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Erfahrung mit Scheibenbremse am Rennrad

Ich versteh's nicht. So ein Rennrad ist ein Minimalismus, getrimmt darauf den fuer den Fahrer besten Kompromiss aus Gewicht und Funktion zu bieten. Bei so einem Geraet eine in jedem vorstellbaren Fall idiotensichere Bremse zu verlangen finde ich einfach skurril und am Thema vorbei.

Die fuer den Worstcase (mit viel Gewicht bei naesser Strasse hinter langsamen Autos dauerbremsend den kilometerlangen, steilen Pass runterruckeln) ideale Bremse gibt's schon lange und ist jahrzehntelang von Reiseradler und Tandemfahrern erprobt. Dafuer nimmt man z.B. eine fette Arai-Trommelbremse im Hinterrad - die ist drauf ausgelegt dauernd gezogen werden um eine Geschwindigkeitszunahme zu vermeiden (effektiv runterbremsen kann man damit nicht). So ein Monster nimmt man aber nur, wenn es sich nicht vermeiden laesst.

Eine Loesung fuer dieses (fuer Reisetandems keinesfalls exotische) Problem ist aber weder die Scheibenbremse noch die Felgenbremse. Bei diesen beiden Systemem kommt man einfach nicht drumherum sich in Extremsituationen ueber geschickten Bremseinsatz Gedanken zu machen, moeglicherweise sogar langsamer oder schonender zu fahren, als es theorhetisch moeglich waere. Das gehoert zum Fahren einfach dazu. Ich meine, ihr akzeptiert doch auch bei Kurvengeschwindigkeiten, dass es physikalische Grenzen gibt und geht damit um.

Wer immer und ueberall so schnell fahren will wie er nur treten kann geht auf die Bahn - und braucht gar keine Bremse ;-)
 
Ich übersehe mal Walzi's Beleidigungen großzügig, möchte aber nochmal auf seinen Vergleichsansatz:

Waltzing-Matilda schrieb:
In seinem Buch „Das Kleingedruckte beim Radfahren“ gibt der Autor Peter Appeltauer eindrucksvolle Beispiele und Werte von Felgen- und Scheibenbremsen.
Beispielhaft auch die Berechnung der erreichbaren Temperaturen bei einer Abfahrt vom Monte Zoncolan mit Gefälle von 15%: eine 380gr-Felge würde ca. 125°C erreichen, was nicht mehr im Wohlfühlbereich liegt.
Eine Scheibenbremse mit 203mm Durchmesser würde allerdings 445°C erreichen, was keine handelsübliche Bremsscheibe überleben würde!]In seinem Buch „Das Kleingedruckte beim Radfahren“ gibt der Autor Peter Appeltauer eindrucksvolle Beispiele und Werte von Felgen- und Scheibenbremsen.
Beispielhaft auch die Berechnung der erreichbaren Temperaturen bei einer Abfahrt vom Monte Zoncolan mit Gefälle von 15%: eine 380gr-Felge würde ca. 125°C erreichen, was nicht mehr im Wohlfühlbereich liegt.
Eine Scheibenbremse mit 203mm Durchmesser würde allerdings 445°C erreichen, was keine handelsübliche Bremsscheibe überleben würde!
mit technischen Argumenten eingehen.

Es könnte sein, daß das Zitat aus dem Buch aus dem Kontext gelöst wurde - also Bescheid sagen. Ich habe es so verstanden:
Wenn wir annehmen, daß bei der 15%-Abfahrt die Bremskraft der Felgenbremse reicht, um sicher und unter allen Bedingungen zum Stehen zu kommen und dabei 125°C erreicht werden, würde das bedeuten, daß mit einer leistungsfähigeren Scheibenbremse (größere Reibflächen, größerer Reibwert, bessere Kühlung usw.) die Bremse im Verhältnis zu ihrer Auslegung weniger belasted wird, um das selbe Ergebnis zu erziehlen. Die 445°C Zerstörungstemperatur würde demnach nicht mal ansatzweise bei vergleichbaren Bedingungen erreicht ("sicher und unter allen Bedingungen zum Stehen zu kommen"). Und um den Vergleich zu erweitern, möchte ich behaupten, daß der Vorgänger der Felgenbremse, konstruktionsbedingt viel näher an der Totalzerstörung gearbeitet hat um das Fahrrad zum Stillstand zu bringen. Wer errinnert sich noch an die davonfliegenden Gummiflocken von Reifen und Vorderradmantel bei exzessiver Benutzung der Stempelbremse?

