AW: Joe Friel - Trainingsbibel
Hatte mal vor ein Paar Wochen den Friel durchgelesen. Prinzipieller Eindruck: etwas länglich und predigend, aber abgesehen von ein Paar Details eigentlich eine durchaus brauchbare Anleitung zum Selberplanen.
Folgende aus meiner Sicht kleinere oder gröbere Schnitzer möchte ich mal zur Diskussion stellen:
1. Anforderungen
- Die Differenzierung zwischen Ausdauer einerseits, Schnelligkeit und Kraft andererseits ergibt bei Friel ein Anforderungsdreieck. Daran soll man nun seine Trainings- und Optimierungsstrategie ausrichten. Ich sehe im Radsport nur ein Zweieck zwischen den Extremen Explosivität und Dauerleistung. Darin enthalten sehe ich alle relevanten Anforderungen, also Sprints, Hügel-Durchdrück-Aktionen und längerfristige Leistung an Pässen oder in Zeitfahren. Hat man die richtigen Gänge dabei, dann fallen für mich die Friel´schen Kategorien "Kraft" und "Schnelligkeit" zusammen.
2. Belastungssteuerung - Ruhezeiten
- In der allgemeinen Schreibe wird viel, fast schon zu viel, vor Übertraining, burn-out, ... gewarnt und die Notwendigkeit hinreichender Erholungsphasen mehrfach betont. Sehr richtig und gut gesetzte Worte. Die Workout-Empfehlungen, die dann aber kommen, sind so zeitintensiv und hart, dass ich mich in relativ kurzer Zeit in Grund und Boden fahren würde, würde ich auch nur eine mittelharte Variante dieser Wochenpläne bei mir zur Anwendung bringen. Diese beiden Pole bekomme ich nicht überein.
3. Nomenklatur-Wirrwarr in Bereichseinteilungen / Workouts
- Radsporttraining: im Anhang finde ich Übungsbezeichnungen, die meist aus einem bestimmten Profil, einem Triffrequenzbereich und einem Belastungintensitätsbereich zusammengesetzt sind. Letzten Endes trainiert man aber ein Zeitintervall x mit der Wiederholungszahl y in einer Intensitätsbereichsspanne von a bis b. Lässt man Kraft und Schnelligkeit zusammenfallen, dann kann man auch auf die zusätzliche Workout-Nomenklatur verzichten und schlichtweg die Intensitätsbereiche nennen. M.E. konstruiert Friel hier Szenarien, die wohl fast jeder für sich bereits kennt und bei denen eigene Stärke oder Schwächen herausgearbeitet werden. Dass es sich hierbei um Szenarien handelt, wird aber nicht ausgesprochen, sondern sie werden zur jeweils eigenständigen Trainingsnotwendigkeit hochstilisiert.
- Friel versucht, an mehreren Stellen seine eigene Nomenklatur gegen die üblichen Begriffe "durchzuboxen". Man ist dadurch immer unnötig mit Übersetzungsarbeit beschäftigt ("meint er jetzt noch GA2 oder soll es jetzt schon EB/SB sein?"). Das gilt für die Intensitätsbereiche auf dem Rad ebenso wie für die Bereichseinteilungen im Krafraum.
- Zum Gerätetraining selbst: Intensitätsbereiche und Wiederholungszahlen sind beim Kraftraumtraining lange bekannt. Intentions-andeutende Begriffe wie "anatomische Anpassung" etc. zu erfinden, erzeugt erneut unnötige Übersetzungsarbeit. Würde Friel die allgemein übliche Namensgebung von Bereichen und Workouts nutzen, so wäre die Einbindbarkeit in weitere Literatur oder z.B. von Trainingsempfehlungen, die sich aus einer LD ableiten, wesentlich vereinfacht.
4. Ernährungsempfehlungen (insgesamt keine Stärke im Buch)
- Paläo-Ernährungsbetrachtungen IMO etwas sinnentleert, zumal später Supplement-Empfehlungen kommen, die unseren Urahnen sicherlich nicht zur Verfügung standen
- Nahrungsbestandteile in Säure- bzw. Basen-Donoren einzuteilen ist wohl mehr Glaube als Kenntnisstand.
- Ein Paar Gags noch: Milchprodukte sind schlecht für Knochenstoffwechsel, da Ca2+ entzogen würde ... soso?
Yoghurt sei pflanzliches Protein ... aha! :crying:
Ansonsten fand ich allenfalls noch die "Hingabe" überzogen. Dass die gesamte Umgebung mit Familie und Freunden die Radsportkarriere aktiv mitzutragen habe, während der Sportler sich seinerseits nur noch eingeschränkt um Familie und Freunde zu scheren habe, war für mich ein schräges Wertgefüge und damit auch ein wenig zu viel des Guten.