G
Gelöschtes Mitglied 62190
Eine etwas andere Geschichte: Die Sache mit dem "M". 
Denkt man im Zusammenhang mit Rennrad-Klassikern an den Anfangsbuchstaben "M", fallen einem auf Anhieb mehrere Hersteller schöner und hochwertig verarbeiteter Räder ein... Etwa Masi, Milanetti oder Merckx. Eher weniger bis überhaupt nicht denkt man hingegen an Motobecane.
...Warum auch? – Insbesondere in den 1970ern haben viele große französische Radhersteller mit kruden Mengen von Maschinen den Massenmarkt geflutet. Das Ergebnis waren oftmals solide und brauchbare Alltagsräder, äußerlich schick und mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis, jedoch entsprach die Verarbeitung bei genauem Hinsehen eher dem „laissez faire“.
Auf dem höheren Preisniveau gab es jedoch einige Räder, die in Sachen Verarbeitung deutlich hervorstachen. Peugeot PY10 und Pro10 etwa brauchten sich hinter Bianchis und Colnagos nicht zu verstecken. Da französische Räder oftmals jedoch eher mit den Massen der damals an jeder Ecke anzutreffenden preiswerten Modelle assoziiert wurden, waren die Begehrlichkeiten bei italienischen Edelrennern regelmäßig höher.
So schön Kessels Merckx oder Masi Prestige aus den 70ern auch sind, möchte ich hier doch den Aufbau einer französischen Pretiose abbilden, die um einiges seltener ist.
Der Baron Marcel Bich war Mitbegründer eines heute weltbekannten Unternehmens. Da sein Nachname im Englischen ausgesprochen an das Wort „bitch“ - also Schlampe, Hure - erinnerte, gab er der Firma den Namen BIC. Die Produkte kennt jeder, sei es der ab 1950 milliardenfach produzierte Kugelschreiber BIC Cristal oder das oval geformte Feuerzeug, dass seit Beginn der 1970er Jahre praktisch unverändert hergestellt wird und auch im Museum of Modern Art in New York ausgestellt ist:
Ab 1970 stellte Motobecane u.a. bei der Tour de France zudem die Räder für das BIC-Team. Luis Ocana gewann die Tour schließlich 1973 auf einem (umgelabelten) Motobecane.
Die beiden Topmodelle damals waren das „Tour de France“ und das „Criterium“.
Obwohl die Rahmen beider Modelle identisch waren und in einem kleinen Atelier ausschließlich auf Bestellung „sur mesures“ gefertigt wurden, waren die Motobecane-Typenbezeichnungen leider ein hoffnungsloser Wirrwarr, was neben dem damals astronomischen Preis von 2.000 DM ebenfalls zu der geringen Verbreitung beigetragen haben mag. So standen die Modelle auch als „C.O. Tour de France“, „C.O.M.“, „Professionnel 1“ und „Professionnell 2“ etc. in den Katalogen. Manchmal taucht das Criterium auch nicht auf, sondern ein Model mit dem Namen „France“, manchmal nur das „Criterium“, aber nicht das „Tour de France“. Wirrwarr also.
Wesentlicher Unterschied zwischen den Modellen ist vereinfacht dargestellt, dass das „Tour de France“ mit einer kompletten Campagnolo Nuovo Record – Gruppe aufegbaut war, das „Criterium“ hingegen mit französischen Teilen wie Stronglight 93-Kurbel, Huret Jubilee-Schaltung etc.
Aber wie gesagt, die Rahmen der Topmodelle waren identisch, und man konnte auf Wunsch alles individuell ordern... Die wenigen im Internet abgebildeten Räder zeigen „Tour de France“-Modelle sowohl ohne als auch mit Schutzblechösen, unverbastelte „Criterium“-Modelle in der Regel mit rein französischer Ausstattung, manchmal aber auch mit kompletter Campagnolo Nuovo Record, mit Schutzblechösen, ohne, offenem oder geschlossenem Innenlagergehäuse... Ausfallenden oder Steuerrohrmuffen sind teilweise verchromt, teilweise auch nicht. – Nochmal Wirrwarr.
Und wo wir gerade dabei sind, und um das Wirrwarr vollends zu komplettieren: In manchen Katalogen gibt es das Criterium auch nur mit dem Hauptrahmen aus Reynolds 531... Später hat Motobecane schließlich auch ein bedeutend einfacheres Model "Criterium" genannt. Marketingmäßig war das insgesamt Müll.