Belo: danke für Link und Bild! Das beschriebene Bike ist in meinen Augen der richtige Ansatz. Schön, daß der Markt hier in Bewegung kommt, wobei 4000 / 6000 $ schon mal eine Ansage sind. Aber hübsch ist das Teil. Im verlinkten Interview stehen übrigens alle Argumente pro Scheibenbremse drin
Disc brakes offer consistent braking under all conditions, better safety and control, better stopping power, less hand fatigue, no black gunk all over the frame, less maintenance, they’re more economical, easy to adjust, won’t damage your expensive carbon rims, will brake even with broken wheels, you can run wider tires and/or fenders without worrying about caliper clearance and it makes changing a flat easier.

SprintLooser: mit der Altersweisheit kommt bei mir leider die Antipathie gegenüber Ignoranz noch nicht ganz mit. Wird vielleicht noch.

Mir gehts nicht darum, daß man jeden Trend gleich mitmachen muß (gab ja genügend "Aussetzer" bei den technischen Entwicklungen), sondern, daß sich hier Leute tummeln, die allen Ernstes die überwiegenden Vorteile der Scheibenbremsen abstreiten und dazu meinen, daß es noch niemand fertig gebracht hat, stabile Rahmen / Aufhängungen zu bauen. ("Die Hühner werden keine Eier mehr legen, wenn erst der Zug von Fürth nach....") Ach, was reg ich mich eigentlich auf? :)

Danke an Alle, die hier weiterhin mit ordentlichen Argumenten das Thema am Laufen halten...
Rollerer

Edith möchte hinzufügen:
einbeiner: Kompromiss ist gut, bei Bremsen geht die Sicherheit vor. Viele zweite Versuche bei schlechten Bremsen gibts meisten nicht. Und bei Bergabfahren an die Bremsen zu denken, macht nicht gerade locker und der Spaß und Genuß der Abfahrt bleibt auf der Strecke...
 
einbeiner: Kompromiss ist gut, bei Bremsen geht die Sicherheit vor. Viele zweite Versuche bei schlechten Bremsen gibts meisten nicht. Und bei Bergabfahren an die Bremsen zu denken, macht nicht gerade locker und der Spaß und Genuß der Abfahrt bleibt auf der Strecke...
Ohne solche Kompromisse wirst Du wohl um einen (nicht bildlich sondern wörtlichen) Wurfanker nicht drum rumkommen. Real existierende Scheibenbremsen sind genausolche Kompromisse, wie es entsprechende Felgenbremsen sind. Eigentlich darfst Du sonst die Stützräder gar nicht abschrauben.
In jedem Fall müsstest Du mal mindestens eine 4Kolben Bremse mit wenigstens 203er Rotor (um mal beim handelsüblichen zu bleiben, wer erinnert sich an die Grimeca System 12? ;)) benutzen, oder, noch besser, das von Smolik vorgeschlagene vorn beidseitig bremsende System auf 2 getrennte Kreise erweitern. Daß der Rahmen und die Gabel entsprechend stark ausgelegt werden müssen....
Ach ja, und bitte nur mit Schwalbe unplattbar fahren, nicht daß Dir ein Flaschenboden den Genuss der Bremsanlage zerschiesst.
 
Jetzt übertreibst Du aber! ;)
Ich möchte nur bergab kontrolliert zum Stehen kommen und nicht die Drehbewegung der Erde aufhalten... Und das tut ein 160er Antipasto-Teller schon leicht.
 
