spazier nochmal ins Dorf, kaufe Brot, Käse, Wurst für die morgige Wandertour. Beim Abendessen treffe ich Susan wieder mit ihrer Freundin Ann Mary. Wir haben viel Spaß und ich lerne neue Vokabeln wie killer hike, jumping jack und leaping frog.

Freitag, 6. Juni 2014: Wandertag im Ordesa-Nationalpark (heiter und warm)
Nach dem sehr vielseitigen und üppigen Frühstück und dem Abschied von Susan und ihrer Freundin radle ich die paar Kilometer zum Parkplatz. Die ultimative Faja de las Flores will ich wenigstens sehen.
Schon bei der Anfahrt bieten sich tolle Blicke auf die, wie ich finde, einmalig schöne Landschaft. In der Nationalpark-Verwaltung sitzt, wie sollte es anders sein, eine junge hübsche Spanierin. Sie ist allerdings etwas kühl und weisst mich erstmal darauf hin, dass ich im Park nicht Radfahren darf. Tja, wenn ich jetzt Ashton Martyn (gewesen) wäre, ... Bin ich aber zum Glück nicht und schlagfertig sowieso nicht. So bleibt das Gespräch eher nüchtern. Auf Nachfrage gibt sie mir den Tipp mit der Faja de Canarellos, eine wunderbare Tour. Erst 300 m rauf zum Wasserfall von Cotatuero, die Strecke, die ich vor zwanzig Jahren mit Harry aus der Faja de las Flores mit Klettereinlage runterkam. Über eine Brücke rüber, noch etwas aufgestiegen und schon stellte sich das Faja-Feeling ein. Über mir geht die Felswand senkrecht nach oben, teils überhängend, unter mir geht es steil ins Tal, drumrum steile Felswände, Wasserfälle, bunte Blumen, grüne Wälder. Irgenwann geht der Weg wieder runter ins Tal und an donnernden Wasserfällen zurück. Die Nationalparkverwaltung hat leider schon zu.


Samstag, 7. Juni 2014: Torla - Izaba (140 km, 2.200 hm; sonnig und warm)
In der vom vorabendlichen und nächtlichen Regen noch frischen Morgenluft verlasse ich diesen schönen Ort. Kein Wölkchen am Himmel. Bald schon geht es rauf zur Puerta de xy Cabofablo (1.400 m), vorbei an Orten mit fragwürdigen Namen.

Ich fahre auf der N260. Den Kilometerstein "444" habe ich leider auf einer Nebenstrecke in den letzten Tagen umfahren. Japankundige werden mich dazu beglückwünschen, denn eine Vier steht in Japan schon für Unglück. Oder auch “tausend Tode sterben”. Den Rolandmarathon habe ich allerdings mit der "444"-Rückennummer ganz gut überstanden. Ich habe dafür den "484" fotografisch erfasst.

Die Abfahrt nach Biescas läuft wunderbar und ich mach zur Abwechslung mal Strecke. Biescas ist ein ganz lebendiger Ort. Weiter geht es nach Süden auf breiter Hauptstraße mit ordentlich Gegenwind. Der kommt aus Osten und schiebt mich fast den ganzen restlichen Tag, erst neben der Autobahn nach Jaca auf einer Parallelstraße, auch schön breit, aber fast nur Radfahrer drauf. Die Landschaft ist nicht übel, sanfter, na klar, der Weizen wird schon gelb.
Durch Jaca ist etwas Gurkerei. Irgendwann bin ich auf der Nationalstraße nach Frankreich und nach rund 10 km froh, mal wieder auf eines meiner heißgeliebteb Ministräßchen abbiegen zu dürfen. Auf einer sonnigen, widgekühlten Aussichtsterrasse mach ich Pause.
Weiter geht es durch wellige, meist offene Weidelandschaft. Immer mal wieder Ausblicke auf die schneebedeckten Berge. Sehr schön.

