AW: Macht Radfahren aggressiv?
Hallo
Einige posts dieses Threads verdeutlichen leider einmal mehr worum es dem Deutschen im Strassenverkehr geht:
Recht haben !
Genau. Es fehlt an Pragmatismus, Gelassenheit und bei vielen Verkehrsteilnehmern scheinbar zudem auch noch an Hirn. Anstelle dass versucht wird, zu deseskalieren, mögliche Fehler evtl. sogar bei sich zu suchen und eine Kompromisslösung zu finden, mit der alle leben können, wird sofort mit "ich habe Recht" argumentiert und der mahnende Zeigefinder bemüht.
Domatismus anstelle von Pragmantismus. Gegeneinander anstelle miteinander.
Ich bin die letzten Jahre in der Schweiz und in Italien jeweils zwischen 4000 und 8000 km/Jahr gefahren:
Ich werde nicht beschimpft,
ich werde nicht angespuckt,
ich werde nicht ausgebremst,
ich werde nicht abgedrängt
man zeigt mir nicht den Vogel/Stinkefinger etc.
ich werde nicht von der Strasse geschubst
ich werde nicht bedroht,
ich werde nicht vom Rad gezerrt,
ich werde nicht geschlagen
etc.
Ab und zu hupt einer, aber das ist meist der Fall, wenn ich in der Gruppe unterwegs bin und wieder zu zweit oder sogar zu dritt nebeneinander gerollt wird (was mich dann jeweils selbst ärgert).
Hier gibt es in Wirklichkeit keine Unterschiede zwischen einigen Autofahrern und einigen Radfahrern. (...)
Man ist ja im Recht und fühlt sich berechtigt, andere zu belehren und zu erziehen. Besser wäre es im Sinn des Ganzen, einmal auf sein "Recht" und ggf. auf seine Vorfahrt zu verzichten...
Stattdessen sollten alle vielleicht einmal auch die jeweils anderen Verkehrsteilnehmer als Partner (...)
Genau. Der Strassenverkehr ist ein "System" und miteinander ist einfacher als gegeneinander. Nicht nur stressfreier, sondern auch ungefährlicher.
Ein entscheidender Punkt fehlt mir bei der ganzen Diskussion: Es wird der anderen Partei pauschal Absicht/Dummheit/Aggressivität unterstellt. Das mag bei einigen tatsächlich der Fall sein, ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass viele schlicht überfordert und/oder gestresst sind.
Die Strasse ist eng, vorne rollt ein Radfahrer mit 25 km/h, hinten staut es sich. Das ist eine Stresssituation. Nach ein oder zwei Minuten wird dann halt doch einfach irgendwie überholt und das ist dann meist keine optimale Stelle. Dass sich einige Radfahrer fast ins Hemd machen weil ein Auto mit weniger als 1 Meter Abstand vorbeifährt, wissen die meisten Autofahrer nicht. (Anm.: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass deutsche Autofahrer im Ausland bei Überholmanövern mehr Abstand halten als z.B. italienische, daran kann es also nicht liegen)
Ich habe mit Zeichengebung sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich fahre regelmässig in Italien auf engen, kurvigen, unübersichtlichen und stark befahrenen Strassen. Da ich ja 5 oder 10 Meter vor dem ersten Auto fahre, sehe ich bereits in die nächste Kurve ("Geländekammer") hinein und kann - da ich Rad und Auto fahre - abschätzen ob der Autofahrer überholen kann oder nicht. Kann er z.B. wegen Gegenverkehr oder unübersichtlicher Strecke nicht überholen, zeige ich ihm das an, indem ich weiter in der Strasse fahre. Kann er überholen, fahre ich rechts rüber, zeige durch Blick nach hinten dass ich ihn sehe und winke ihn vorbei. Das funktioniert sehr gut und hat sich sehr bewährt. Das funktioniert auch bei unsicheren Autofahrern die ewig hinterhergondeln und sich nicht getrauen zu überholen.
Man sollte versuchen, den Verkehr als dynamisches System zu sehen und über die eigene Blechkiste und ein statisches Regelwerk hinaus zu sehen. Aktiv mitmachen anstelle von passiv irgendwie in der Mitte der Strasse mit 25 km/h herumzugondeln und sich dann zu wundern, dass es zu unschönen Situationen kommt