Und das tut ein 160er Antipasto-Teller schon leicht.
Da kann ich dann aber einbeiner nur zustimmen.
Bei so einem Geraet eine in jedem vorstellbaren Fall idiotensichere Bremse zu verlangen finde ich einfach skurril und am Thema vorbei.
Mit einem solchen System (also dem, was aktuell so als Rennradscheibe verkauft wird) dann lange steile Abfahten mit allem was drin ist herunterzubügeln, aber an jeder Serpentine erstmal auf Kurvengeschwindigkeit runter, geht eben auch in den Grenzbereich dessen, was das Sytem abkann. Ohne Hirn und Händchen auch in die Hose.
Egal, darum gings nicht, so wie Du es oben verwendets ist "bei Bremsen geht Sicherheit vor" ein Totschlagargument, das Rennradfahren per se verbietet. Sich mit 80 Sachen auf 'ner Handvoll Blech, Draht und Plastik Alpenpässe runterzustürzen, mit nix relevantem als ner Hartschaumkappe ist sowieso verrückt :D

EditH will wissen, ob wirs überlesen haben, oder ob uns Pannoniaradler noch die relevanten Details seines selbstlosen Selbstversuchs schuldet? Was für Scheiben / Sättel waren denn am MTB dran? Die Träger des geplatzten Gummis waren "Mavics"? Sowas wie 'ne Open Pro, oder eher R-SYS?
 
Irgendwie kommts mir vor, als würdest du alle Posts ziemlich gegen den Strich lesen, um sie dann widerlegen zu können.

Auf die Gefahr hin, dass auch mir das gleich passiert, versuch ich nochmal etwas aufzuräumen:

- Stabile Rahmen für Scheibenbremsen gibts ausreichend am Markt. Einen davon hab ich, behaupte ich hier mal. Der wurde immerhin im Rekordtempo um die Welt bewegt. Kann sooo untauglich nicht sein. Die sind dann etwas schwerer als die für Felgenbremsen. In meinem Fall geht es um etwa ein Pfund Stahl. Ist aber auch kein reinrassiges Rennrad. Kann man aber einen ganzen Tag lang sportlich mit unterwegs sein.
- Die "überwiegenden Vorteile der Scheibenbremsen" werden hier eigentlich kaum abgestritten, sondern deine entsprechende Bewertung (nämlich dass sie überwiegen) wird angezweifelt. Für diese Zweifel gibt es Gründe. Die stehen (fast?) alle hier drin. Wenn sie dich nicht interessieren,... ?
- Viele Argumente für Scheibenbremsen werden hier durchaus auch geteilt. Immerhin fahre ich unter anderem mit den Dingern rum.
- Den Appeltauer hast du m.E. komplett in deinem Sinne missverstanden. Die Aussage geht nach meinem Verständnis eher dahin: Beide Bremssysteme kannst du auf der Abfahrt vom Zoncolan zum Versagen bringen. Mit der Stempelbremse hat das nix zu tun. Welches System eher die Grätsche macht, ist für mich derzeit nicht ausgemacht und hängt von mehr und komplexeren Faktoren ab, als ich in Zahlen fassen könnte. Das Alleserrechnenwollen von Appeltauer ist mir auch suspekt, mit praxisnahen Testreihen, wie sie z.B. Jan Heine regelmäßig veranstaltet, kann ich mehr anfangen. Wenn man nicht die Ergebnisse der Berechnungen direkt an der Realität misst und die Ergebnisse rigorosen statistischen Analysen unterzieht, erwischt einen schnell ein sich nichtlinear verhaltender Parameter, der die ganze Berechnung aus dem Bereich der Praxisrelevanz katapultiert.
- Was mich hinsichtlich der Bremswirkung im direkten Vergleich von Felgen(-renn)bremse zur Scheibenbremse interessiert, ist die wesentlich geringere Handkraft bei der Scheibe. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie besser bremst. Mehrere Notbremsungen mit Felgenbremsen haben mir gezeigt, dass meine Handkräfte jedefalls ausreichen, um das Rad auf kürzest möglichem Weg zum Stillstand zu bringen. Dafür brauch ich die Scheibe nicht. An zwei verschiedene Systeme kann man sich gewöhnen.
- Zumindest ich muss nicht das theoretisch bestmögliche Bremssystem am Rad haben, sondern eines, das tut, was es im konkreten Fall soll. Am Rennrad sehe ich für Scheibenbremsen keinen konkreten Anlass. Ordentliche Beläge und Alufelgen reichen allemal, um mit Felgenbremsen sicher die Berge runterzukommen.
- Es ist ja auch nicht das große Problem, dass Kohorten von Radsportlern bei schlechtem Wetter in den Bergen verunglückten. Da halte ich andere Probleme für drängender.
- Und für den Fall, dass man wirklich die Optimale Bremse für die Abfahrt benötigt, hat einbeiner ja schon eine Lösung genannt.
- Und der Hinweis auf die entsprechende Fahrtechnik sei auch noch mal angefügt. Wer schwer ist und sich in der Abfahrt in "Profitechnik" ganz abduckt, muss sich nicht wundern, wenn sein Bremssystem überhitzt. Die beste vorhandene Bremskraft lässt er ungenutzt vorbeistreichen.

