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LE 1000 DU SUD 2024

Für mich war der 1000-du-sud ein ganz großes Abenteuer. Und wie es bei Abenteuern oft so ist, hatte ich beileibe nicht in jedem Augenblick der Fahrt meine Freude. Wenn man aber die selbstgewählte Aufgabe erfolgreich absolviert hat, ist die Freude wieder sehr groß….

Für mich war es nicht nur der erste 1000-du-sud, es war auch die erste Fahrt mit entsprechenden Streckendimensionen. Der 1000-du-sud führt in 100 Stunden über 1.000 km und 20.000 Höhenmeter. Meine bis dahin längste Fahrt war 650 km und 9.000 Höhenmeter. Da war demnach eine massive Steigerung notwendig. Aber seit ich vor 3 Jahren das Buch „Tausend Kilometer Süden“ von Walter Jungwirth gelesen hatte, war die Teilnahme am 1000-du-sud einer meiner Radträume. Und ich finde es wichtig, sich auch in der Ü60-Klasse immer wieder auf neue Herausforderungen einzulassen.


Prolog
Die Ankunft im „Base Camp“ des Events war schon beeindruckend. Ein wunderschönes Gelände auf einem Provence-Hügel und eine nette Gemeinschaft von Radsport-Begeisterten, hauptsächlich Deutsche und Franzosen.
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Obwohl ich niemanden kannte, fühlte ich mich sofort aufgenommen. In immer neuen Runden wurden die gängigen Events der Langstrecken-Radszene wie diverse Brevets, das Transcontinental, Rad am Ring, etc. diskutiert. Ein häufiger Diskussionspunkt der Teilnehmer am Montag war allerdings auch das Wetter: Ich als Erst-Teilnehmer erfuhr, dass es beim 1000-du-sud bislang niemals ernstlich schlechtes Wetter gegeben hatte. Insofern wurden die Wettervorhersagen, welche von erheblichen Regenmengen für die kommenden Tage spruchen, mit gewissem Unglauben verfolgt.

Am Abend des Montag zauberte dann eine Catering-Crew ein tolles Abendessen, danach ging etwa die Hälfte der insgesamt gut 30 Teilnehmer um 20:00 Uhr auf die Reise.
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Ich hatte mich mit der zweiten Hälfte der Teilnehmer für den Start am nächsten Morgen entschieden und konnte mich somit noch mit einigen Gläsern Rosé vorbereiten.
 
Tag 1
Der Wecker klingelte um 05:45, es gab Frühstück und letzte Vorbereitungen wurden am Rad vorgenommen. Dann ging es um 07:00 Uhr an den Start. Der Himmel war blau, der Tag noch frisch und wir fuhren in kleinen Gruppen entspannt Richtung Nordwesten. Bei der Querung des Durance-Tals bei Manosque war der Verkehr etwas dichter, ansonsten waren wir auf kleinen Landstraßen mit minimalem Verkehr unterwegs. Ein erster Höhepunkt war dann die Montagne de Lure, gleich der höchste Punkt der ganzen Tour. Da der Gipfelbereich des Berges waldfrei ist, hat man eine tolle Sicht auf die Provence-Landschaft.
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Weiter ging es über eine Reihe von kleineren Pässen Richtung Norden. Gegen Nachmittat trübte sich der Himmel langsam ein und es war offensichtlich, dass eine Wetteränderung anstand. Gegen Abend fing es zum ersten Mal ernsthaft zu regnen an. Nach dem Regenradar war es aber ersichtlich, dass der heftige Regen nur ca. 2 Stunden andauern würde. Es war gerade eine akzeptable Bushaltestelle in der Nähe, so entschied ich mich dafür, den Regen auszuschlafen.
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Bis hierhin war ich immer wieder in wechselnden Gruppen unterwegs gewesen. Ab jetzt war ich meist allein unterwegs. Nach 2 h Schlaf war der Regen tatsächlich vorbei und ich fuhr erfrischt weiter in die Nacht. Von meinen wenigen längeren Brevet-Erfahrung her hatte ich erlebt, dass ich in der ersten Nacht so viel Adrenalin im Blut habe, dass ich im Grunde keinen Schlaf brauche. Von daher war der Plan, die Nacht im Wesentlichen durchzufahren.

Dies ging auch gut. Mit meinem Busch+Müller Scheinwerfer war ich bis dahin zufrieden, er gibt auch auf kleinen Waldsträßchen genügend Licht. Das ist auch wesentlich, da es auf diesen kleinen Straßen gelegentlich Hindernisse in Form von großen Steinen oder Ästen gibt, bei denen ein Überfahren zum Durchschlagen des Schlauches führen würde. Noch schlimmer ist das Wild, welches sich ja auch noch aktiv bewegt. Ich hatte auf der gesamten Tour nachts zweimal Rehe, zweimal Wildschweine, zwei Füchse und unzählige Katzen gesehen. Insbesondere vor den Wildschweinen habe ich großen Respekt. Eine Kollision mit einem Wildschwein auf einer einsamen Waldstraße brauche ich wirklich nicht….
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Schon gegen Morgen stieß ich durch Zufall auf eine schöne kleine Hütte und nahm hier noch eine Stunde Schlaf.

