...nun denn.
Nach nochmaligen lesen denke ich zwar, dass der Artikel sich selbst erklärt, aber ich versuchs mal anders.
Eine kurze Fassung:
-für Fahrradfarben der Hersteller gibt es kein zentrales Archiv
-alte Lacke lassen sich nicht mehr zu hundert Prozent reproduzieren - alles was wir erreichen ist ein möglichst guter Beschiss der visuellen Wahrnehmung für den Moment unseres Daseins.
und eine für den nichtmüdewerdenden Leser:
1. alte Fahrräder
von was reden wir? 1880, 1920, 1950, 1980?
Wirklich alte Räder werden nicht neu lackiert sondern museal konserviert, mittelalte ausgebessert oder gesichert, hoffnungslose Joungtimer nach eigenem Geschmack mit aktuellen Arbeitsmethoden neu beschichtet.
2. das Lackmaterial
Nitrozelluloselack, Kunstharzlack, Acryllack oder aktuelle Wasserbasislacke?
Weder die Lackiertechnik noch die Lackbeschaffenheit vergangener Epochen wird aktuell irgendwo angeboten. Gesundheitsgefährdende Bestandteile (beispielsweise Cadmium) wurden ersetzt, sind aber eigentlich vom Ergebnis unersetzbar, so wie Tofu kein t-bone Steak ersetzen kann. Das Problem kennt jeder Besitzer eines zu lackierenden Gios oder Bianchi und da sind erst 30-40 Jahre ins Land gegangen.
Glasurit bezieht seine Lackpigmente von BASF aber welcher Fahrradhersteller benutzte Lacke von
Glasurit und nicht lieber von
Standox, Sickens oder
Nexa?
Franzosen doch eher
Dupont, Italiener
Lechler, Amis
Max Mayer und die Japaner?
Jede große Industrienation hat ihre eigene chemische Industrie; damit auch einmalige Pigmente und somit Farben.
übrigens: die im Bericht verwendeten 2K Lacke der Reihe 22 von Glasurit sind nur auf Antrag zu bekommen, da in Handwerk und Industrie seit geraumer Zeit nur wasserbassierende, lösemittelreduzierte Lacke eingesetzt werden dürfen, welche eine finale Klarlackschicht benötigen.
3. die Lackiertechnik
Einen großen Einfluß auf den endgültigen Farbton hat nicht nur das Stammaterial, sondern auch die Vorarbeiten und die Applikation der Farbe.
Bei Gios ist es z.B. u.a. der dunkelrote Tonfüller, der den unverwechselbaren Effekt erzeugt. Welche Pistole mit welcher Düsengröße, welcher Druck am Pistoleneingang, wieviele Farb-Schichten, wie war der Winkel und der Abstand der Pistole zum Objekt und wie war dieses selber ausgerichtet, wie schnell hat der Lackierer gezogen - all diese (nicht dokumentierten) Parameter beeinflussen die Farbwahrnehmung insbe. bei Metallic-Farbtönen.
Ein schöner Versuch dazu war vor ein paar Jahren in der Verbandzeitschrift F&K am Beispiel einer PKW-Tür Lackierung.
Gleiches Farbstammaterial (silbermet.), gleiche Lackierpistole mit ident. Parametern, zwei Lackierer je eine Tür.
Ergebnis: ein deutlicher Farbunterschied (hätte wohl kein Kunde so akzeptiert)
4. das Archiv
Wer hat denn Archive und wer ist Großabnehmer der Lacke?
Klar die Automobilindustrie und deren Zulieferer - um die ging es im Artikel. Manch einer hat es schon hinter sich; die frustrierende Mail nach bella italia und die Funkstille im Postkasten, wenn nach Details über ein Fahrradmodell angefragt wurde. Farbe ist eine Sache der Mode und daher sehr schnellebig. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat sich keiner in den kleinen Manufakturen die Mühe gemacht Farbrezepte zu dokumentieren, da man nicht davon ausgehen konnte, dass nach x-Jahren ein Zweiradnerd diese für sein Seelenheil braucht.
Farben sind je nach System entweder nach Herstellern oder Farbgruppen sortiert. Beides ist für den Fahrradbereich nicht vom schnellen Erfolg und es bleibt eine zeitintensive Suche/Abgleich mit anschließenden Farbmuster spritzen, erneutem vergleichen und abtönen.
Letztes Jahr konnte ich so einen Fall bei einem
Ferrari 250 GT swb begleiten, welcher dereinst als Austellungsmodell auf der amerikanischen Motorshow diente und im ungewöhnlichem blaumetallic eingekleidet war. Über den Farbenhersteller Max Mayer war das originale Lackrezept zu bekommen aber ob der nun lackierte Farbton den gleichen Effekt wie 1959 hat, wissen die Maranellogötter aber mehr konnte man nach Ermessen für die Authentizität nicht erreichen.
5. die Kosten
Da ein mobiler Farbabgleich beim Lackierer vor Ort mittels Spektrometer bei den runden Rahmenrohren ausscheidet, ist das im Bericht erwähnte Glasurit-Labor die scheinbare Alternative. Ich behaupte ganz frech, dass wenn ich als Privatperson an Glasurit (die mit dem prächtigen Ara als Logo) herantrete, werden die Kosten dafür sicher das wirtschaftlich Ertragbare übersteigen. Glasurit trat im Bericht wie ein Sponsor auf, der auch noch seinen Verfahrenstechniker für die Lackiervorbereitung zur Verfügung stellte ( über 100h Arbeitszeit bedeuten für die Heinkelkabine Lackierkosten von über 10.000€ plus Material und Labor!).
Das Ergebnis dieser Laborarbeit ist dann ein Farbton, der dem Muster im Glasuritarchiv am nächsten kommt aber nie der 100%ige originale.
Summa summarum bleibt alles wie es war...
