AW: Senioren-Fräd
Hier ist für alle noch mein Bericht, den ich in der IG Sachsen-Anhalt-Radler (müsste eigentlich Radler Mitteldeutschland heißen) eingestellt habe. So können ihn auch andere Interessierte lesen.
Uelzen:
Das Ganze fing mit einer Idee aus dem "Senioren-Fräd" (hier im Forum). Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Leuten ab dem 50. Lebensjahr. Ausnahmen werden auch für Benjamins wie mich gemacht

.
Und die "alten" Herren (und Damen, welche auch mal schnell 300-400km fahren!) hatten die Idee, dass Uelzen der Mittelpunkt Deutschland sei und alle sich mal zu einer "kleinen" Rundfahrt treffen sollten. Einer der Herren ist dort beheimatet. Jedes Jahr findet dort die RTF "Uhlenkörper Rundfahrt" statt. Die Streckenwahl war schnell getroffen: Der Marathon sollte es sein.
Da fingen meine Bauchschmerzen an: Marathon, 200 km und mehr. Wie kann ich das überleben? Sind die denn alle verrückt?
Zunächst wollte ich einfach kneifen. Es wäre mir dann doch zu weit und die Strecke viiiiieeeel zu lang. Dennoch wollte ich die ganzen "Jungens" mal kennen lernen. Nun ja, ich sprach mit meiner Frau, ob sie nicht Lust hat ein Wochenende mal außerhalb zu verbringen. Sie willigte ein und kümmerte sich auch gleich darum, an diesem Wochenende frei zu bekommen. Das klappte erst mal.
Es traf sich gut, dass meine große Tochter (jetzt nicht lange fragen: habe zwei Töchter aus erster Ehe und eine Tochter hat meine jetzige Frau mit gebracht

) in Sehnde bei Hannover wohnt. Eine gute Gelegenheit sie zu besuchen. Von dort aus sind es nur noch gut 100 km bis Uelzen.
Am Freitag wurde das Rad geputzt und sorgsam in den Kofferraum verstaut.
Helm, Handschuhe, Trikots und Hosen waren schnell eingepackt. Sicherheitshalber noch die Windjacke (gegen Nässe hift die nicht wirklich), lange Hose und Überschuhe eingesteckt. Das eigentlich mehr aus Intuition heraus, denn ich dachte eigentlich an kurz. Immerhin, wir haben Juni (!)
Wir starten also gen Westen. Kommen auch gut an, nach dem wir noch einen Besuch im "Diamant-Museum" gemacht hatten. Ich wusste: die Nacht wird kurz. Pünktlich 5:45 Uhr rollte ich nach Uelzen. Hinter Celle fährt man beinahe 50 km nur noch durch den Wald. Früh, fast allein, ich sage nur:

Nach gut 1,5 Stunden bin ich endlich da. Die Jungs sind schnell erkannt, tragen wir doch alle unser Trikot. Kurze Begrüßung, weil ich mir noch ein Brötchen und einen Tee gönnen möchte. Dann schnell umziehen, Rad fertig machen und an den Start. Wichtig: Es hatte die ganze Nacht über geregnet und auch jetzt hörte es damit nicht auf

Ziemlich pünktlich 08:00 Uhr geht es los. Die ersten Kilometer von der Polizei eskortiert. Und es regenete. Ich wusste nicht, ob der Regen von oben oder von unten, also von den Spritzern der Vordermänner kam. Aber nach spätestens 30 km hatte ich mich an den Regen gewöhnt. Es war halt so, wie es ist: S...wetter halt. Die Kontrollstellen waren überladen mit Leckereien aller Art: Bananen, alle möglichen Wurststullen, natürlich Nutella-Waffeln, Joghurt, isotonische Getränke, Energie- und Musliriegel. Das war die beste Bewirtung, welche ich bisher bei einer RTF gesehen hatte. Irgenwan, bei Kilometer 80 oder 90 waren zwei Schilder zu sehen: Eins führte uns unwiederbringlich auf die Marathon-Strecke, das andere auf die 151km-Strecke und ins Ziel. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte ich, ob jetzt der Zeitpunkt des Abschiedes kommen könnte. Aber ich war mutig: Marathon!
Nach 105 km dachte ich: Cool, die Hälfte. Und ich fühlte mich noch relativ gut. Es gab auch an einem Kontrollpunkt ein ordentliches Radleressen: Nudeln! Die ließen wir uns natürlich schmecken. Frisch gestärkt ging es weiter. Und alle waren guter Dinge. Selbst eine kleinen Anhöhe (so was Serpentinenartiges), vor der schon vorher gewarnt wurde, brachte mich nicht aus der Fassung. Und das bei Kilometer 120. Ich sagte nur: "Hey, lasst uns heute mal schnell 80 km zurück legen!"
Was soll ich sagen, es lief immer noch

. Ich weiß nicht warum. Ich konnte noch Kräfte mobilisieren. Und es passierte noch etwas: Es hörte auf zu regnen. Die Klamotten konnten trocknen.
Mein Tacho hat zwischendurch schlapp gemacht. So verlor ich zwischen vorletzten und letztem Kontrollpunkt die Übersicht. Wir lagen am letzten Kontrollpunkt so bei Kilometer 185. Meine Streckenrekord von 154 km bei der Mitgas-RTF längst geschlagen

. Ich trocknete schnell noch meinen Tacho. Jetzt war er wieder "online". Nach einer kleinen Stärkung ging es auf die letzten Kilometer. Immer noch konnte ich bei einem relativ hohen Tempo mit halten. Alleine auf diesen letzten 35 km lag der Durchschnitt bei knapp 30.
Und wir kamen tatsächlich im Ziel an: Nach sage und schreibe
220 km und 7h 30min, Schnitt 29,33 (!) war der Spaß vorbei. Und es bewegte sich alles noch. Die Beine funktionierten noch, die Arme und auch sonst alles. Am meisten Probleme hatte ich unterwegs mit dem Nacken.
Jetzt konnten wir uns freuen. Wir gratulierten uns gegenseitig. Danke an die Kameraden und danke an meine Frau, die sich so tapfer mit warten bei meiner Tochter geschlagen hat.
Ob ich es noch mal tun würde? Ich befürchte ja!!!
Viel Spaß euch allen...