In Aisa werde ich von einem Streckenposten mit Warnweste angehalten. Da ist sie, die von dem deutschen Pärchen im letzten Hotel angekündigte RTF oder Competicion. Ich will natürlich entgegen der Fahrtrichtung der Veranstaltung, was für mich und die Teilnehmer ein Problem sei, wie mir der Posten erklärt. Außerdem ginge es ordentlich den Berg hoch. Na hoffentlich, denke ich, deswegen bin ich doch hier. Er empfiehlt mir, einen Café trinken zu gehen. Dafür lässt er mich durch. Die entgegenkommenden Radler tröpfeln nur und fahren nicht gerade Renntempo. Altersdurchschnitt hoch. Ich habe keine Lust auf Warten und fahre weiter. Die nächsten Streckenposten haben auch keine Einwände. Ein Polizeimotorrad fährt vorbei, das nächste hält an und nordet mich ein, ganz vorsichtig am äußersten Straßenrand zu fahren. Mach ich doch gerne. Die meisten Radler grüßen freundlich und freuen sich, dass da einer in die falsche Richtung fährt. Mach ich auch gerne.
Oben auf einem der vielen namenlosen Pässe der Gegend wird gerade ne Verpflegungsstation abgebaut. Gibt leider nichts für mich abzugreifen. Ein netter Spanier gibt mir noch den Tipp, dass nach 5 km ein netter Ort kommt mit Bar und Kaffee und Wasser. Zum Abschied klopft er mich auf die Schulter, eine sehr nette Geste.
Der Platz in Jasa ist belebt, Kommunionsfeier. Zwei abgehängte Radler trinken in aller Ruhe ihr Bier. Ich hol mir eine Café con leche und ne große botilla de agua. Zwei andere Gäste sprechen mich an und ich erzähl was ich hier mache. Voll nett, lustig, freundlich. Sie loben sogar mein Spanisch. Naja, wenn man selbst kein Deutsch kann. Unterwegs darf ich mal wieder spanische Straßenbaukunst bewundern:

Ich muss noch über zwei Hügel, vorbei am schönen Ansó - ab ich schon erwähnt, dass hier nichts los ist? - und lande im Vall de Roncal. Massenhaft kommen mir Autos mit Rennrädern drauf entgegen. Ich bin auf dem Weg zum Startort Izaba, wo ich übernachten will. Der Ort ist übervölkert. Am Ziel steht ein großer Zielbogen mit Zeitnahme, gerade schon über neun Stunden und immer noch trudeln Fahrer ein. Riesenzelt, Massenfraß, Material vom Feinsten.
Ich will ins Hostal Lola (50 €) und bekomme ein sehr hübsches Zimmer mit Sonnenbalkon und Blick auf die Kirche.
 
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Habe im TV einen Bericht über den Teil südöstlich von Biarritz gesehen. Dort fuhr ein kleiner Zug in die Berge, vielleicht bist du irgendwann dort, und lässt dich zur Abwechslung mal fahren.
 
War das am Berg La Rhune, etwas westlich von Sare? Da stand plötzlich ein alter Waggon in den Bergen. Schienen einer Zahnrradbahn gabs auch. Bergbaugegend, wenn ich das richtig erkannt habe. Mitfahren wäre natürlich ne super Sache, aber totaaaaler Stilbruch, geht gar nicht, schnüff.
 
Sonntag, 8.Juni 2014: Isaba - Oronoz-Mugaire (120 km, 1.800 hm; sonnig und sehr warm)
Noch ist es frisch und ich radle durch ein schönes, grünes Tal auf den Laza (1129 m). Weiter geht es nach Ochagavia, Erro, Eugi und Irurita. Die meisten Orte sind in einem bilderbuchmäßigen Zustand. Sieht nach viel Geld aus und fassadenhafter Oberflächlichkeit, die ich eigentlich gar nicht mag. Trotzdem rührt mich die Schönheit der Orte an, die lange Geschichte und die harmonische Gestaltung. Manche sind völlig menschenleer, in manchen ist wenigstens ein bisschen was los. In Ochagavia kaufe ich superleckere, selbstgebackene Nuss-Schoko-Kekse. Die Straßenschilder sprechen für sich.