Nur extrem selten taucht eines dieser Räder aus der BIC-Ära auf. Waren sie damals schon selten, wurden sie, sobald sie in andere Hände weitergereicht wurden, oft nicht als das erkannt, was sie waren, und gerne verschlissen:
Motobecane, Peugeot, Gitane etc. wurden und werden oft noch immer als Massenhersteller mittelmäßig verarbeiteter Räder abgekanzelt. Wer ist nicht schon über ein Peugeot PX10 oder auch mal PY10 gestolpert, dass in den Kleinanzeigen nur als olles Peugeot für 50 € angeboten wurde?
Aber genug der Vorrede, hier ist der Protagonist des Threads, ein größtenteils unverbasteltes 1973er Motobecane Criterium mit kompletter Campagnolo Nuovo Record Ausstattung, Cinelli Vorbau, Lenker und Sattel in BIC orange. Der Kaufpreis war auf 70er Jahre Bianchi Specialissima- bzw. Colnago-Level, aber das war es mir in diesem Fall wert.
Dafür gab es als besonderes Highlight auch die originale Trinkflasche dazu. Es gibt zwar Repros, allerdings weichen die in der Gestaltung sehr stark ab. Fehlt die Originalflasche, ist Ersatz praktisch unmöglich zu beschaffen.
Das Rad wurde viel gefahren, befindet sich aber für seine 45 Jahre in einem guten Zustand und hat eine sehr schöne Patina...

Denkt man im Zusammenhang mit Rennrad-Klassikern an den Anfangsbuchstaben "M", fallen einem auf Anhieb mehrere Hersteller schöner und hochwertig verarbeiteter Räder ein... Etwa Masi, Milanetti oder Merckx. Eher weniger bis überhaupt nicht denkt man hingegen an Motobecane.
...Warum auch? – Insbesondere in den 1970ern haben viele große französische Radhersteller mit kruden Mengen von Maschinen den Massenmarkt geflutet. Das Ergebnis waren oftmals solide und brauchbare Alltagsräder, äußerlich schick und mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis, jedoch entsprach die Verarbeitung bei genauem Hinsehen eher dem „laissez faire“.

Auf dem höheren Preisniveau gab es jedoch einige Räder, die in Sachen Verarbeitung deutlich hervorstachen. Peugeot PY10 und Pro10 etwa brauchten sich hinter Bianchis und Colnagos nicht zu verstecken. Da französische Räder oftmals jedoch eher mit den Massen der damals an jeder Ecke anzutreffenden preiswerten Modelle assoziiert wurden, waren die Begehrlichkeiten bei italienischen Edelrennern regelmäßig höher.
So schön Kessels Merckx oder Masi Prestige aus den 70ern auch sind, möchte ich hier doch den Aufbau einer französischen Pretiose abbilden, die um einiges seltener ist.
- „Selten?“
- „Wie selten?“
- „Extrem selten. … Beziehungsweise noch seltener.“
Der Baron Marcel Bich war Mitbegründer eines heute weltbekannten Unternehmens. Da sein Nachname im Englischen ausgesprochen an das Wort „bitch“ - also Schlampe, Hure - erinnerte, gab er der Firma den Namen BIC. Die Produkte kennt jeder, sei es der ab 1950 milliardenfach produzierte Kugelschreiber BIC Cristal oder das oval geformte Feuerzeug, dass seit Beginn der 1970er Jahre praktisch unverändert hergestellt wird und auch im Museum of Modern Art in New York ausgestellt ist:
Ab 1970 stellte Motobecane u.a. bei der Tour de France zudem die Räder für das BIC-Team. Luis Ocana gewann die Tour schließlich 1973 auf einem (umgelabelten) Motobecane.
Die beiden Topmodelle damals waren das „Tour de France“ und das „Criterium“.
Obwohl die Rahmen beider Modelle identisch waren und in einem kleinen Atelier ausschließlich auf Bestellung „sur mesures“ gefertigt wurden, waren die Motobecane-Typenbezeichnungen leider ein hoffnungsloser Wirrwarr, was neben dem damals astronomischen Preis von 2.000 DM ebenfalls zu der geringen Verbreitung beigetragen haben mag. So standen die Modelle auch als „C.O. Tour de France“, „C.O.M.“, „Professionnel 1“ und „Professionnell 2“ etc. in den Katalogen. Manchmal taucht das Criterium auch nicht auf, sondern ein Model mit dem Namen „France“, manchmal nur das „Criterium“, aber nicht das „Tour de France“. Wirrwarr also.

