AW: Rennradtreff Hannover - Teil 2
Grüne Hölle, der Rückblick:
Zu Anfang der Rennradsaison überredete Poki mich bei einer gemeinsamen Fahrt auf der Hausrunde, ob ich nicht Lust und Zeit hätte, beim 140 km Jedermannrennen am Nürburgring
teilzunehmen.
Zwei 4er-24 Stunden-Teams und einige Starter halt über die lange Strecke, zusammengefasst in drei TUI Betriebssportgruppen.
Nach einigen Tagen Bedenkzeit war ich Feuer und Flamme und habe mit Poki, Rossi und Condal die Sache in einer spätabendlichen Aktion über das Internet klargemacht.
Nach und nach habe ich mich dann über die Strecke schlau gemacht, die berühmt-berüchtigte Nordschleife am Nürburgring.
Höhenprofile besorgt, Meinungen von anderen Radfahrern eingeholt („Nordschleife? Mit dem Rennrad?? Die Nordschleife ist NICHT fürs Fahrrad gemacht!!!“) und immer wieder mit Poki über unseren Wagemut gestaunt.
„Netterweise“ wurde von den Veranstaltern dann auch noch der Streckenverlauf geändert und so sollten es dann 150 km mit 3.000 Höhenmetern in sechs Runden werden.
Der Tag:
In der Nacht habe ich vor Aufregung schlecht bis gar nicht geschlafen, zwar lecker, aber nicht so reichhaltig wie gewünscht gefrühstückt und dann sind Poki und ich zum Fahrerlager direkt im
Grand Prix-Kurs gerollt und haben die beiden 24er-Teams getroffen.
Wir hatten jetzt noch knapp zweieinhalb Stunden Zeit fachzusimpeln, Condals neues Top-Bike zu bestaunen und am schlimmsten, die Nervosität zu bekämpfen.
Aber dann galt’s:
Das Rennen:
Pünktlich um 13:00 Uhr ging es los, erst die 150er des German Cycling Cups, dann unsere 150er-Gruppe, nach und nach dann die 75er, die 24-Stunden-Teams Rennrad und MTB.
Rennstrategisch völlig ungeschult, den Kurs nicht kennend und noch das Hochgeschwindigkeitsrennen in Hamburg vom vergangenen Sonntag im Hinterkopf bin ich losgedüst. Mein angedachtes Hinterrad von Daan (Sohn eines niederländischen TUI-Mitarbeiters) habe ich zwar schnell in der Startmasse verloren, aber fix ging es über den welligen
Grand Prix-Kurs und raus auf den ersten Abschnitt der Nordschleife und die erste sehr schnelle Abfahrt. Massen von Fahrern rechts und links und ganz besonders an der ersten richtigen „Wand“ nach ca. 3 Kilometern:
aus der Abfahrt heraus ging es direkt in einen sehr steilen Anstieg, alle Fahrer noch mit einem sehr hohen Gang unterwegs und oben auf der Kuppe fast stehend (Hocheichen?).
Danach kurz ausruhen, denken „Junge, Junge, was war das denn?“ und die beiden folgenden absolut genialen Abfahrten genossen (Fuchsröhre!). In einer der sechs Runden habe ich hier meine persönliche Höchstgeschwindigkeit auf 91,23 km/h gesteigert.
In Breidscheid nach der Abfahrt der nächste Knaller, wieder eine fiese Wand, wieder fast alle auf dem falschen Gang erwischt und im Wiegetritt das Rad hochgewuchtet.
Mit brennenden Schenkeln und Puls bei 175 wieder Fahrt aufgenommen. Genauso schnell aber wieder Fahrt verloren, der lange Anstieg Bergwerk, Kesselchen zum Karussell folgte und danach die berühmte Hohe Acht mit bis zu 18% Steigung.
Als ich oben war, kamen kleinliche Gedanken, ob man das tatsächlich sechs Runden hintereinander durchhalten kann.
Schnell verdrängt und dann auf in die nächsten zehn Kilometer bis zum Start/Ziel. In einer sich immer wiederholenden Abfolge von Abfahrten und Steigungen ging es in kleinen Gruppen bis zum letzten Anstieg vor der Einfahrt in den
Grand Prix-Kurs, der von Runde zu Runde länger und steiler wurde…, dann endlich die erste Zieldurchfahrt, Zeit 45:36 laut offizieller Zeitnehmung.
Trotz der tollen Zeit war es nun soweit, dass ich mir ernsthafte Gedanken um den weiteren Rennverlauf machen musste!
In dem Tempo konnte es nicht weitergehen, das war klar; die brennende Sonne und die Bruthitze zeitweise auf der Strecke kamen noch hinzu.