Auch die Landschaft ist von ergreifender Schönheit und teilweise wie aus dem Bilderbuch. Die hohen, schneebedeckten Berge hab ich hinter mir gelassen. Die Pässe schaffen die 1.000-Meter-Marke nicht mehr. Von der Idee, heute noch den Atlantik zu erreichen, nehme ich Abstand und mach dafür an einem schattigen Plätzchen ein Nickerchen.
In meinem Hotel bestelle ich das Menu del día. Da zeigen sich die Vorteile des Alleinereisens. Denn meist ist Wein inbegriffen und eine ganze Flasche landet auf dem Tisch. Leider schaffe ich die nicht und bin schon nach dem ersten Glas bedüdelt und nach dem zweiten schwer schwankend.
Hier laufen ein paar ältere Herren mit Baskenmütze rum. Erinnert mich an das gleichnamige Buch von Hans Blickensdörfer, aka Blicki. Die Mütze half ihm, aus französischer Kriegsgefangenschaft zu fliehen. Blicki war außerdem Sportjournalist und Tour-de-France-Experte, damals, als die Zeiten noch besser waren und es solche gemeinen Sachen wie systematisches Doping nur wegen schnöden Mammons noch nicht gab. Mit "Salz im Kaffee" hat er einen bekannten Radsportroman verfasst. Mein Exemplar trägt übrigens eine Widmung des Autors.
Heute waren relativ viele Motorradfahrer unterwegs, meist Spanier, ist ja auch Sonntag. Manche hatten Nummern auf ihren Kisten kleben. Fahren die ne RTF, die Weicheier? So wie ich häufig drüber nachdenke, warum ich gerne radfahre, so frag ich mich auch, was denn die Jungs (hab hier noch kein Mädel gesehen) auf ihren heißen Kisten fasziniert. Da ich immer noch ne SR rumstehen hab, die ich aber nicht mehr fahre, denke ich, das Tolle am Mopedfahren ist, eine bestimte Art von Freiheit und etwas Outlawmäßiges, Energie und Geschwindigkeit zu spüren. Als Radfahrer denke ich: alles Selbstbetrug. Ich muss viel Kohle hinlegen, mich in Lederzeug quetschen, im Sommer unerträglich, nen unbequemen Helm aufsetzen, in dem es tierisch dröhnt. Das soll was mit Freiheit und Unabhängigkeit zu tun haben? Wenn der Tank leer ist, ist Schluss. Und ein Plattfuss ist auch nicht so lustig. Auf dem Rad bin ich da doch deutlich unabhängiger und hab frische Luft um mich, auch wenn ich am Berg schwer öle. Aber ich spüre meine Energie, okay, auch die Grenzen, und nicht die Energie fossiler Rohstoffe. Geschwindigkeit? Okay, keiner ist schneller unterwegs. Will ich aber auch gar nicht, sondern die Landschaft genießen und mich spüren. Auf dem Moped sitzt man auch nur blöd rum. Auf dem Fahrrad kann ich sowas wie tanzen. Schon probiert?

Montag, 9.Juni 2014: Onoroz-Mugaire - Sare (135 km, 2.000 hm; erst sonnig und sehr warm, abends Gewitter)
Der erste Teilabschnitt meiner Reise ist beendet. Etwas traurig überquere ich den Grenzfluss zu Frankreich. War schon schön in Spanien. Vorher hab ich in der belebten Bucht von San Sebastian im Atlantik gebadet und den Juizkebel erklommen. Das ist so ähnlich wie der Mont Salève für Genf, nur nicht so hoch. Dafür ist der See hier ein Ozean. Man ist in beiden Fällen schnell aus dem Stadttrubel, kommt ins Schwitzen und ist in ruhiger Natur.

Der Tag begann mit einem Anstieg durch ein schönes Tal. Locker kurbel ich hoch. Die sechs hauchzarten Baguettescheibchen und zwei eingeschweißten Bisquitküchlein liegen jedenfals nicht schwer im Magen. Durch ein ebenso schönes Tal geht es wieder runter. Der Pfingstsonntag scheint auch die Straßenbauarbeiter nicht an ihrer Arbeit zu hindern. Als sich das Tal öffnet, bin ich von Industriegebieten umgeben. In Hernani versagt mein GPS. Dreimal muss ich umkehren, bevor ich meine Intuition einschalte. Im Zentrum kauf ich leckere Kirschen und quäl mich auf einer Hauptstraße nach San Sebastian. Die Sonne strahlt auf die Bucht. Der Strand ist voll, auch die Promenade. Ich schieb mein Rad und lass die Szenerie auf mich wirken. Leider ist direkt daneben eine Straße. Das Wasser ist nicht kalt und die Wellen machen Spaß.