Insgesamt wirds wohl noch einige Erfahrungen brauchen. Mangels lokalem Gebirge werde vielleicht nicht ich die machen.

Gruß, svenski.
 
Die 445°C Zerstörungstemperatur würde demnach nicht mal ansatzweise bei vergleichbaren Bedingungen erreicht ("sicher und unter allen Bedingungen zum Stehen zu kommen").

Ich habe da auch sehr große Bedenken, weil:

445° ist ca 415° wärmer, als es draußen im Sommer ist. Die Bremsscheibe müsste sich also um 415° erwärmen.

In der "Werbung": http://www.mtb-news.de/forum/showpost.php?p=9717972&postcount=23
spricht der Verfasser von einer 120g Bremsscheibe vorne.

Edelstahl hat eine Wärmekapazität von etwa 0,5 kJ /(kg °C).

Das bedeutet, dass man 24,9 kJ in die Bremsscheibe stecken muss, um die auf 445°C zu erwärmen.

Wenn man einen Radfahrer hat, der inkl. RR 100 kG wiegt und 72km/h (=20 m/s) fährt, dann hat der eine Energie von 20 kJ [1/2 * 100kg * (20 m/s)²].

Bei 80,337 km/h wäre die Energie theoretisch groß genug, um die Bremsscheibe soweit zu erwärmen.

In der Praxis bremst man aber auch hinten, alles geschieht nicht innerhalb von 0,0s - es wird also Wärme abgegeben - der Bremsbelag, Sattel usw. wird ebenfalls warm.

Ich halte es für ausgeschlossen, dass eine Scheibe in der Praxis am RR so heiß wird.
 
Das passiert ja nicht einmalig, sondern immer wieder, bevor die Scheibe (oder: Felge) ausreichend runterkühlen konnte. und dann bist du ganz schnell oben. mit der Temperatur. Vor solchen Milchmädchenrechnungen würde ich mir erstmal anschauen, was der bereits zitierte Appeltauer dazu schreibt. Auch wenn ich ihm nicht unbesehen glaube: Der ist besser, als irgendeiner hier im Forum mal eben nach Feierabend auf die Serviette kritzeln kann.

Gruß, svenski.
 
