Da mag sicherlich auch was dran sein. Allerdings siehst Du den Weg zum Entertainment nicht richtig. Sicherlich ist es für uns als Publikum interessanter, spannender und spektakulärer (=Unterhaltung) wenn die Sportler noch höher springen, noch tollere Stunts machen, noch schneller fahren, schwimmen oder laufen. Keine Frage.
Aber das muss der eine Sportler erstmal von sich aus schaffen (wollen).
Es gibt auch Sportler die von ihrem Sport leben können, die nicht derart im großen Rampenlicht stehen, wie die Beckhams, Ronaldos oder Bolts. Und selbst die waren ja nicht von Anfang an "Entertainer", sondern erstmal einfach Sportler. Um überhaupt in die Möglichkeit zu gelangen, spätere Support- und Sponsorpakete zu erhalten, mussten sie einfach nur Sportler sein - und dafür den Sport lieben.
Selbst Red Bull vergibt nicht jeden daher gelaufenen Sportler einen Vertrag, nur weil er ganz toll und gerade aus mit dem Rad über die Straße fahren kann. Der Typ muss was leisten können und gut sein, in dem was er tut.
Der Vergleich, dass ein Sportler das tun muss und keine Wahl hat, seh' ich anders. Wie auch bei unserem Beruf. Ich muss nicht jeden Tag früh aufstehen, weil man mich dazu verpflichtet. Erstens hab ich mir das ausgesucht und zweitens kann ich es auch lassen und mir was anderes aussuchen. Ich hab' die Wahl. Die haben auch die Profisportler. Jan Frodeno muss nicht jeden Tag trainieren und er muss auch nicht Triathlet sein. Auch ein Tony Martin muss nicht jeden Tag radfahren. Jeder hat die Wahl dazu.
Ist das bei Dir etwa anders?
Ich frage mal ganz direkt: aus welcher Sportart kennst Du denn Profi-, also Berufssportler?
In meinem Umfeld sind es (heute ehemalige) Schwimmer und (teils ehemalige, teils aktive) Radsportler; für beide Gruppen gilt das, was ich geschrieben habe.
Bei den Schwimmern war es finanziell am engsten. Ohne Sportförderung wäre da nichts gegangen, und das, obwohl WR-Halter und Olympiasieger dabei waren. Wirklich Geld verdient hat nur FvA, weil sie mit ihrem schmucken Aussehen in Badeanzug und Medaillen uA für einen Fensterhersteller Werbung gemacht hat. Selbst ihre Kolleginnen konnten da nicht mithalten.
Schwimmen ist halt auch keine Sportart bei der abgesehen von Bestleistungen viel Entertainment oder gar Marketing geht. Kein Platz auf der Badehose für Werbung, und außerhalb vom Becken erkennen 99% der Bevölkerung selbst einen Phelbs vermutlich nichtmal, wenn er an der Supermarktkasse vor ihnen stünde.
Trotzdem habe alle Sportler eines gemein: sie haben ein extremes Leben geführt. Von Jugend an massives Training. Die Schwimmer: Teilzeitinternat eines Olympiastützpunktes, vier bis fünf Mal die Woche Training. Während die Kumpels draußen spielten. Schon da werden die Weichen gestellt, welche Priorität der Sport, trotz "Liebe zu ihm", im Leben hatte. Nämlich die Oberste.
Im weiteren Verlauf ihrer (schulischen) Ausbildung verschob sich das immer mehr: die Woche über Training, an manchen Tagen vor und nach der Schule, am Wochenende Wettkämpfe. Die zunehmenden Erfolge machten Spaß, die Entbehrungen wurden durch Hoffnung auf weiter wachsende Erfolge aufgewogen.
Wirklich zum Spaß hat schon zu dem Zeitpunkt aber vermutlich keiner mehr seinen Sport ausgeübt - und Du meinst, die sagen dann mit Mitte zwanzig plötzlich "Ach, ich habe grad keinen Bock auf Training, mach ich halt was Anderes."?
Die Wahl von der Du sprichst hat nämlich eben nicht Jeder. Nicht, wenn er sein Leben beruflich ausgerichtet hat. Kannst Du wirklich heute Alles hinschmeißen und sagen "Ich will jetzt nicht mehr ... sein, sondern lieber ..."? Wovon finanzierst Du das denn?
Dein Beispiel Jan Frodeno: der war seit der Jugend Leistungsschwimmer. Schon dass er danach als Rettungsschwimmer arbeitete zeigt recht deutlich seine Ausrichtung. Heute hat er zwei Kinder, gemeinsam mit einer Triathletin.
Was denkst Du, wie leicht der heute sagen kann "Auf schwimmen hab ich keinen Bock mehr"?
Tony Martin war in der Sportfödergruppe der Polizei. Er ist Polizeimeister. Zwei Sterne auf der Schulter. Schmeißt der heute alles hin weil er keinen Bock mehr hat, kann er für A7 in die Bereitschaftspolizei gehen oder Sachbearbeiter werden. Der dürfte aber auch ein paar Rücklagen haben, weil er lang und erfolgreich genug im Profi-
Zirkus gefahren ist.
Davon ab bezweifle ich ganz stark, dass ihm seine Zeit bei Katusha zuletzt sonderlich Freude am Radfahren bereitet hat...
Glaub es, oder glaub es nicht: je mehr es um Geld geht, desto mehr "Zwang" ist da. Persönlicher Zwang für den Sportler, und Zwang zur Vermarktung. Mit dem was Du und ich im Radfahren sehen hat das für Profis kaum was gemein. Für die ist ihr Sport seit der Jugend absolut zentral. Teils zentraler als ihr Privatleben.
Das war es jetzt aber auch von mir mit OT hier.