AW: Restauration eines Chesini Renners
Jungs, wenn ihr immer so maßlos übertreibt, dann erzwingt das Widerspruch.
Das ist ein Fahrrad, also ein Gebrauchsgegenstand, kein Kunstobjekt. Auch Chesini war Rahmenlöter, kein Maler, was man auch an der etwas uninspirierten Farbe sieht. Sein "Kunstwerk" ist das Geröhr, der Lack eine funktionale Schutzschicht. Wo führt das hin, wenn man ein Rad von Anfang der 80er nicht mal mehr putzen darf und selbst dem Dreck einen erhaltenswerten Kunststatus andichtet? Am besten ich belasse auch das verhärtete Fett in den Lagern, weil das ja "original" ist. Tut man dies, beraubt man das Rad tatsächlich seines Wertes und zwar komplett. Dieser war nämlich niemals schnöder finanzieller Art, leitete sich auch nicht von einer Funktion als Kunstobjekt ab, sondern bezog sich auf dessen Gebrauchstauglichkeit als Fahrrad. Das sollte mbMn auch so bleiben. Dazu gehört unter Umständen dann auch das Neulackieren, so der alte Lack seine Funktionen Schutz und optisches Finish nicht mehr zu erfüllen vermag.
Hier scheint mir der Lack allerdings tatsächlich erhaltenswert, ganz im Gegensatz zum Dreck. Pulvern eines solchen Rahmens ist ein NoGo, du würdest dich später ärgern. Ich würde das Rad auseinandernehmen, alle Teile intensivst putzen, polieren wo dies original auch so war. Rostige, nicht stimmige oder funktional beeinträchtigte Teile adäquat ersetzen. Dann alles wieder zusammensetzen. Und dann: Fahren!
kunstbanausigen Gruß, uglyripper
Ich habe nicht geschrieben, daß man das Rad nicht fahrtüchtig halten sollte oder gar mit schlecht gefetteten Lagern fahren, denn diese Wartungsarbeiten wurden zu jeder Zeit von den Fahrern ausgeführt. Ich habe aber den Verdacht, daß Du mit dem von Dir formulierten Anforderung, ein jedes Rad habe ein Gebrauchsgegenstand zu sein, versuchst, Dir eine Freikarte für unnötige Neulackierungen zurechtzulegen. Lack wurde von bedeutenden wie auch unbedeutenden Rahmenbauern durchaus nicht nur als Schutzschicht angesehen, sonst hätte man auf jede Form farblicher Absetzungen und Transferbilder verzichtet. Neben der werblichen Funktion der Wiedererkennung hatten Lacke, Markengravuren und Transferbilder auch die Aufgabe, die Identifikation des Besitzers mit der Marke zu ermöglichen, Lack und Transfer waren also keinesfalls nur unbedeutende Verpackung des eigentlichen Rades, sondern Bestandteil, womit ihnen die gleiche Sorgfalt angedeihen muß, sie zu erhalten.
Für ein wirklich unbedeutendes Rad (ja, ich habe die Urteilskraft, diese als unbedeutend einzuschätzen), sagen wir, für ein beliebiges Motobécane oder ein Peugeot aus "Carbolite 103" aus den 80er Jahren, mag es vielleicht keine große Rolle spielen, ob es seinen Originiallack behält (schade ist es trotzdem), denn über den Status von Gebrauchsräder werden diese Gefährte nie hinauskommen, aber für wirklich technisch bedeutende Räder (das Chinesini ist keines) oder schöne Expemplare einfacher Räder (das Chinesini ist ein solches) ist es von Entscheidung, denn entfernt man den Originallack, nimmt man nachfolgenden Generationen die Möglichkeit, den guten Gebrautzustand zu sehen, den man mit Chromsicherung, Farbsicherung und Wachsung innen und außen durchaus erhalten könnte. Alle Spuren der Vergangenheit werden mit einer Neulackierung getilgt, das so präsentierte Rad hat bis auf die metallene Struktur keine Verbindung mehr zu seinem Erbauer, vielmehr ist es nur noch die Neuinterpretation seines Besitzers, der es unwürdig behandelte.
Räder werden heute sehr leichtfertig entlackt und pulverbeschichtet, in den meisten Fällen geschieht dies völlig unnötig. Ich bin mir schon jetzt sicher, daß auch dieses entlackt werden wird - eigentlich ist jedes weitere Wort vergeblich.
