In Deutschland gehören zur Schau getragene Dynamik und Leistungswille zu jeder Lebenssituation. Da muss dann auch der Radfahrer in der Fußgängerzone analog zum Autofahrer oder Motorradraser in "Platz da, Ihr Taugenichtse! Hier kommt ein wichtiger Leistungsträger, der es selbstverständlich eilig hat, und dem auch das Recht gebührt, Euch zur Seite springen zu lassen …"-Manier daherkommen. Dazu passt irgendwie auch das zur Schau getragene Joggen in der belebten Innenstadt, obwohl es für Viele zum Grüngürtel am Stadtrand oder in den Wald auch nicht weiter ist. In Düsseldorf gibt es Fitnesscenter, die sehen aus wie ein riesiges Aquarium, die Trainierenden präsentieren sich hinter Glas an der Flaniermeile; sehen und gesehen werden, auch bei der körperlichen Betätigung.
In den Niederlanden ist das Fahren in vielen Fußgängerzonen erlaubt, aber selbstverständlich fährt man dort gemäßigt und rücksichtsvoll. Natürlich kommt so ein Holländer auf seiner Fiets nicht so dynamisch-lifestylemäßig über, wie jemand, der mit Stummellenker-Fixie täglich neue innerstädtische Bestzeiten herausfährt. Trotzdem ist es doch wohl die allgemeine Erfahrung, dass die rücksichtslosen Radler egal ob in Berlin oder der Kleinstadt die absolute Ausnahme sind.
Ansonsten lassen sich durch strikte Trennung mit Prioritäten zugunsten des Radverkehrs mögliche Konfliktherde zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern gleich im Voraus verhindern. Wenn dem Radverkehr wirklich ernstzunehmender Respekt entgegengebracht wird, der sich vor allem in Taten äußert, wie z.B. in Dänemark dann würde auch verschärfte Beachtung der StVO durch Radfahrer durch die Ordnungsmacht mit einer gewissen Berechtigung eingefordert werden können. "Schwarzfahrer", also unbeleuchtete Radler, sind im dichten Stadtverkehr nun mal ein Sicherheitsrisiko, erst recht, wenn sie sich auch noch einen Dreck um die weiteren Verkehrsregeln, Ampeln etc. scheren.
Bei uns jedoch, wo die Situation für Radfahrer sich überwiegend durch unausgegorene und halbgebackene Regelungen, die in jeder Stadt anders umgesetzt werden, auszeichnet, sind es viele papiererne Gesetze doch gar nicht wert, überhaupt beachtet zu werden. Ich bin auch ziemlich sicher, dass viele der Willkür-Vorschriften allein schon aus Sicherheitsgründen vor Gericht keinen Bestand haben würden. Man schaue sich doch auf YT nur den Beitrag über den Radweg in Hamburg an, die vielen Fotos von Nonsense-Behördenentscheidungen, die vielen täglichen Beobachtungen von Viel-Radfahrern hier und un anderen Foren. Bis auf wenige Städte und Regionen, die wenigstens
guten Willen zeigen, ist der Radfahrer doch nur ein ungeliebtes Stiefkind, dem man durch Drangsalierung die Energie nehmen wil.
Hier: Anwohner fürchten um ihre Privilegien bzw. haben Angst vor Zeitverlusten auf 1 km.
Hier: Geländegängigkeit gefragt.
Hier: Reinigung "demnächst"
Hier: In einer der reichsten Städte der Region fehlt leider das Geld für eine sinnvolle Radroute
Das sind zwar alles nur Beispiele für Alltagsradeln, betrifft also sowieso weder Rennrad- noch MTB-Fahren, gibt aber einen kurzen Querschnitt über Situation und Akzeptanz bei uns. Ich begrüße Radwege auf ehemaligen Bahntrassen übrigens überhaupt nicht, sondern fände es besser, wenn dort wieder Zugverkehr stattfände, der in einer Zeit des Umdenkens und der steigenden Spritpreise wieder mehr Pendler von der Straße auf die Schiene brächte. Wenn irgendwann in den 90er-Jahren ein paar Bahnchefs im Zuge irregeleiteter politischer Vorgaben der Meinung waren, solche Strecken rentieren sich nicht mehr und müssen stillgelegt werden, so muss das doch kein Verdikt für die Ewigkeit sein. Auf vielen solcher Strecken wird inzwischen von privat betriebenen Bahnen wieder ein erfolgreicher Zugverkehr aufgestellt, das könnte auch für andere Regionen überdenkenswert sein. Der Anteil der Reisenden in den ICE-Vorzeigeprojekten ist im Vergleich zu den täglichen Pendlern verschwindend gering, nicht aber das Investitionsvolumen der Bahn. Leider gibt es im ÖPNV auch noch genug Nachholbedarf für Rad/Bahn-Kombinierer: Nur ein winziges Fahrradabteil, was meist überfüllt ist und sich obendrein üblicherweise neben der notorisch defekten (=wegen Verstopfung überlaufenden und deshalb bestialisch stinkenden) Toilette befindet, dafür aber mehrere fast völlig leere Erste-Klasse-Waggons, die sinnloserweise mitgeführt werden (so selber über viele Jahre hinweg täglich auf dem Weg nach Düsseldorf erlebt).