Die Diskussion um die
Shimano Icetechscheiben ist schon eine interessante. Ich bin zwar kein Bremsenspezialist, aber einiges scheint mir schon mit einem gewissen Basiswissen plausibel.
Es gibt ja im wesentlichen zwei realistische Ausfallszenarien bei Scheibenbremsen mit massiven Stahlscheiben:
1. Die Suppe kocht.
2. Die Beläge kommen ins Fading.
Daß die Scheibe hitzebedingt ausfällt ist sehr unwahrscheinlich, weil das schlicht viel später passiert, als die beiden anderen Ausfälle.
Das Stahl-Alu-Sandwich fügt dem ganzen jetzt eine dritte realistische Möglichkeit hinzu.
3. Die Scheibe bricht zusammen.
Welcher der Ausfälle zuerst zuschlägt hängt tatsächlich vom Belastungsprofil ab. In jedem der Fälle gibt es eine letzte Bremsung, die zum Ausfall führt. Interessant ist jetzt, wie sich im Fehlerfall die noch funktionierenden Bremsungen von der letzten unterscheiden.
Fall 1: Um das Bremsmedium zum Kochen zu bringen (bevor die anderen auftreten) muss man solange mehr Energie ins Medium bekommen, als die Bermszange abführen kann, bis der Siedepunkt des Mediums erreicht ist. Der ist (verglichen mit der Fadingtemperatur der Beläge und dem Schmelzpunkt von Alu) niedrig, der Übergangswiderstand durch den Belag und den Kolben aber vergleichsweise hoch. Also reichen lange Bremsintervalle mit mässiger Temperatur am Belag, über längere Zeit, um diesen Ausfall zu provozieren. Das schafft man z.B. schon mit sattem Gefälle aber mittlerer maximaler Geschwindigkeit (optimal doof sollen laut sudibe irgendwo 40-50km/h sein)
Im Extremfall muss die letzte Bremsung gar nicht stärker sein, als die vorhergehenden. Real ist es meist schon so, daß eine stärkere Bremsung die Bremse über die Kante treibt.
Dafür erholt sich die Bremse davon nur langsam, weil die Zange ja wenig Energie abführt. Weil die Bremse aber erst nach der letzten Bremsung ausfällt, nicht während der Bremsung, kann man theoretisch sogar wenn (man Glück hat und) die
Bremsen nicht beide gleichzeitig kochen, mit der verbleibenden noch bis zum Stillstand kommen. Das muss man natürlich dann auch tun, und nicht bei 15km/h wieder weiterrollen lassen. Aber wer ist schon so cool.
Fall 2: Daß der Belag fadet passiert praktisch meist wenn er noch nicht ausgegast ist, also noch nie richtig heißgefahren wurde. Ist das durch, bleibt der Reibwert, nach allem, was man so hört noch 1-200Grad höher vorhanden. Aber die Problemzone ist quasi direkt an der Energiequelle, und hat nur geringe Wärmekapazität. Dieser Ausfall ist also am empfindlichsten für eine einzige (zu) starke Bremsung. Also schafft man das im Zweifel auch mit sauber ausgegasten Belägen oder Sinter. Böse ist hier auch, daß das Versagen mitten in der Bremsung auftritt, man kann also wie ein Hirsch am Hebel ziehen, hat einen Druckpunkt, es bremst nur nicht mehr, und die Karre rollt noch...Dafür kühlen die Beläge deutlich schneller wieder ab, als kochendes Bremsmedium, vor allem wenn der
Sattel auch über die Siedetemperatur erwärmt wurde.
Fall 3: Um eine Ice-Tech-Scheibe zu zerschmelzen muss man den Alukern über die Schmelztemperatur von Alu bekommen. Die Scheibe ist tatsächlich ja so konstruiert, daß der Energietransport dorthin möglichst schnell geht. Im Extremfall reicht dafür eine einzige Bremsung, sie muss nur ausreichend stark sein. Wenn ich das berühmte Tour-Test-Video als Ausgangspunkt nehme (Vollbremsung von 80km/h bei 100kg Systemgewicht mit vorgewärmter Scheibe) sollte das z.B. mit einer Vollbremsung aus 120km/h mit gleichem Systemgewicht auch mit komplett kalter Bremse zu schaffen sein (Grobe, unqualifizierte Schätzung). Realistisch ist natürlich auch hier eher der Fehlerfall wie in dem Video vorgeführt, die Bremse wird über sattes Gefälle mit mehrfacher Bremsung stark vorgewärmt und dann über eine überdurchschnittliche Bremsung zum Ausfall geführt. Aber der Ausfall findet auch mitten in der Bremsung statt.
Bevor eine Stahlscheibe schlappmacht, hat also einer der vorgenannten Fälle gnadenlos zugeschlagen.
Was macht jetzt Ice-Tech?
Die langfristige gute Wärmeabfuhr wirkt dem Auftreten von Fall 1 entgegen. Überspitzt gesagt werden Angstbremser davor bewahrt, daß ihnen das Bremsmedium kocht.
Dafür holt man sich einen weiteren Deckel für eine starke Bremsung rein.
Spannend an dem o.g. Tourtest finde ich, daß dieser Fall offensichtlich eintritt, bevor die
Bremsbeläge faden. Auch wenn die gut eingebremst sein werden, also kein initiales Fading angenommen wird, bekommen sie die Temperatur doch noch vor dem Alukern ab.
Ein Fahrer "mit guter Bremstechnik", der entsprechend schneller mit kurzen scharfen Bremsungen abfährt könnte hier bei einer Notbremsung aus hoher Geschwindigkeit tatsächlich mit Ice-Tech weniger Reserven haben, als mit Stahl.
Disclaimer: natürlich ist das grob und schematisch überschlagen und Faktoren wie die Wärmekapazität der Scheibe verändern natürlich den Abfluss der Bremsenergie.
Ausserdem kenne ich auch Berichte anderer thermischer Ausfälle, wie z.B. geschmolzener Bremsleitungen. Da machen aber komplett andere konstruktive Merkmale deutliche Unterschiede aus. Z.B. ist ein radseitiger Leitungsabgang am
Sattel zwar einerseits eine schlaue Idee, weil ein aussenliegender leichter abgerissen werden kann, andererseits aber......
Noch ein Edit zu Fall 1: Der Dau-Fall ist natürlich, nach einer längeren Passage mit vielen langen Bremsungen erstmal anzuhalten, damit "die Bremse Luft holen kann", die Hebel aber gezogen zu halten. Wenn man dann wieder losfährt, ohne zu checken, ob die Bremse nach dem Lösen der Hebel noch zieht, ist der ISO-Layer 8 Fehler perfekt
Mein Fazit und im Sinne der Ausgangsfrage: Ich fahre,dort wo es kritsch sein könnte, massive160er Stahlscheiben, mit möglichst viel Masse im Reibring. Trickstuff,
Avid G2 oder SM-RT-53, obwohl mein Fahrprofil (eher nicht die maximale Geschwindigkeit aus dem Hang rausholen und vor der Kurve nicht maximal knapp anbremsen) eigentlich nach Ice-Tec schreit
