AW: Wo gibt's denn sowas? Unfassbar!
Die "Gegner-Argumente" bei Wikipedia sind echt ein Knaller. Mein Liebling: "Eine soziale oder gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer führt vermutlich zu einem zumindest kurzfristig geringerem Radverkehrsanteil und somit zu einer höheren Gefährdung der verbleibenden Radfahrer." Kann man das irgendwie mit einer mathematischen Formel belegen?:lol:
Kannst du im Gegenzug alle positiven und negativen Faktoren einer Helmnutzung gegenrechnen und so eine allgemein gültige Aussage (wie der ACE - Helme reduzieren Kopfverletzungen um genau 80 %) treffen, welche mehr als einem flüchtigem Blick standhält?
Ich kann zwar zu deiner Frage keine Formel vorweisen, allerdings einen sehr umfangreichen
Feldversuch - die Einführung der allgemeinen Helmpflicht in Australien mit einer Reduzierung des Radfahreranteils von etwa 30 %.
Ich glaube, viele hier verstehen nicht die Differenzierung in dem Thema. Kaum einer der angeblichen Helmgegner ist gegen Helme, sondern nur gegen eine Helmpflicht. Auch die Wirkung eines Helmes steht fast komplett außer Frage. Aber erstens kann kein Fahrradhelm klassischer Bauweise Verletzungen, welche schwerer als Schrammen sind, verhindern, sondern diese nur zu einem gewissen Grade dämpfen. Dies stimmt aber so gut wie nie mit den Aussagen der Helmpflichtbefürworter (nochmal ACE - Reduktion Kopfverletzungen um 80 %) überein, welche dem
Helm eine Schutzwirkung zusprechen, die so nicht existiert. Und zweitens mein Hauptkritikpunkt, dass der
Helm (außer bei Alleinunfällen) nur dazu dient, das Opfer eines Verkehrsunfalles vor einem stattfindenden Unfall zu schützen. Viel wichtiger sind aber Maßnahmen, welche Unfälle an sich verhindern können. Was mich aufregt, ist die Verlagerung der Schuldfrage vom Täter auf das Opfer ("Er trug keinen
Helm/bestand auf seine Vorfahrt." gleichbedeutend mit "Sie trug doch einen kurzen Rock/wollte es doch auch."). Und Unfälle werden vor allem vom Kfz-Verkehr verursacht (z.B.
Quelle). Wird aber dieser mit Restriktionen belegt? Werden potentielle Täter (überspitzter Generalverdacht) konsequent aufgeklärt (Fahrschule - keine Sonderregeln für Radfahrer erklärt), durch permanenten Kontrolldruck erzogen (z.B. mit Abstandsmessrädern für die Polizei) oder haben die Gemeinden endlich die 97er StVO-Novelle in Bezug auf Radwege umgesetzt? Von Opfern wird erwartet, dass sie helle Kleidung tragen, auf ihre Vorfahrt verzichten, ungeeignete Wege wider besseren Wissens nutzen und Helme ohne einen generellen, allumfassenden Wirksamkeitsbeweis tragen, während die Täter völlig unbehelligt bleiben.
Natürlich sollte man sich schützen. Sobald ich auf dem Fahrrad sitze, trage ich einen
Helm (obwohl er im Haushalt viel nötiger wäre), habe häufig auffällige Kleidung und Beleuchtung an und denke für andere mit. Aber all diese Maßnahmen bringen erst etwas, wenn sich die Unfallverursacher freiwillig oder gezwungenermaßen an die existierenden Regeln halten. Kinder ohne
Helm auf Fahrrädern bringen niemanden um, auch sich selbst nicht, sondern Autofahrer, die
notorisch zu schnell unterwegs sind, Abstände nicht einhalten, auf Schulterblicke verzichten und ihr Recht des Stärkeren auf Vorfahrt erzwingen. In Berlin (obere Quelle) verursachen sogar mehr Fußgänger bei Radfahrern Unfälle als umgekehrt. Das sich einige Radfahrer durch Unsichtbarkeit bei Dunkelheit und Ignoranz von Vorfahrtsregeln selbst in Gefahr bringen, ändert dennoch nichts an der Tatsache, dass der unterkontrollierte Kfz-Verkehr Menschen als systemimmanentes Risiko tötet und es von der Allgemeinheit als selbstverständlich und Preis der unbegrenzten Mobilität hingenommen wird.