AW: Hartz 4 und Rennrad
Ich höre immer seine Klagen und kann da wirklich nur den Kopf schütteln.
Was einige Unternehmen und sogar Behörden für "Ideen" haben, ist mir absolut unbegreiflich.
Neulich hatte er bei einer Behörde ein Vorstellungsgespräch in Offenbach/Main. Er wird seinen Abschluss halt erst im Juli in den Händen halten. (die Abschlussnote war völlig irrelevant für die Stelle, obwohl absehbar ist, dass er nichit gerade mit 4 abschneiden wird).
Das Vorstellungsgespräch verlief in etwa so:
- ihm wurde gesagt, er sei nicht sofort verfügbar und das ist schonmal ein Problem, denn ohne Diplom stellt eine Behörde nicht ein.
Da frage ich mich doch, ob die noch nie was von Kündigungsfristen gehört haben. Wenn er einen Job hätte, müsste er den auch erstmal kündigen und hätte eine Frist zu beachten. So gesehen sind nur Arbeitslose "direkt frei". Und widerum Arbeitslose möchten sie nicht, weil das ja im Allgemeinen nicht gut aussieht, wenn man arbeitslos ist. Also wie mans macht, macht mans falsch.
Auf die Gegenfrage meines Bruders, wie sie sich das so vorstellen, antworteten Sie ziemlich plump naiv: Man müsse halt schon vorher kündigen, damit man rechtzeitig frei ist. Aha.
Die Behörde lässt sich Zeit von Februar bis Ende April für die Vorstellungsgespräche und will mitte Mai sofort besetzen (ging nicht aus der Stellenanzeige in der Frankfurter Rundschau hervor). Also erwartet die Behörde in der Tat, dass ein arbeitender Mensch, der noch einen Job hat, schonmal vorzeitig auf Verdacht kündigt, damit er frei und verfügbar ist und zwar möglichst schonmal im Februar, zum Zeitpunkt zu der er die Anzeige liest, denn die Kündigungsfrist dauert ja gegebenenfalls ein paar Monate.
Ein anderes Unternehmen kam mir irgendwelchem Hamptidamptizeug, von wegen "Wieso haben Sie keine Berufserfahrung". Gut - er hat Praktika (sogar fachrelevante) gemacht. Aber das wollte das Unternehmen nicht als Berufserfahrung anerkennen - gut da kann man drüber streiten. Aber der Hammer war, dass das Unternehmen, bei dem er sich beworben hatte meinte: Da Sie keine Berufserfahrung haben, müssen wir jemanden anderen nehmen. Wir bieten ihnen ein unbezahltes Praktikum an, damit Sie erstmal Berufserfahrung in unserem Betrieb sammeln.
Ich zähle zusammen:
- relevante Praktika sind einerseits keine Berufserfahrung
- aber das Praktikum in DIESEM Betrieb zählt als Berufserfahrung
- das Praktikum ist unbezahlt
- dazu keinerlei definitive Aussicht auf irgendwas
- aber vorsorglich mal den noch derzeitig laufenden Studentenjob kündigen
- wie sollte er das Auto, das er für den Job braucht, im Rahmen eines unbezahlten Praktikas finanzieren
Auf die letztere Frage kam nur "Ja haben Sie denn keine Rücklagen?"
Bei einigen Unternehmen kann ich nur den Kopf schütteln, was diese mir völlig schleierhafte Personalpolitik angeht. Klar, es geht um absolut kurzfristigsten Gewinn und schöne Bilanzen. Was übermorgen ist, ist wurscht. Und ich bin sicher, in 10 Jahren heulen alle großen Unternehmen wieder herum, es seien nicht genug qualifizierte Fachkräfte am Markt. Aber dass sie heute selbst niemanden ausbilden, den Leuten keine Chance geben und zu dieser Problematik beitragen, interessiert sie nicht.