Ich halte es für ausgeschlossen, ....
Das ist doch der Scheibe völlig egal :D
Mit Gewalt und entsprechender Komponenten "Optimierung" bekommt man die Scheibe offensichtlich heiß genug: http://www.bikerumor.com/2012/02/14/road-bike-disc-brakes-are-coming-but-will-they-work/
Jetzt nehme ich mal ungeprüft Deine Rechenwerte, und sage: ok, vorn/hinten 65/35, dafür dann die Ashimas mit 85g hebt sich fast auf.
Der Fahrer wog wohl keine 100kg, dafür hat er nicht nach jeder Serpentine angehalten und die Scheibe auskühlen lassen, sondern die zweite Kurve vielleicht schon mit 60 Grad Scheibentemperatur angebremst. Und die dritte... und die vierte....
Wie auch immer, der Kollege hat bewiesen, daß die Scheibenbremse nicht systemimanent idiotensicher ist, sondern, daß man mit ihr mit geeigneter Fehlkonfiguration und -Bedienung an die Wand fahren kann.
Wenns so einfach wäre, würde es ja auch keinen Spaß mehr machen.

Nun stürzen sich ja nicht alle Radler der Republik täglich den Zoncolan (der Hardknott würde auch reichen :D) runter, insofern wäre schon ein Markt für leichte 160/140er Kombis da. Andererseits werden ja rauhe Mengen von Laufrädern verkauft, die den Geschwindigkeitsbereich ihres besten aerodynamischen Potentials nie erleben dürfen.
Es bleibt also spannend :D
 
Dann mal ein paar Erfahrungen meinerseits:
  1. Mein erster und einziger Ötzi 1987: Keinerlei Probleme mit Drahtreifen und Felgenbremse. Die Kollegen mit Schlauchreifen durften dagegen auf den Abfahrten Zwangspausen zum Abkühlen der Felgen einlegen und das Vorderrad umdrehen, damit der Schlauchreifen auf dem weichen Kitt nicht wandert.
  2. Mit dem Mtb und XT-Scheibenbremsen bei trockenem Wetter am Stilfserjoch: 48 Kehren Achterbahn, kurz vor den Kehren kräftig gebremst - alles im grünen Bereich (ich wiege nur 90kg).
  3. Passabfahrt mit Scheibenbremsen im Regen: ebenfalls keine Probleme, allerdings wegen Rutschgefahr etwas langsamer. Merklicher Belagverschleiß, aber die Scheiben sind wie neu.
  4. Radtour bei Sauwetter mit dem Trecker und Felgenbremsen im Allgäu, teilweise Forststraßen, nur kleine Abfahrten (maximal Oberjoch): Nach 2 Tagen war eine neue Garnitur Bremsbeläge verschlissen, auch an den Felgen merklicher Abrieb. Bremswirkung mäßig.
  5. Crosser mit Canti oder Mini-V: Hoher Belagverschleiß, Nachstellen der Bremsen nach fast jeder Ausfahrt machen wenig Freude.
  6. Crosser mit Scheibenbremsen: Toll, endlich ein Fahrrad zum fahren und nicht zum schrauben.
  7. Tandem mit Magura HS-66 Felgenbremsen und Arai Trommelbremse: Auch bei schlechtem Wetter hält sich der Belag- und Felgenverschleiß in Grenzen, da die Arai die Dauerbremsung übernimmt. Die Abfahrt vom Kandel (fast 1000 hm) war damit kein Problem.
Mein Fazit: Felgenbremsen sind eine Schönwetterlösung, für Dauerbremsungen bei Nässe eher ungeeignet. Überhitzen können Felgen- und Scheibenbremsen. Ab und zu ein Fotohalt auf der Abfahrt löst das Problem auf elegante Weise.
 
Man müsste mal messen, wie schnell eine Scheibe abkühlt.

In den Kurven bremst man ja nie auf null und die kommen auch nicht sofort nacheinander.
 