Frankreich begrüßt mich mit einem gewaltigen Gewitterguss. Ich beschimpfe die Franzosen, weil sie so rechts gewählt haben. Der erste Pass ist der Col de Saint Ignace, 169 m. In Sare sind alle Hotels ausgebucht. Ich komme einen Kilometer weiter im Hotel Pikassaria unter, nett, 45 € mit Frühstück.


Dienstag, 10. Juni 2014: Sare - Larrau (100 km, 2.700 hm; bedeckt, warm, aufm Berg frisch)
Heute wollte ich nach den 140 km von gestern etwas kürzer treten, vielleicht nur bis St-Jean-Pied-de-Port. Denn danach folgt ein richtiger Pass, der Iraty. Erst pack ich aber alles, was ich nicht mehr zu benötigen gedenke, in meine Lenkertasche, vor allem die Zweitgarnitur Radklamotten und die warme Radjacke. Die Tasche wird voll. Der Patron hat einen genau passenden Karton und Klebeband für mich. Auch das Frühstück ist super. Bufett, alles da. In Sare gibt es eine Post. Sieht geschlossen aus, steht aber ouvert drauf. Ich drück auf die Klingel, guck möglichst seriös in die Kamera, nehm schnell noch Helm und Sonnenbrille ab - und hab den Türsummer verpasst. Nochmal klingeln und ich bin drin. Mein Paket wiegt über zwei Kilo, macht stolze 21,65 €. Erleichtert mich also in doppelter hinsicht sehr.
Leichtfüßig wie Alberto Contador radel ich nach Süden auf leider relativ stark befahrenen Straßen. Plötzlich ist nichts mehr los. Logo! Ich bin wieder in Spanien. Die breite Straße führt auf den 602 m hohen Otxondo.

Flott wieder runter, abbiegen auf ein kleines Sträßchen und klar, wieder rauf. Irgendwie ist mit der Posteinlage das Frühstück schon ewig her und ich bekomm Hunger. Damit berghoch geht gar nicht gut. Die Orte sind aber ausgestorben. Nein, in Erratzu hat ein Minilädchen offen. Ich bekomm ein halbes Brot, ein Stück Käse, Kirschen und Weinbergpfirsiche, die auf spanisch so ähnlich wie Paraguayer heißen. Noch nen Kaffee dazu.
In Serpentinen geht es das Tal hoch, bis auf 690 m. Izpegi-Pass. Ein Reiseradler mit Anhänger kommt mir entgegen. Alles supergrün, Wälder und Wiesen.

Auf der anderen Seite komme ich erst in den Ort St-Etienne-de-Baïgorry an einem Flüßchen. Geschäfte gibt es auch und etwas Leben auf der Straße. Hier könnte ich eigentlich bleiben, ist aber noch etwas früh. Kurz darauf bin ich in St-Jean. Sehr touristisch aufgehübscht. Eine Spazierlok fährt Rentner durch die Gassen. Viele interessante Geschäfte, die mich nicht interessieren, außer der Eisdiele. Caramel au beurre salé, mmmh lecker. Radler und Wanderer gibt es auch einige, wahrscheinlich alle "mal weg". Zum Glück bin ich in der Gegenrichtung unterwegs. Hier hält mich nichts.
Die Zeit reicht noch für den nächsten Pass, den Col d'Iraty, 1.327 m hoch, von rund 200 m. Eigentlich will ich aber nicht mehr. Aber erst sind mir die Orte noch zu rummelig. Dann ist nichts mehr los. Das Hotel in Mendize hat dienstags geschlossen. Dann kommt nichts mehr. Der Col wird angekündigt, die ersten Kilometer 10 bis 11 % im Schnitt.