Richtige Gruppen waren auch nicht zu finden, also war der Schlachtplan nun folgender: auf eigene Faust und mit mir genehmen Tempo weiter.
Diese Entscheidung war für die folgenden Runden richtig, ich war natürlich nicht mehr so schnell und habe in den Runden zwei bis fünf auch kurze Verpflegungsstopps hinter der Hohen Acht zum Trinken und Auffüllen der Wasserflachen gemacht.
Die Rundenzeiten wurden immer langsamer, meine Muskeln brannten und brannten, zuweilen war mir jede noch so kleine Welle zuwider.
Obwohl man an den Anstiegen immer wieder etliche andere Fahrer überholte, fühlte man die eigene Geschwindigkeit als unglaublich langsam. Insbesondere als nach 92 km mein Tacho den Geist aufgab hatte ich überhaupt keine Kontrolle mehr und bin einfach nur noch hochgekurbelt.
Aber jede Zieldurchfahrt hieß auch ein Gel nehmen, die Rückentasche leerte sich immer mehr und wie schön war es, das letzte Gel aus der Tasche zu ziehen!
Nun war es soweit, das letzte Mal die donnernden Abfahrten, das letzte Mal das Trikotfarbenmeer am langen Anstieg, das letzte Mal mit unglaublicher Anstrengung die Hohe Acht hoch und dann nur noch zehn Kilometer bis zum ersehnten Ziel!
In der fünften Runde in der Auffahrt zum Bergwerk habe ich das erste Mal Daans Trikot erblickt und bin zu ihm herangefahren. Mit einem fröhlichen „Huup Daan, Huup!“ habe ich ihn aufgefordert mir zu folgen und gemeinsam sind wir bis zur Verpflegungsstation hoch.
Daan habe ich dort im Gewusel schnell verloren, u.a. auch weil ich diesmal eine Miunte länger als vorher Pause machte um den schmachvollen Zwischenstand von Werder in Hoffenheim zu hören. Das 1:4 bescherte mir natürlich keine leichten Beine, den Daan habe ich dann erst an fast der gleichen Stelle am Anstieg in der letzten Runde wieder erwischt.
Diesmal haben wir beide nur schnell zwei, drei kleine Cola-Becherchen getrunken und sind zusammen los. Er hat mich in den Abfahrten heruntergezogen, ich ihn an den Anstiegen hoch und in der einzigen relativ flachen, langen Geraden mit Gegenwind habe ich ihm auch noch Rückenwind geboten, wusste ich doch, dass ich diesem austrainierten Burschen im Zielsprint kein Paroli mehr bieten würde können.
Und dann war es vorbei, geschafft, Ende Aus!
Was ein herrliches Gefühl noch einmal in Unterlenkerhaltung mit recht hoher Geschwindigkeit die Boxengasse entlang zu fahren, Daan im Ziel abzuklatschen und mit breiter Brust den Kurs entlang bis zum Fahrerlager, wo die herzlichen Glückwünsche der 24er auf Daan und mich herabprasselten.
Fazit: Unheimlich harte, heiße, unheimlich fordernde Veranstaltung, mit einem Kurs, den ich im Vorfeld völlig unterschätzt hatte.
Aber dann auch dieses süße Gefühl, was man nur für sich selber auskostet, wieder etwas geschafft zu haben, seine Grenze wieder weiter verschoben zu haben.
Fakten zum Rennen:
Distanz: 150 km
Höhenmeter: 3.000
Zeit Start/Ziel: 05:25.03 (Nettozeit wegen defektem Tacho leider nicht vorhanden)
Männerwertung: Platz 76 von 187 im Ziel gewerteten (über 400 gestartet)
(13:00 – 18:25 Uhr)
Wetter: ca. 30 Grad bei wolkenlosen Himmel
Rundenzeiten:
45:36 (ohne Pause Hohe Acht) --- evtl. drittschnellste TUI-Anfangszeit?
52:38 (kurze Pause)
55:30 (Pause)
57:24 (Pause)
58:53 (Pause verlängert und Werder-Schmach gehört)
55:02 (kurze Pause)
Gels: 5
Flaschen:
- zwei zum Start mit Powerbar-Getränk
- vier oder fünf unterwegs aufgefüllt
vertilgte Trinkbecher am Verpflegungsstand: ungezählt
Ganz herzlichen Dank an Poki für die tolle Organisation, Verpflegung, Fahrt, die tollen Tage und alles weitere, was mir auf die Schnelle nicht einfällt!
Vielen Dank auch an das gesamte TUI-Team für die nette Aufnahme in Euren Kreis. Es waren tolle Tage und es war faszinierend zu sehen, wie Ihr das 24-Stunden-Rennen angegangen seid!