Sodele, nachdem der Wutzettel geknüllt und in die Ecke geworfen wurde und nachdem ich eine Nacht drüber hab schlafen können, an dieser Stelle zuerst einmal eine Bitte um Verzeihung an Rollerer. Hab mich leider doch mehr angepisst gefühlt, als ich wahrhaben wollte.
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Ich hatte Appeltauer möglichst kurz zusammenzufassen versucht und auch im Vorfeld schon gesagt, dass ich neben Eifel und Ardennen als niederrheinischer „Flachlandtiroler“ keine endlosen Passabfahrten hinter mir habe. Eigene Erfahrungen habe ich somit nicht. Und als ausschließlicher Klassikerfahrer werde ich mit Scheibenbremsen auch nicht mehr so weit kommen.
„Peter Appeltauer, Jahrgang 1956, hat seit dem Studium der theoretischen Physik und des Automobilbaus beruflich die konstruktiven Grenzen des Leichtbaus in der Königsklasse des automobilen Motorsports ausgelotet“ (Zitat amazon), und ich möchte davon ausgehen, dass er sein Handwerk versteht.
Dahingehend fand ich Rollerer´s Satz“ Das ist die Aufgabe gut ausgebildeter Ingenieure. Und es ist bewiesen, daß sie ihren Job können.“ ebenso deplaziert wie die Aussage: „Fakt ist, daß eine Felgenbremse ein fauler Kompromiss ist, (…). Das Design der Technik hat wahrscheinlich das kaiserliche Patentamt noch abgesegnet.“
Ich denke auch, dass man MTB´s und Rennräder nicht wirklich vergleichen kann.
Ein Dankeschön auch an BW-72 für sein beherztes Eingreifen.
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Nun zurück zum Thema.
Generell sagen mir Erfahrungswerte mehr zu als Theorie, auch wenn Theorie endloses Herumexperimentieren erspart. Die Bedingungen, unter denen Scheibenbremsen gefahren und erfahren wurden, lassen sich aber allein durch kurze Aussagen nicht nachvollziehen und pauschalisieren. Ich möchte einmal davon ausgehen, dass Scheibenbremsen an RRn noch zu neu sind und somit noch keine Langzeiterfahrungen unter diversesten Bedingungen vorhanden sind.
Viel mehr noch geht es mir um die Aussage, daß die Wirtschaft vom Konsum lebt und nur überleben kann, wenn ständig Neues verkauft wird.
Wenn ich einem Eskimo keinen Kühlschrank verkaufen kann, kann ich´s ja mal mit transportablen Kühlboxen versuchen.
Soll heißen: der Rubel muß rollen; egal, ob das, was ich vermarkte, gut und sinnvoll ist.
Gegenwärtig sind es eben Scheibenbremsen und 29-Zöller.
Viele Trends sind kurzlebig und sterben wieder aus, manche allerdings setzen sich durch und verdrängen das, was wirklich sinnvoll ist. Wie z.B. 26“-Renner. Für kleine Fahrer waren sie die weit bessere Lösung als Sloping-Geometrie und ähnliche Scherze.
Mich würde es auch nicht wundern, wenn Scheibenbremsen an RR aus dem Umstand heraus geboren wurden, dass Carbonlaufräder auf langen Abfahrten mit starkem Gefälle zu unschönen Begleiterrscheinungen neigen können. Zudem sind die Kräfte, die auf die Gabelscheiden wirken, größer, als sich mancher vorstellen mag. Wer sich eingehender damit beschäftigen möchte, dem kann ich Appeltauer durchaus empfehlen. Auch wenn vieles Theorie ist, ermöglicht er doch so manch völlig neue Perspektive.
 
Alles gut! Das Thema ist zu interessant, als das man es durch Streiterei aus der Richtung schieben sollte....

In Ermangelung von genügend RR mit Scheibenbremsen ist ein Vergleich von anderen Rädern mit Scheibenbremsen durchaus relevant.

Die besten Aussagen aus der Praxis hier im Fred bisher kamen von Crocodillo.

Ich bin bis vor zwei Jahren Crossbike (mit geradem Lenker, heute Fitnessbike) in üblem Gelände und durch die Winter gefahren. Über die Mini-V hab ich jeden Tag geflucht. Selbst auf der glatten Straße (Salzfilm auf Felgen und Belägen, eingeforene Mechanik, Bremsen war meistens ein Glücksspiel)
 
445° ist ca 415° wärmer, als es draußen im Sommer ist. Die Bremsscheibe müsste sich also um 415° erwärmen.

