Vielen Dank nochmal für die vielen Tipps und Gedanken!
Falls es irgendwem was bringt und um das hier zu komplettieren – so ist es mir beim ersten Versuch ergangen:
Beim 600er im Emsland war es am Wochenende so weit. Wunderte ich mich am Start noch, ob das alles Menschen ohne Bedürfnisse sind, verstand ich bald, wieso die meisten fast nichts am Rad hatten. Das Brevet trägt ja auch den Titel "Die Acht von Lohne", weil es nach 300 km nochmal am Start entlang geht. Für mich hatte das als "Notausstieg" eine Rolle gespielt, falls ich nach der Hälfte fix und alle wäre… aber an die Option, dort im Auto Schlaf-, Wasch- und Wechselsachen zu deponieren, hatte ich gar nicht gedacht. Für mich wäre das auch gar nicht gegangen, weil ich vorher und nachher 15 km entfernt untergekommen war und mit dem Rad zum Start gefahren bin.
Was ich dabei hatte (in der erwähnten Arschrakete): Decathlon-Sommerschlafsack, Ultralite-Bivi statt Rettungsdecke, und als Neuerwerbung eine Uberlite Matte. Regensachen und Randonneurs-Badezimmer (halblange Zahnbürste, Sonnencreme, Anti-Mücke…) fanden da auch noch Platz.
Ich war alles andere als perfekt ausgeruht angereist und dafür dann wohl auch noch zu flott gestartet… zu verlockend, im Peloton durch Holland zu fliegen. Die Quittung bekomme ich schon bei Kilometer 150 bis 220 km in Form eines sehr dunklen, tiefen Tals, in dem einfach nichts mehr gut ist… da denke ich schon, ich hätte mir das mit dem Schlafzeug auch schenken können, weil ich es kaum noch nach Lohne zurück schaffe. Aber eine ordentliche Portion Frittjes, eine große Cola und ein netter Mitfahrer bringen mich wieder auf die richtige Bahn: In Lohne kommen wir zwar als gefühlt oder real letzte um kurz vor 23 Uhr an, aber mir geht's tatsächlich wieder gut und ich mache mich an die zweite Hälfte. Mein Mitstreiter haut sich allerdings hier aufs Ohr, also geht es nach einem Nudelteller allein in die Nacht.
Ich hatte mir vorher eine Hütte bei etwa 400 km ausgeguckt. Als mir dämmert (haha), dass es bei meiner Ankunft dort wohl schon hell sein würde, kommen mir daran etwas Zweifel. Wäre es nicht besser, noch im Dunkeln...? Als ich den Gipfel eines kleinen Anstiegs irgendwo bei Kilometer 355 erreiche und eigentlich nur zur Pinkelpause hinter einen Busche treten möchte, verbirgt sich dahinter eine Hütte. Ein Zeichen? Ich bin nicht sicher, ob ich müde genug bin, aber immerhin ist jetzt noch Nacht und die Fahrt sollte doch anstregend genug gewesen sein… ich breite mein Zeug aus, verzichte dank ausreichend isoliertem Holztisch und genannter Zweifel aber auf die neu erworbene Matte. Und kann nicht schlafen. Was nicht am harten Tisch liegt, sondern am Kopf… der will einfach noch nicht. Liegen ist natürlich trotzdem angenehm, aber nach einer knappen Stunde breche ich das Experiment ab und in den sich ankündigenden Tag auf.
Die Müdigkeit kommt nach der nächsten Kontrolle… und zwar genau dort, wo ich mir diese Hütte ausgeguckt hatte
Wieder nehme ich nur den Schlafsack, ohne Matte: Ich habe ja schon eine gute Stunde vertrödelt und will mir nun das Aufblasen/Einrollen sparen. Ich weiß nicht mehr, wie spät ich den Wecker stelle, aber ich schlafe sofort ein und werde nach ungefähr einer Stunde wieder wach. Das wird vielleicht nicht reichen, aber im Moment fühle ich mich gut.
Tag zwei wird schnell drückend warm, und im Teutoburger Wald gibt es nun auch ein paar Höhenmeter zu bezwingen. Irgendwann werde ich wieder langsam, und manchmal deutlich müde. Aber die Gegend ist mit vorbildlichen Bushaltesten mit Bank und Dach gesegnet: Drei (oder vier?) mal stelle ich mir den Wecker auf 15 Minuten, Cap ins Gesicht und Augen zu – das Schlafzeugs bleibt dazu natürlich in der Tasche. Immer bin ich vor dem Wecker wach, und immer bin ich danach sowohl im Kopf wieder klar als auch etwas flotter unterwegs. Insgesamt bin ich zwar irgendwann wieder so lahm wie während meines Tiefs am Vortag, aber jetzt bin ich sicher, dass ich es auf jeden Fall zu Ende fahren kann. Und so kommt es: Um 20:45 Uhr landet meine Brevetkarte im dazu vorgesehen Briefkasten… vermutlich als eine der letzten, vielleicht auch die letzte. Immerhin habe ich so noch einen ordentlichen Regenschauer kurz vor Schluss genießen dürfen
tl;dr – oder was habe ich gelernt:
- "Schlafen wenn müde" ist der weitaus bessere Grundsatz als "Schlafen wenn dunkel / wenn gute Gelegenheit". Bei der Durchfahrt in Lohne habe ich das befolgt, bei der Überraschungs-Hütte leider nicht.
- Ohne den Schlafsack hätte ich nachts und am frühen Morgen nirgends liegen wollen… und das war mit ca. 12 Grad keine kalte Nacht.
- Hätte ich mir den Versuch an der plötzlich auftauchenden Hütte geschenkt, wäre ich eine Stunde eher an der geplanten Hütte gewesen… dann hätte ich die Matte benutzt und vielleicht länger geschlafen, was vielleicht für den ganzen Tag gereicht hätte.
- Der kurze richtige Schlaf war aber kein Problem, weil die 10-Minuten-Nickerchen super funktioniert haben. Zweifel an meiner Fahrtüchtigkeit (im Sinne von Verkehrssicherheit) hatte ich zu keiner Zeit.
- Die Uberlite kam nicht zum Einsatz, weil die Auf/Abbauzeit eine Hürde darstellt. Sie frisst aber kaum Platz/Gewicht und würde nochmal mitkommen… mit den gemachten Erfahrungen würde ich die Zeit halt dann nach ca. 400 km investieren oder wann immer die erste große Müdigkeit kommt.