Ich möchte dazu nochmal auf dieses Paper aus dem
Journal of Sports Sciences verweisen, dass sich ausführlich mit der statistischen Aussagekraft sportwissenschaftlicher Studien befasst..
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/02640414.2020.1776002
Die Autoren verweisen u.a. auf Forschungsergebnisse aus der Psychologie, wo die Wiederholung von 100 in der Literatur veröffentlichen experimentellen Studiendesigns ergeben hat, dass die gemessenen Wirkungen bei Wiederholung der Studiendesigns im Durchschnitt nur noch etwa halb so groß waren, wie in den originalen Studien publiziert. Die Autoren verweisen außerdem darauf, dass in psychologischen Studien die Probandenzahl im Durchschnitt bei 104 liege. Die Zahl der Probanden bei den Studien, die an
Journal of Sports Sciences übermittelt wurden, lag dagegen im Durchschnitt nur bei 19 - also nicht mal ein Fünftel!
Die Autoren kommen daher zu der wenig überraschenden Schlussfolgerung;:
"It’s quite likely that we have a problem with underpowered studies in sport and exercise science."
Zu Deutsch: Es gibt ein Problem mit der Aussagekraft sportwissenschaftlicher Studien!
Wer sich also irgendeine Studie heranzieht und hofft, die dort publizierten Wirkungen bestimmter Intervalltrainingsprogramme etc. ohne Weiteres in seinem eigenen Training reproduzieren zu können, wird in vielen Fällen enttäuscht werden.
Dass sich Ergebnisse aus Studien nicht ohne Weiteres auf die Praxis übertragen lassen, ist btw. kein spezifisches Problem der Sportwissenschaft (das kann man Ansatzweise ja schon an den Befunden aus der Psychologie ahnen, wie oben erwähnt), sondern ist allen Bereichen, in den den mit Menschen geforscht wird ähnlich. Bei der Pharma-, Therapie- oder Präventionsforschung hat man das Problem immer wieder, dass die Wirkung irgendwelcher Interventionen/Maßnahmen im Praxiseinsatz weit geringer ausfallen, als in experimentellen Studien, weil im Praxiseinsatz häufig Faktoren eine Rolle spielen, die sich in Studien nur schlecht oder gar nicht berücksichtigen lassen. Das Problem ist bei sportwissenschaftlichen Studien durch die typischerweise geringen Probandenzahl noch größer, als in anderen Forschungsbereichen. Das heißt auch nicht, dass diese Studien per se Wertlos wären und man sie ignorieren sollte, aber sehr vorsichtig bei der Interpretation und dem Ableiten von Schlussfolgerungen.
Ich habe zu dem Thema noch mal verschiedene Studien aus anderen Forschungsrichtungen angeschaut.
Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, das die Sportwissenschaften unsauber arbeiten wenn sie Studien mit Gruppen von n=10 statistisch miteinander vergleichen.
Ein n=10 ist für Verfahren wie die Varianzanalyse hat eine sehr gute Stichprobengröße um abhängige Variablen auf Mittelwertdifferenzen zu prüfen. Auch bei unabhängigen Stichproben fährt man gut wenn man z.B. 2 bis 3 Gruppen je 10 Probanden untersucht.
Das ist auch in anderen Wissenschaftsbereichen, die stoffwechselphysiologischen Fragestellungen nachgehen so üblich. Was man allerdings beachten sollte ist, das die Gruppen gematched werden sollten. Und das oft die Aussagen aus Untersuchungen mit nur wenigen Untersuchungsparametern so allgemeine Aussagen eigentlich gar nicht zu lassen.
Die Parameter, die momentan weiterführende Erkenntnisse zu den Trainingswissenschaftlichen Fragestellungen geben, sind für die Sportwissenschaft aber oft aus ethischen und finanziellen Gründen gar nicht verfügbar. Zudem sind die Fragestellungen am Menschen untersucht nur sehr unzureichend beantwortbar. Das gelingt mit Organismen, die kürzere Lebenszyklen haben einfacher.
Es ist also nicht die Anzal der Probanden, sondern eher die Parameterauswahl entscheidend für den Erkenntnisgewinn. Da werden vorzugsweise Marker untersucht, die den Mitochondrienstoffwechsel kurz und längerfristig verstehen lernen. Und man untersucht dann Auswirkungen von aerobem Training im Verlauf des Lebenszyklus. Alleine wenn man das mit Menschen macht und die Proben aus der Muskulatur ziehen muss hat man schon große Aufwendungen zu unternehmen, das erlaubt und finanziert zu bekommen.
Die Studien, die ich dazu finde nehmen meistens ungefähr 10 Personen pro Gruppe.
Insofern kann man einige Studien zum HIIT durchaus für grobe Tendenzen zu Effekten nehmen, sollte aber immer bedenken, das es individuell doch auch andere Anpassungsverläufe geben könnte (je nach Voraussetzung und dem was man tatsächlich da als Reiz induziert hat. Alleine die Probleme bei der Ermittlung der FTP aber auch die tatsächliche Ausführung einer Trainingseinheit bedingen da schon große Unterschiede zwischen zwei Personen. Deshalb bleibt es bei einer gehörigen Portion Trial and Error wenn man wissenschaftliche Erkenntnisse einmal gewinnbringend auf sich selber übertragen möchte.
Hier ein Beispiel eines Tierexperiments.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8157243/Allerdings findet man auch Studien, die interessante Fragestellungen mit aufwendiger Testmethodik mit größerem N untersuchen.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5913345/Die belegen dann sozusagen das, was man schon durch viele kleine Studien im Vorfeld erfahren hat, bzw. relativieren diese Aussagen.
Die oben zitierte HIIT Studie habe ich gefunden für eine Frage ob man eher 8*15 Sprints oder 4*30s Sprints machen soll. Die ist aufwendig gemacht.
Ich hatte das selber in den letzten Jahren mehrfach an mir getestet wenn ich so 1-2h moderates Ausdauertraining mit Sprintausdauerintervallen durchführe (Stichwort Priming). Da kam immer wieder die Aussage, das 10s Sprints nicht so intensive Auslenkungen bei den Parametern bewirken wie Sprints von 20 oder 30s Länge. Habe mich irgendwann für die 20s entschieden weil sie nicht so reinhauen.
Aber eigentlich wären wohl 4*30 in so einer Einheit effektiver als 6*20s Sprints.
Dabei kam mir immer wieder der Gedanke, das ich irgendwann Trainingsmodalitäten auswähle, die im Effekt wohl nicht so groß sind, sich aber besser kompensieren lassen. Das macht man dann regelmäßiger, häufiger und man erholt sich schneller. Obs richtig ist, so soft vorzugehen oder hart gegen sich zu bleiben und intensiver zu trainieren?