In der "Werbung": http://www.mtb-news.de/forum/showpost.php?p=9717972&postcount=23
spricht der Verfasser von einer 120g Bremsscheibe vorne.

Edelstahl hat eine Wärmekapazität von etwa 0,5 kJ /(kg °C).

Das bedeutet, dass man 24,9 kJ in die Bremsscheibe stecken muss, um die auf 445°C zu erwärmen.

Wenn man einen Radfahrer hat, der inkl. RR 100 kG wiegt und 72km/h (=20 m/s) fährt, dann hat der eine Energie von 20 kJ [1/2 * 100kg * (20 m/s)²].

Bei 80,337 km/h wäre die Energie theoretisch groß genug, um die Bremsscheibe soweit zu erwärmen.

Vergiß nicht, daß die Bremsscheibe bereits während des Bremsvorganges Wärme an die Umgebung/Luft abgibt. Und ein Teil der entstehenden Wärme geht natürlich auch in die Beläge etc.
 
Die Rechnung von timo82 ist im Sinne einer worst-case Betrachtung ausgelegt. Jede weitere Wärmeabgabe (an Luft, Beläge, ..) verringert nur die Aufheizung der Scheibe und geht also Zugunsten der Standfestigkeit einer Scheibenbremse.
 
Vergiß nicht, daß die Bremsscheibe bereits während des Bremsvorganges Wärme an die Umgebung/Luft abgibt. Und ein Teil der entstehenden Wärme geht natürlich auch in die Beläge etc.


Hab ich doch geschrieben:

In der Praxis bremst man aber auch hinten, alles geschieht nicht innerhalb von 0,0s - es wird also Wärme abgegeben - der Bremsbelag, Sattel usw. wird ebenfalls warm.
 
Wir schreiben das Jahr 2055. Seit fast 50 Jahren ist die Scheibenbremse DER Standard am Zweirad - motorisiert oder nicht. Das System ist leistungsfaehig und erprobt, wartungsarm und zuverlaessig.
Nun schwappt ein revolutionaeres Bremsenkonzept, das sich zunaechst beim Triatlon und Zeitfahren verbreitet hat rueber auf die Rennradfraktion - die Scheibenlose Bremse! Na ja, revolutionaer, wie fast alles im modernen Fahrradbau gab es auch das schonmal im 20ten Jahrhundert. Aber mit geballter Marketingmacht treiben die Hersteller eine neue Sau durch jedes Dorf, auch durch Kuhdoerfer.

Die Vorteile klingen in der Tat verfuehrerrisch:
- kein separates Spezialteil fuer die Reibpaarung - die Bremse bremst direkt auf der Felge
- einfacher Radein-/ausbau
- Austausch von Laufraedsaetzen selbst bei unterschiedlichen Bremsen
- geringere Belastungen fuer Rahmen und Laufraeder -> neue Dimensionen fuer Leichtbaufetischisten
- geringere Temperaturen und deutlich bessere Waermeabfuhr durch mehr Flaeche und hoehere Umfangsgeschwindigkeiten der Reibflaeche
- geringer Verschleiss an der Reibflaeche (>20000 km Laufleistung), die Lebensdauer des Laufrades wird dadurch nur in Ausnahmefaellen beeintraechtigt
- bestechend einfaches und uebersichtliches Prinzip, dadurch einfache Wartung und Pflege
- bessere Aerodynamik

Nun ja, kein Prinzip mit Vorteilen ohne Nachteile:
- das neue Konzept erfordert neue Rahmen mit speziellen Bohrungen fuer die Anbringung der Bremsen.
- neue Laufraeder mit einer bebremsbaren Flanke erforderlich
- die Bremsleistung laesst bei Regen oder Matsch teils deutlich nach. Die Industrie begegnet dem mit speziellen Bremsbelaegen oder verkauft uns dieses Verhalten sogar als Vorteil: "Ueberbremsen bei Naesse ist quasi ausgeschlossen".
- verschiedene Reifenbreiten (oder Schutzbleche) erfordern unterschiedliche scheibenlose Bremsen
- Bei Matsch und Schnee setzt sich die Bremse zu