Schnell hab ich das Gefühl, auf 2.000 m zu sein, denn die Gegend ist kahl und karg. Ich bin aber erst auf 500. Einige Gipfel verschwinden in den Wolken. Dann kommt plötzlich wieder Wald. Echt schöner Buchenwald mit Heidelbeeren unten drin. Tapfer radel ich aufwärts. Ein Zwischenpass, 1.135 m, Name unmerkbar (Col de Burdincurucheta, baskisch: Burdinkurutxetako Lepoa).

Erfrischende Abfahrt, auf die letzten 300 Höhenmeter hab ich keinen Bock mehr. Die Passhöhe ist ätzend, Schigegend. Heißt auch Col de Bagargi (oder Bagagietako Lepoa).

Auf der Abfahrt fahr ich erst durch Wolken. Dann tut sich das schöne, grüne, steile Tal auf. Ich hab Spaß auf dem schmalen Sträßchen. Ein Auto begegnet mir.
In Larrau frag ich nach einem Zimmer und bekomme eine private Bauernstube mit hyperdesigntem Bad und WLAN (42 € + 6 € Frühstück). Im nahen Hotel speise ich fürstlich, Schweinezunge und Perlhuhn, zur Information.
 
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Ich lese es immer wieder gerne:)

Was ist denn jetzt die grobe weitere Routenführung? Durch die Franzöischen Pyrenäen wieder zurück zum Mittelmeer? Und dann Richtung Deutschland?

Bin gespannt:daumen:
 
Genau, alle Pässe abklappern, eher entspannt, wenn ich da sio sagen darf. Dann an Carcasonne vorbei zurück nach Hause.

Torsten: Das muss er sein, der 'petit train Artouste'. Prospekt liegt in meinem heutigen Hotelzimmer aus. Führt auf 2.000 m.

Mittwoch, 11. Juni 2014: Larrau - Arette (50 km, 1.300 hm; sonnig, später bewölkt, seh warm)
Heute ist easy going angesagt. Ich schlafe aus, frühstücke auf der Sonnenterrasse, packe meine Sachen und mach erst noch einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Dann fahr ich doch los, halte aber nach 3 km schon wieder an und mach eine kleine Wanderung in die Gorge d'Holzarte. Nach einer 3/4-Stunde kommt man zu einer berühmten, alten Hängebrücke über die tiefe Schlucht.

Es ist schon eins, als ich weiterradle, rauf zum Col de Soudet, 1.540 m. Unten kündigt ein Schild an: 21,7 km, 5,6 % Steigung. Hört sich machbar an. Erst geht es noch sehr flach aufwärts. Klar, umso steiler wird es dann oben. Bis zu zwei weiteren beliebten Schluchten gibt es noch etwas Verkehr, danach fast nichts mehr. Einige Kilometer beträgt die Steigung im Schnitt 10 %, mein Tacho zeigt auch mal 15 %. Die Landschaft ist schön und einsam. Um die Gipfel tummeln sich ein paar Wolken.

Die Passhöhe ist mal wieder ätzend. Ne Kreuzung, die Straße nach Spanien biegt ab, Hochspannungsmasten, in der Ferne ein Schilift, erodierende Weiden. Ich versuche, aus der Not eine Tugend zu machen und kreiere den Wettbewerb "mein hässlichstes Passfoto".
Die Abfahrt ist gut ausgebaut und läuft sehr gut. Um vier bin ich in Arette, das reicht für heute. Der Ort ist übersichtlich, nichts besonderes, aber auch nicht hässlich. Später erfahre ich, dass der Ort 1967 vom letzten schweren Erdbeben in Frankreich komplett zerstört wurde. Dafür haben sie in ganz schön, auch nicht zu schön wieder aufgebaut. Es gibt Menschen auf den Straßen. Plus: einen Fahrradladen mit Lookfahnen an der Straße. Der Laden hat neues und edles Material. MTB mit Elektromotor von Haibike, normale MTB, Zeitfahrräder und edle Rahmen von Look und Time. Auch schicke Laufräder. Alles ziemlich durcheinander und lieblos. Sieht fast so aus, als wäre das ganze Material einfach hingekippt worden. Die Werkstatt mitten im Laden, das Werkzeug auf dem Boden drumrum verstreut. Im Fenster hängt ein 695er Look-Rahmen, blankes Carbon, in Gabel und Hinterbau integrierte Bremsen, noch ein komisches Loch an der Kettenstrebe, BB65-Lager - das muss der gewaltige Durchmesser der Lagerschalen sein. Mit dem Rahmen wäre ich bestimmt ein paar Sekündchen schneller auf dem Gipfel und wieder unten. Aber irgendwie ist mir für meine Tour ein Alurad doch lieber als so ein schweineteures Angeberteil.