Wesentlicher Unterschied zwischen den Modellen ist vereinfacht dargestellt, dass das „Tour de France“ mit einer kompletten Campagnolo Nuovo Record – Gruppe aufegbaut war, das „Criterium“ hingegen mit französischen Teilen wie Stronglight 93-Kurbel, Huret Jubilee-Schaltung etc.
Aber wie gesagt, die Rahmen der Topmodelle waren identisch, und man konnte auf Wunsch alles individuell ordern... Die wenigen im Internet abgebildeten Räder zeigen „Tour de France“-Modelle sowohl ohne als auch mit Schutzblechösen, unverbastelte „Criterium“-Modelle in der Regel mit rein französischer Ausstattung, manchmal aber auch mit kompletter Campagnolo Nuovo Record, mit Schutzblechösen, ohne, offenem oder geschlossenem Innenlagergehäuse... Ausfallenden oder Steuerrohrmuffen sind teilweise verchromt, teilweise auch nicht. – Nochmal Wirrwarr.

Und wo wir gerade dabei sind, und um das Wirrwarr vollends zu komplettieren: In manchen Katalogen gibt es das Criterium auch nur mit dem Hauptrahmen aus Reynolds 531... Später hat Motobecane schließlich auch ein bedeutend einfacheres Model "Criterium" genannt. Marketingmäßig war das insgesamt Müll.


Nur extrem selten taucht eines dieser Räder aus der BIC-Ära auf. Waren sie damals schon selten, wurden sie, sobald sie in andere Hände weitergereicht wurden, oft nicht als das erkannt, was sie waren, und gerne verschlissen:
Motobecane, Peugeot, Gitane etc. wurden und werden oft noch immer als Massenhersteller mittelmäßig verarbeiteter Räder abgekanzelt. Wer ist nicht schon über ein Peugeot PX10 oder auch mal PY10 gestolpert, dass in den Kleinanzeigen nur als olles Peugeot für 50 € angeboten wurde?

Aber genug der Vorrede, hier ist der Protagonist des Threads, ein größtenteils unverbasteltes 1973er Motobecane Criterium mit kompletter Campagnolo Nuovo Record Ausstattung, Cinelli Vorbau, Lenker und Sattel in BIC orange. Der Kaufpreis war auf 70er Jahre Bianchi Specialissima- bzw. Colnago-Level, aber das war es mir in diesem Fall wert.

Dafür gab es als besonderes Highlight auch die originale Trinkflasche dazu. Es gibt zwar Repros, allerdings weichen die in der Gestaltung sehr stark ab. Fehlt die Originalflasche, ist Ersatz praktisch unmöglich zu beschaffen.
Das Rad wurde viel gefahren, befindet sich aber für seine 45 Jahre in einem guten Zustand und hat eine sehr schöne Patina...
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