PS.: Auch gepulvert wäre dieser Rahmen mehr wert als 50-80€, denn auch Pulver lässt sich wieder entfernen

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Ein eher schlechtes post scriptum, den zum einen läßt sich eine Pulverbeschichtung nur sehr schwer wieder entfernen, zum anderen verführt es mich zu der Bemerkung, daß man zwar den Originallack sehr leicht entfernen, ihn aber niemals wieder aufbringen kann. Es handelt sich um eine irreversible Beschädigung, die den Täter in meinen Augen als einen fachunkundigen, entweder leichtfertig oder gewissenlos handelnden Vandalen brandmarkt.
Ich kann mich daran erinnern, daß Du mir einmal in einer Antwort den Vergleich eines Fahrrades mir einer Häuserfassade präsentiertest, die man auch regelmäßig neu tünchen müßte. Wo ich gerade dabei bin, will ich, bevor Du es mir erneut auftischst, dies auch mit abhandeln: Eine Häuserfassade ist über das ganze Jahr allen Witterungsbedingungen ausgesetzt und kann nicht ins Warme gefahren und gewachst werden. Frostschäden daran sind unvermeidlich und würden sich in viel stärkerem Maße substanzzerstörend auswirken, als bei einem Fahrrad. Dazu kommt, daß die Fassade eines Hauses weit mehr durch allgemeinen ästhetischen Empfinden der Bewohner einer Stadt beurteilt wird und vielleicht auch repräsentative Zwecke erfüllen, sich in das Stadtbild einfügen muß. Auch aus diesem Grunde werden Häuser regelmäßig neu gestrichen. Bei einem fahrrad muß man nun überlegen, ob es wirklich nur ein Gebrauchsrad ist - in diesem Falle ist es wirklich einerlei, solle s sich irgendein Berliner Kurier in leuchtgrün anmalen und es mit Turnschuhen gegen die wand fahren - oder ob es eine einmaliges rad von historischer Bedeutung ist - in diesem Falle wäre es wünschenswert, wenn es in Hände käme, die versuchen es mit der Originallackierung und allen Transferbildern zu erhalten, denn diese sind - wie ich zuvor bereits ausführte, Bestandteil des Ganzen. Der interessierte Betrachter hat das Recht, alles zu sehen, auch die Spuren des Alters. Daß man die darüberhinaus die Räder auch funktionstüchtig erhalten kann, steht ohne Zweifel. So würde man ein historisches Tasteninstrument in einen dafür errichteten Museum auch immer spielfertig erhalten, es aber niemals abbeizen und neu lackieren.
Es gibt ein paar Räder, wo ich mich auch den Flammbergschen Maximalforderungen anschließen könnte, aber das sind wirklich seltene Einzelstücke.
Um genau solche Räder geht es mir, solche Räder sammle ich. Bei einigen meiner Räder weiß ich, wer die Transferbilder aufgebracht hat, ich weiß, daß es statt Wasseraufschiebebilder sogenannte Varnish-Transfers waren - eine heute kaum noch verwendete Technik, die allenfalls noch im Klavierbau Anwendung findet.
Als Beispiel hier Jack Taylor, wie er ein solches Varnish-Transferbild aufbringt.
Würde ich dieses Transferbild zerstören, das er mit großer Sorgfalt aufgebracht hat, würde ich seine Arbeit unnötig tilgen. Ich verbinde sehr viel mit der Firma Taylor, habe mittlerweile zwei dieser mittlerweile äußerst seltenen Räder (von 1936 bis 2001 stellten die 3 Brüder etwa 8.700 Räder her). Ich würde niemals auch nur einen Gedanken an eine Neulackierung verschwenden, nicht nur, weil ich damit den erheblichen Wert tilgen würde (allenfalls irgendein Amerikaner würde Applaus klatschen), sondern weil ich auch die Handlinierungen aus den Händen eines der Taylor-Brüder löschen würde.
Bei anderen Rädern kamen besondere Lacke zur Anwendung, die es heute schlicht nicht mehr gibt und die von modernen Lacken in ihrer Anmutung nicht annähernd nachempfunden werden können.
Beiträge wie der von Uglyripper wirken auf fachunkundige Neubesitzer wie Dammbrüche, nach denen die sich überlegen, ob sie nicht doch ihren Tatendrang mit einer Pulverbeschichtung kanalisieren dürfen, wo Räder, die sich doch alle als Gebrauchsgegenständen bewähren müssen, eben wie die unbedeutendsten Vertreter ihrer Art, also Toilettenhäuschen oder Gartengeräte, rein zweckmäßig behandelt werden dürfen.
Man kann ein Rad auch dann gebrauchen, wenn man auf eine Neulackierung verzichtet. Nichts spricht dagegen, die Lager zu fetten oder den Lack mit Konservierungswachs zu behandeln.