Das einzige Hotel im Ort ist dem Braunbär gewidmet, auch in der Plüschvarante. Etwas Juhe-Charme, verspielt, locker, freundlich. Schöner Garten hinterm Haus. 66 € Halbpension.
 
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Donnerstag, 12. Juni 2014: Arette - Eaux Bonnes (50 km, 1.200 hm; sonnig und sehr warm)
Bei schönstem Wetter zieh ich los durch die gnadenlos grüne Landschaft. Über ne bessere Bodenwelle komme ich ins Vallée d'Aspe, dort auf der Hauptstraße, die von Zaragossa kommt, 2 km talwärts bis Asasp, auf die andere Talseite und auf putzigem Nebensträßchen wieder bergwärts bis Escot. Hier beginnt der Aufstieg zum Col de Marie Blanche. Eine große Tafel informiert, dass es von 380 auf 1.037 m geht, 8 km lang, bis zu 13 % steil.

Im unteren Teil ist das Tal romantisch schmal, idyllisch, mit plätscherndem Bächlein. Weiter oben gibt es nur ab und zu Ausblicke auf felsige Rücken. Am Wegesrand blühen unzählige Orchideen, auch gelber Mohn und das fleischfressende Fettkraut (die Antwort der Pflanzenwelt auf Vegetarismus und Veganismus?).

Die Passhöhe ist mal nicht verschandelt. Ein Gedenkstein erinnert an den gemeinsamen Widerstand der Spanier und französischen Maquisards gegen die Nazis. Von Colaboration ist nichts zu lesen. Wäre für so ne kleine Gedenktafel auch etwas zuviel.

Die Abfahrt führt erst über ein Hochplateau mit weidenden Kühen, Pferden, Eseln und Gemischtem. Dann geht es steil und schnell ins Tal, zu schnell, denn ich verpass den Abzweig auf mein Nebensträßchen und muss wieder ein Stück hoch. Über Bielle und andere ruhige Orte fahr ich bis Eaux Bonnes. Es ist erst halb zwei, aber der Aubisque kann bis morgen warten. Wie der Ortsname vermuten lässt, handelt es sich um einen Kurort. Rheumatische Erkrankungen sind die Spezialität. Kann ich leider nicht damit dienen. Ein beeindruckendes altes Casino thront über dem Ort. Das Casino ist allerdings seit ein paar Jahren geschlossen und auch der Ort liegt im Sterben. Drei Viertel der mondänen Bauten, viele Hotels steht leer und ist dem Verfall preisgegeben oder schon unterlegen.

Auch das moderne Spa-Gebäude lädt nicht ein, ist durch eine Baustelle kaum erreichbar, die Glasfront schon lange nicht mehr geputzt. Scheint aber noch in Betrieb. Welche Tristesse, aber auch welcher Charme. Die Kirche ist aus hellgrauen, an schlichten Beton erinnernden Steinen gemauert und sticht aus dem Ortsbild hervor. Wie auch der Mammutbaum auf dem repräsentativen Platz. Der Niedergang lässt sich nicht mehr verbergen. Das, so finde ich, hat Vorteile gegenüber den rausgeputzten Ortschaften des Baskenlandes. Denn man fragt sich, was soll hier mal werden? Ergreift der Ursus pirenaicus, also der Braunbär, hier wieder Besitz von seinem ehemaligen Lebensraum?
 