Gerade die letzten 3 Punkte lassen das neue Prinzip fuer MTB und Cross nicht sehr sinnvoll erscheinen. Dennoch wurden auch hier schon Rahmenmodelle gesichtet, die das neue Prinzip unterstuetzen und erste Kaeufer schwelgen in positiven Erfahrungen: "So direkt und unmittelbar. Kein Druckverlust. Einfachste Wartung ohne Spezialwerkzeug."

Mal im Ernst,
jede auf Reibung basierende Bremse kennt eine Grenze, die durch die moegliche Waermeabfuhr definiert wird. Man erinnere sich an 3-Gang-Automatikgetriebe des 20ten Jahrhunderts, die kaum Mototbremse aufwiesen und zu diesem Zweck eine haendisch schaltbare Stufe 1+2 hatten. Autofahrer - insbesondere Gespannfahrer - wurden angewiesen bei Passabfahrten diese Stufen mit starker Motorbremsleistung zu nutzen, weil die verbauten Scheibenbremsen sonst ueberhitzen koennten. Ein Ueberhitzen der Bremsen bei Missachtung dieser Anweisung galt als Fahrfehler!

Dem Herrn Shimano gefallen jene Trends stets am besten, die einen neuen Rahmen erfordern (Cross, 29er, Scheibenbremse am Rennrad, tbd.). Klar, das kurbelt den Absatz von Komplettraedern an und damit macht Herr Shimano den Loewenanteil seines Umsatzes.

'Ne Scheibenbremse ist 'ne tolle Sache. Fuer's Crossrad, wo man mit Dreck und nicht wirklich passenden Seilwegen bastelt geradezu eine Erloesung, am MTB, wo man Dank dicker Reifen viel heftigere Maximalbremsleistungen auf den Untergrund uebertragen kann und auch bei viel Geruettel noch dosiert bremsen will ein ueberzeugendes Konzept (auch wenn gute V-Brakes nicht viel schlechter sein muessen).
Dennoch koennen andere Bremsen fuer andere Prioritaeten die bessere Loesung sein. Und keinesfalls ist die Scheibenbremse ein Wunderding, bei dem man den Kopf getrist ausschalten kann.
 
Man müsste mal messen, wie schnell eine Scheibe abkühlt.

In den Kurven bremst man ja nie auf null und die kommen auch nicht sofort nacheinander.

Waehrend die Scheibenbremse in punkto Reibpaarung vorn liegt, hat bei der Abkuehlung die Felge klar die Nase vorn. Muss sie auch - eine noch sichere Maximaltemperatur ist ja auch viel geringer.

Aus dem Bauch heraus wuerde ich sagen, dass die Scheibenbremse besser damit zurecht kommt sehr intensive Bremsungen mit deutlicher Pause dazwischen zu machen, die Felgenbremse aber bei weniger intensiven Bremsungen in kuerzerer Folge die Nase vorn hat. Einfach drum, weil der Temperaturbereich der Scheibe viel groesser ist, die Felge die Waerme aber viel schneller wieder los wird.

Ein Versagen der Felgenbremse ist also eher (am Ende) einer kleinen Serie von Brutalbremsungen zu erwarten, das Versagen einer Scheibe eher bei kurz aufeinanderfolgenden, weniger intensiven Bremsungen.

Merkt ihr was? Moeglichst lang laufen lassen und hart bremsen ist bei der Scheibe noch viel wichtiger als bei der Felge.

Der Klassiker unter den Heissbremserschlauchplatzern passiert uebrigens gar nicht auf der Abfahrt, sondern bei der Rast am Fusse des Berges ;-)
 
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