AW: Gebt ihr mir euren letzten Schlauch?
Sagen wir es mal so: Ich kann beide Varianten verstehen.
Normalerweise würde ich auch helfen - mittlerweile aber nicht mehr jedem x-beliebigen Panneur. Das hängt von Augenmaß und Menschenkenntnis ab. Mir selbst hat bei meinen Pannen (mit dem Auto, denn mit Fahrrädern habe ich eigentlich keine) übrigens noch nie jemand geholfen, den ich nicht persönlich kannte und eigens dafür bemüht hatte.
Die Krönung war vor zwei Jahren ein Möchtegern-Hippie-Pärchen, er mit lockerer Kurbel am frisch und viel zu teuer erworbenen Damenrad. Ich und ein Freund hielten an und schauten erstmal, was überhaupt "los" war, im wahrsten Wortsinne. Weil wir als Inbuskurbelschraubenfahrer natürlich keinen Schlüssel für die völlig lockere Sechskantschraube zur Hand hatten und der bereits arg verorgelte Kurbelvierkant, mit einer von unseren Schrauben ordentlich angeballert und anschließend wieder ohne die Schraube, nicht mal mehr die 8 km bis zur Stadt gehalten hätte, opferte ich schließlich eine von meinen Kurbelschrauben, denn meine Kurbeln sitzen ja vernünftig fest und halten zur Not auch eine Weile ohne Schrauben. Den gleichen Weg hatten wir sowieso und meine Wohnung lag praktisch gleich hinter dem Ortseingang, also keine große Sache. Ganz nebenbei waren wir mit den beiden Gestalten natürlich ins Gespräch gekommen und es stellte sich dabei heraus, dass wir alle am Abend dieses Tages zum gleichen Konzert wollten.
Frage des Hippies (rauchte die ganze Zeit Kette und wollte anfangs auch noch Kippen schnorren, wir sind aber Nichtraucher): "Was kriegst'n für de Schraube?"
Ich: "Keine Ahnung, vielleicht 80 Cent oder so. Is aber egal, denn ich hab daheim keine andere mehr und will morgen (Sonntag) wieder fahren, also kommt doch einfach mit zu mir. Wir ziehen dann deine originale Schraube mit passendem
Werkzeug wieder fest, ich baue meine wieder ein und gut ist."
Hippie: "Hmm. Können wir das nicht heut Abend beim Konzert irgendwie machen? Dann geb ich auch 'n Bier aus!".
Ich: "Nö, ist anders einfacher. Ich wohn gleich da vorne am Ortseingang, wir bleiben bis dahin einfach zusammen. Außerdem will ich nachher Musik hörn und nich Fahrradbasteln."
Die nächsten knapp 8 km sind wir so langsam wie noch nie in unserem Leben gefahren, damit die Hippies auch ja durchhalten und nicht ausgeglüht von ihren Rädern kippen. Also ECHT langsam, nicht nur für Rennradverhältnisse - wir reden hier von geschätzten 12 bis 15 km/h Topspeed. Dennoch fielen die Hippies immer wieder auffallend zurück. Wir warteten und bekamen dafür anfangs noch ein Lächeln, beim dritten Mal nicht mal mehr einen netten Blick. Und irgendwie haben die zwei es dann tatsächlich geschafft, sich unbemerkt in einen Waldweg zu verpissen. Wer abends nicht auf dem Konzert erschien, dürfte jetzt eigentlich schon klar sein...
Ganz ehrlich: Nicht erst seit dieser Sache neige ich in solchen Situationen ausnahmsweise zu sehr direktem Meinungsaustausch. Den Typen, der Euch nicht helfen wollte, hätte ich nach wenigen Sekunden am Kragen gehabt und dann erstmal seine Reaktion sehen wollen. Und meine Schraube hol ich mir persönlich zurück, wenn ich den Hippie jemals wiedersehen sollte - und wenn ich ihn dafür vom Rad kloppen muss.
Ein Händi habe ich übrigens nicht. Hatte ich nie und will ich auch nie.