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Freitag, 13. Juni 2014: Eaux Bonnes - Sainte Marie de Campan (95 km, 2.900 hm; Sonne und Wolken im Wechsel, warm)
Die Morgensonne modeliert hübsch die Berghänge. Bäche plätschern munter über bemooste Felsen. Über den bewaldeten Bergen zeigen sich schroffe Grate. Darüber türmen sich die ersten Wolken. Während der Fahrt könnte ich einen Strauß Margeriten pflücken. Naja, es wäre eher ne wilde Rupferei. So radel ich gen Col d'Aubisque (1.709 m), der erste namhafte Pass. Und ich bin bereit, heute auch den Tourmalet (2.115 m) zu erklimmen. Die Motivation stimmt und ich sitz auch schon um 9 auf dem Rad. Wird wohl die Königsetappe meiner Tour, zumindest was die Höhenmeter angeht.

Je näher ich dem Aubisque komme, um so mehr ziehen die Wolken dicht. Ich passiere schreckliche Skistationen. Zum nächsten Pass, dem Col du Soulor (1.475 m) geht es nicht weit runter und dann entlang eines steilen Kessels.

Plötzlich scheint die Sonne wieder. Kurz nach Aucun biege ich auf ein schnuckeliges Nebensträßchen ab und umfahre so Argelès-Gazost. In dem hübschen Örtchen Arcizans-Avant esse ich in einem netten Bistro, geführt von zwei jungen Männern mit struppigen Haaren, Koteletten und Kinnbärten.
Richtung Luz-Saint-Saveur wird der Himmel wieder sehr dunkel und ein paar Tropfen fangen an zu fallen. Ich lass mich davon jedoch nicht irritieren. Schon eher von den widersprüchlichen Informationen, dass der Tourmalet gesperrt sei. So berichteten zwei Katalanen auf dem Aubisque, die ihn deswegen umfahren wollten. Ich hatte danach noch Franzosen gefragt, die meinten, die Straße wäre schlecht, aber man käme hoch.
Im unteren Teil des Anstiegs wird klar, was hier los ist. Der Fluss hat tierisch gewütet, ein riesiges Bett geschaffen, einige Uferhänge und auch Häuser weggerissen. Jetzt wird alles neu gemacht, auch die Straße. Teile sind noch im Bau, die Asphaltdecke fehlt, bis zur Passhöhe, Teile sind schon fertig, nur die Markierung fehlt. An einer Stelle ist die Straße so breit wie für vier Fahrspuren. So folgt einer Katastrophe die nächste. Aber es bleibt trocken und ab und zu kommt sogar die Sonne durch.

Richtig schön finde ich die Gegend nicht, hat er ja auch nicht nötig, der in meinen Augen wichtigste Pass überhaupt, seit ich vor 33 Jahren, mein Abi frisch in der Tasche, zum ersten und bis dato auch einzigen Mal hier hochgeradelt bin, im Tal in den Wolken, auf dem Pass dann in der Sonne, ohne einen blassen Schimmer, wo ich war.

Die Ostabfahrt finde ich schöner, abgesehen vom obergruseligen Skiort La Mongie. Rasend schnell bin ich in Ste-Marie de Campan und steig im Hotel de deux Cols ab (45 €).
 
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Samstag, 14. Juni 2014: Ste-Marie de Campan - Les (Espagna) (95 km, 2.600 hm; bedeckt, aber immer wieder etwas Sonne, frischer Wind)
Ich sitze abends in Les am hässlich verbauten Ufer der Garonne, die hier Garona heisst, denn ich bin wieder auf einen kleinen Abstecher in Spanien gelandet. Morgens ging es los, gemütlich ansteigend, Richtung Col d'Aspin. Viele Radler sind unterwegs, die meisten grüßen freundlich.

Nach ein paar Kilometern bieg ich ab zur Hourquette d'Ancizan (1.534 m). Was für ein zauberhaftes Tal! Über grüne Wiesen plätschern Bäche, am Horizont umwölkte Berggipfel. Dazwischen ursprünglicher Wald, erst gigantisch Fichten, weiter oben Buchen. Außer dem Plätschern ist nichts zu hören. Außer den laut quasselnden beiden Franzosen, die mich einfach nicht überholen wollen, obwohl ich sehr anďächtig gen Himmel radle. Apropos: große Schilder warnen vor der 'zone pastorale' und den 'animaux en liberté'. Vermischt sich hier die französische Revolution mit christlichem Glauben?