Somit war ich am ersten Tag mit 350 km gut vorangekommen.
 
Tag 2
So relaxed wie der erste Tag abgelaufen war, so lästig wurde der Zweite. Erst einmal fuhr ich aus den Bergen an die Isère und dort auf einem sehr gut ausgebauten Radweg Richtung Grenoble. Hier konnte man kurz auf gutem Asphalt im Auflieger bolzen. Kurz, da nach wenigen Minuten ein Rattern am Vorderrad einen Platten ankündigte. Normalerweise keine große Sache, allerdings fand ich die Ursache des Platten nicht. Im Reifen steckte nichts und auf dem schnurgeraden Radweg hatte es mit Sicherheit keinen Durchschlag gegeben. Nach einigem Suchen ob nicht doch ein versteckter Fremdkörper vorhanden ist, installierte ich mit schlechtem Gefühl einen neuen Schlauch. Aber der Schlauch hielt die Luft und die Ursache des Platten blieb ein Rätsel.
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Dann ging es in den Endspurt Richtung Grenoble und hier in ein sehr lästiges Industriegebiet in welches ich mich auf der Suche nach einem Sporthändler begab um einen weiteren Schlauch zu kaufen. Außerdem irrte ich einige Zeit durch die Gegend um Lebensmittel nachzukaufen. Ich hatte das Gefühl, viel Zeit unproduktiv zu verlieren.

Dann ging es nochmals ein letztes Mal nach Norden. Es war inzwischen Nachmittag und es gab immer wieder stärkere Regengüsse. Gegen Abend kam ich in die Region des Lac-du-Bourget, des nördlichsten Punktes unserer Fahrt.
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Der letzte Pass vor dem See zog mir dann endgültig den Stecker für den Tag. Die Auffahrt zum “Belvédère du Mont du Chat“ begann mit einer 12% Rampe. Ich dachte, das wird nach der nächsten Kehre vorbei sein, aber das war es nicht. Der gesamte Aufstieg blieb bei dieser Steigung. Irgendwann war ich kurz vorm Schieben. Letztlich kam ich mit letzter Kraft am Aussichtspunkt an. Ich hätte eigentlich an diesem Tag noch viel weiter fahren wollen, jetzt aber war klar: da geht nichts mehr! Es war inzwischen 19:30 Uhr und ich fuhr, so schnell ich bei der Kälte noch konnte auf einer steilen Abfahrt ins Tal um an den See zu kommen und nach Möglichkeit kurzfristig ein Hotel und ein Restaurant zu finden.

Das lief dann wieder geschmeidig: Die Google-Maps-Suche fand ein geeignetes Hotel. Die junge Frau an der Reception war sehr entspannt, als ich nass, zittern und verdreckt mit einem noch viel schmutzigeren Rad vor der Tür stand und auch noch das triefende Rad mit auf das Zimmer nehmen wollte. Da sind die Franzosen echt gelassen.
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Auch in dem ansatzweise schicken Restaurant, in dem ich wenig später einlief war es kein Problem mit Radhose, Knielingen, Radschuhen und Shakedry-Jacke Platz zu nehmen. Dort hatte ich dann ein tolles Menü mit einer Flasche Wein. Der Abend war gerettet und meine Laune wieder perfekt.
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Die Tagesleistung war durch die diversen Hindernisse allerdings nicht berauschend: Ich war nur 180 km gefahren. Das musste an nächsten Tag wieder anders werden. Wurde es auch, aber nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte….
 