Irgendwann öffnet sich der Wald zu einem großen Weidekessel mit Bergerie und Kuhherde. Hier zeigt mein Garmin 800 m Streckenabweichung. Gibt aber nur die eine Straße.
Ein Stück weiter fahr ich ein Stück von der Straße weg über eine Weide, um ein Foto zu knipsen. Die hier rumstehenden Esel adoptieren mich sofort in ihre Herde. Einer stupst meinen Sattel an. Hej, ob Draht oder Fleisch, wir sind doch alle Geschwister!


Die Passhöhe ist okay, aber vergleichsweise langweilig. Auf der anderen Seite geht es auf sehr schmaler Straße aufregend steil runter in ein weites Trogtal. Erinnert mich etwas an den Mendelpass bei Bozen.
Ancizan gefällt mir gut und ich würde auch gerne mal wieder was essen. Am liebsten wäre mir ne Boulangerie und ein Café daneben. Ich finde aber nur nen Supermarché. Also rein da, zwei Crottin erstanden und zwei Bananen. Mehr lacht mich nicht an. Dafür zwei ältere Franzosen, die sich sehr für mein Rad interessieren. Wir quatschen etwas rum, witzig und nett. Dann ziehen sie weiter. Ich denke, halt, stopp, die wissen doch bestimmt, wo es hier leckeres Gebäck gibt. Ich also hinterher und gefragt. Ihre beiden Frauen schalten sich ein. Ich versteh wie immer maximal le demi. Einen Kilometer in der Richtung, in die ich eigentlich nicht will, gibt es grandiose Croissants. Die Französin fasst mich am Arm. Ich finde es toll, dass so schnell schöne Kontakte entstehen und die Menschen so offenherzig zeigen, dass sie seinen mögen. Dass ich alleine unterwegs bin, findet sie mutig.
Die Boulangerie in Guchen finde ich schnell, ich bekomme alles was ich brauche von einer sehr sehr netten Bedienung, hach. Aber ich kann ja nicht ... und muss ja auch mal weiter. Im Windschatten einer kleinen Kapelle mach ich Pause und ess die Leckereien auf. Auf kleinen Sträßchen geht es weiter. Ich bin erst etwas orientierungslos, denn mein GPS führt mich nicht nach Arrau, sondern auf völlig einsamem Sträßchen nach Goaux, sehr zauberhaft.

Über einen Bergrücken rüber lande ich auf der Straße zum Col de Peyresourde (1.579 m). Das Tal ist breit, aber ganz hübsch, die Straße gut ausgebaut, aber nix drauf los. Die Passhöhe bietet Skurilitäten. Es gibt Crêpe für 50 Cent, zwölf Stück für 5 €. Den Passstein, den ich fotografieren will versperrt ein Schnösel im Profi-Outfit, versunken in sein Smartphone. Mühsam bewegt er sich einen Meter zur Seite. Okay, du hast es so gewollt, ich fotografier dich mit.

Alles an ihm stimmt, Trikot, Trekrad, Bontrager-Hochprofillaufräder. Jung genug ist er auch noch. Nur die Zähne hat er von Ribery. Kennt den wer? Ich bitte ihn lieber nicht um ein Autogramm, sondern um ein Foto von mir. Macht er gerne.
Ich brause runter nach Bagnerre de Luchon. Sehr mondän, alte Prachtstraße. Nicht übel, ich will aber doch weiter. Durch ein enges, steiles Tal in dichtem Wald geht es rauf zum Col de Portillon. Auf der Abfahrt passiert es dann. Ich knall in ein Schlagloch. Hinterreifen platt. Flugs den Schlauch gewechselt, zum Trost scheint die Sonne. Rein nach Les, Hotel Juan Canejan (30 €). Leider kein nettes Fest im Ort, nur ne Familienfeier und Fußball in den Kneipen.
 
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