Tag 3
Der Wecker klingelte um 04:00 Uhr, da hatte ich immerhin 5 Stunden geschlafen. Die gewaschenen Kleidungsstücke und das aufgeladene Elektronik-Equipment waren über das ganze Zimmer verteilt und mussten neu sortiert werden. Natürlich war alles noch nass, als ich es anziehen musste. Um 05:00 Uhr ging es los. Ich trat vor die Hoteltür und es empfing mich strömender Regen. Ein Blick auf das Regenradar zeigte, dass Abwarten wenig Sinn machen würde, also fuhr ich trotzdem los. Die Fahrt erreichte hier ihren nördlichsten Punkt und drehte wieder nach Süden. Es gab eine relativ einfache Auffahrt zum Aussichtspunkt eines Skigebietes. Normalerweise hätte man von hier einen grandiosen Blick auf das Tal und den See. In der Realität sah man vielleicht gerade 100 m weit.
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Schlimm wurde es in der Abfahrt: der strömende Regen und die Höhe sorgten für schnelles Auskühlen des Körpers. Zeitweise musste ich ziemlich langsam fahren, da ich das Ausschlagen des Rades, verursacht durch das Zittern des Körpers, kaum noch beherrschen konnte. Nach gefühlten Ewigkeiten sah ich beim Durchfahren eines Dorfes eine Bäckerei und hielt an, um mich zu versorgen. Kaffee gab es leider keinen, aber die junge Frau an der Theke erkannte meinen Zustand und bot mir an, die gekauften Teilchen im warmen Laden zu essen und mich somit wieder aufzuwärmen. Nach Abschluss der Tour habe ich mitbekommen, dass hier nach mir noch mehrere weitere Fahrer „gerettet“ wurden. Aufgewärmt ging es zurück in den strömenden Regen.
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Gegen Mittag ein weiterer Versuch des Aufwärmens im Restaurant einer Kleinstadt. Auch hier war viel Provinzschick zu sehen und wiederum wurde ich trotz meines inzwischen desaströsen Zustands gerne in den Gastraum gebeten. Ich saß dann erst einmal glücklich im Warmen und dachte mir, dass ich den Stil in diesem Restaurant doch massiv nach unten ziehe. Dann sehe ich zwei Tische weiter und dort saß ein Typ in langer Unterhose. Wir erkannten uns sofort: Ein weiterer Teilnehmer, der hier gestrandet war, das 100 h Ziel aber aufgegeben hatte und und für die Nacht in dem Restaurant und zugehörigen Hotel bleiben wollte.

Ich fuhr nach einem guten Essen weiter. Letzten Endes regnete es 12 Stunden durch.

Am frühen Abend wurde der Regen weniger und hörte dann ganz auf. Jetzt kam aber der nächste Schreck: Mein Scheinwerfer machte Probleme. Nach kurzer Prüfung war offensichtlich, dass durch die massiven Regenfälle Wasser eingedrungen war. Der Scheinwerfer flackerte und zeigte mehrere Mucken, versagte seinen Dienst aber zum Glück nicht vollständig. Als Backup hätte ich noch eine Stirnlampe gehabt, allein mit deren Licht wäre ein Fahren durch die Nacht jedoch mühsam geworden. So fuhr ich noch ein paar Stunden durch die Dunkelheit und fand dann am Ufer eines Sees einen sehr schönen Rastplatz unter dem Vordach einer Bootsvermietung. Geplant waren 4 Stunden Schlaf, aber ich war bereits nach 2,5 Stunden wieder wach. Deshalb ging es dann auch gleich weiter.

An diesem Tag hatte ich trotz des Regens 260 km gemacht.
 
Tag 4
An diesem Tag sollte die Fahrt zu Ende gebracht werden. Ich war nervös, da immer noch über 200 km mit vielen Höhenmetern zu fahren waren.

Am Ende war es dann doch recht entspannt. Es war morgens noch kalt, aber der Regen hatte sich verzogen und die Sterne waren zu sehen. Dann wurde es sonnig und warm und die Fahrt über die letzten Pässe nach Süden war landschaftlich wunderschön und ein Genuss.
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Gegen Schluss entschied ich mich dagegen, noch eine Schlafphase einzulegen, sondern durchzuziehen. Erstaunlicherweise war Gasgeben nochmals möglich und ich kam mit der Hilfe mehrerer Powernaps um 23:00 Uhr zum Camp zurück.

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Dort gab es dann Pizza, Bier und Rosé und die Fahrt fand ihren würdigen Abschluss.


Nachsatz


Am Tag nach der Ankunft gab es noch ein sehr nettes Campleben im Base Camp. Es gab schon zum Frühstück Bier, letzte Ankommende wurden begrüßt und den ganzen Tag über konnten wir die Erlebnisse der Teilnehmer austauschen. Am Abend wurde dann gemeinsam noch ein letztes großes Essen gekocht. Dann zerstreute sich die Gruppe der Teilnehmer wieder in alle Richtungen.

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32 Teilnehmer waren gestartet, 20 sind ins Ziel gekommen, 14 davon in 100 Stunden.

Einige fahren jedes Jahr. Ich kann mir auch gut vorstellen, 2025 wieder dabei zu sein
 
Wau 🙏
Wenn die Ortlieb Taschen glänzen, wie mit Lack überzogen, kein gutes Zeichen ….
Schön geschrieben, danke fürs Mitnehmen.

Nachtrag, ups, waren keine von Ortlieb, änder nix am Lack an der falschen Stelle ;)
 
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