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Brevetberichte

@schibiker
Auch wenn ich nichts davon halte, gerade so einen Brevet als Rennereignis durchzuziehen -
wo bleiben die tollen Begegnungen mit den einheimischen Menschen am Straßenrand die sich freuen den Menschen Kaffee und Kuchen anzubieten (ich werde einige Postkarten und Photos in die Bretagne zurückschicken); das Kennenlernen und Unterhalten mit Fahrern aus aller Welt -
so gibts dennoch meinen Respekt vor dieser Leistung die unsupported erbracht wurde. Ich habe mir etwas mehr Zeit gelassen und konnte schon an den letzten Kontrollstellen Zeitungsberichte lesen von einem Deutschen der das ganze in 42h geschafft hatte
Sehe ich genau so.

Je mehr ein Brevet oder Randoneurveranstaltung als Rennen oder Rennvorbereitung gesehen wird, desto eher wird der (Grund-)Gedanke dahinter verschwinden. Es gibt genügend andere Rennveranstaltungen.

Ist dem schnellsten seine Zeit überhaupt anerkannt worden?
Ich Frage u.a. deswegen:
Whatever the time of arrival, a brevet ridden in less than 43h56 will not be homologated (this corresponds to an average speed of 28km/h).
 

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Re: Brevetberichte
Je mehr ein Brevet oder Randoneurveranstaltung als Rennen oder Rennvorbereitung gesehen wird, desto eher wird der (Grund-)Gedanke dahinter verschwinden.

Irgendwie werde ich hier in den letzten Tagen den Eindruck nicht los, dass die Randonneure auch nicht viel toleranter sind als der Rest der Bevölkerung. Ob hier oder auch im LEL 2017 Thread gibt es Beiträge die den "einzig wahren Audax Gedanken" hochhalten und wahren wollen. Aber meiner Meinung ist dieser Gedanke garnicht so exakt festgelegt wie manche meinen und lässt sehr viel Spielraum zu...

Also warum nicht mal über den Rand des eigenen Tellers drüberrausschauen - da gibt es noch viele andere Teller die das gleiche Essen drauf haben ;)
 
Irgendwie werde ich hier in den letzten Tagen den Eindruck nicht los, dass die Randonneure auch nicht viel toleranter sind als der Rest der Bevölkerung. Ob hier oder auch im LEL 2017 Thread gibt es Beiträge die den "einzig wahren Audax Gedanken" hochhalten und wahren wollen. Aber meiner Meinung ist dieser Gedanke garnicht so exakt festgelegt wie manche meinen und lässt sehr viel Spielraum zu...
Eigentlich nichts neues, den Eindruck habe ich schon seit mehreren Jahren.
Ganz davon ausnehmen kann ich mich auch selbst nicht, wenn ich aufwendigen Support durch eigene Helfer an den Kontrollstellen nicht als Brevetfahren empfinde. Es ist aber zumindest nicht gegen die Regeln.

Ist dem schnellsten seine Zeit überhaupt anerkannt worden?
Ich Frage u.a. deswegen:
Whatever the time of arrival, a brevet ridden in less than 43h56 will not be homologated (this corresponds to an average speed of 28km/h).
Im deutschen Dossier zu PBP 2015 habe ich dazu im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen nichts gefunden.
Dort sind für die 80h-Gruppe 43h56min, für die 90h-Gruppe 49h und die 84h-Gruppe 45h30min als Öffnungszeit im Ziel angegeben. Während für die 90h und die 84h diese und auch alle Öffnungszeiten an den Kontrollstellen einzuhalten sind gilt dies für die 80h-Gruppe nicht.
Bei der Tabelle der Öffnungs- und Schliesszeiten steht dort: "Öffnungszeiten: Daten sind informatorisch (es ist möglich früher anzukommen)"
 
Hallo schnelltreter,

Irgendwie werde ich hier in den letzten Tagen den Eindruck nicht los, dass die Randonneure auch nicht viel toleranter sind als der Rest der Bevölkerung. Ob hier oder auch im LEL 2017 Thread gibt es Beiträge die den "einzig wahren Audax Gedanken" hochhalten und wahren wollen. Aber meiner Meinung ist dieser Gedanke garnicht so exakt festgelegt
Deswegen hat jeder seine Vorstellung. Ich finde es auch nicht schlimm, unterschiedliche Ansichten zu haben.

Grüße
Andreas
 
Wie gesagt, es gibt genug andere Veranstaltungen und Rennen. Mit Zeitnehmung, mit echten Rennrad Fahrer bzw. Leistungssportler.

Wenn man bei einem "Nicht als Rennveranstaltung ausgeschrieben" Veranstaltung das Regelwerk bemühen muss, dort nach Lücken sucht und dabei alles der Zeit unterordnen will, hat meiner Meinung nach den Sinn "dieser" Veranstaltung bzw. den Gedanken dahinter (manche meinen auch Spirit, Geist, Elan etc.) nicht so ganz verstanden (verinnerlicht ;-).

Wenn dann auch noch mehr Kontrollen notwendig bzw. gefordert werden, dann wird das sowieso ad absurdum geführt.
Aber es ist halt wie bei jeder (Massen-)veranstaltung bzw. im Leben; wo Menschen auf andere treffen oder je mehr daran beteiligt sind, desto wahrscheinlicher wird es, dass einer/ein paar wenige/viele die Angelegenheit anders sehen und/oder auch schummeln oder betrügen wollen.

Darüber sachlich zu diskutieren halte ich jedoch für legitim bzw. das Ganze (wieder einmal) zur Sprache zu bringen.

Außer der Masse an Teilnehmern (PBP) samt der Kommunikation mit verschiedensten Radfahrer aus verschiedensten Kulturkreisen kann man dieses Erlebnis auch anders genießen. ZB in dem man eine Tour durch fremde Länder unternimmt, sich die Zeit einteilt, das Wetter mitberücksichtigt und je nach Lust und Laune auch mal an einem Ort länger zu verweilen. Auch mit Menschen die man unterwegs getroffen hat. Und das ohne Teilnahmegebühr ;-).

Wie gesagt, jedem das Seine.
 
From Dawn til Dusk
288km zwischen Pfalz, Elsaß und Odenwald

Die Idee, den Sonnenaufgang auf der Kalmit im Pfälzerwald mit dem Sonnenuntergang auf meinem Hausberg Königstuhl in Heidelberg auf einer Tour zu verbinden, habe ich schon einige Jahre im Kopf. Nun kam der Sonnenaufgang beim 5-Stoppomaten-Brevet diesen Juli für mich dummerweise rund 25km zu früh, also lange, bevor ich den Kalmitgipfel erreicht hatte. Jetzt sollte es endlich klappen - ein Tag frei, perfektes Wetter und einen Sonnenaufgang erst um kurz vor halbacht.

Um 3:05 meldet sich der Wecker. Mit Frühstücken und Verstauen der Klamotten bin ich doch mal wieder länger beschäftigt als erwartet. So sitze ich um 4:28, gut 15min später als geplant, auf dem Rad. Gleich hinter Heidelberg habe ich dann erstmal eine Schrecksekunde. Ich nehme auf der völlig leeren Straße doch den begleitenden Radweg. Einen Augenblick später kommt mir dort ein immerhin beleuchteter Radler entgegen. Ich kann es gar nicht fassen, dass sein Licht konsequent genau auf mich zu hält. Schließlich kommt er abrupt und völlig verschreckt einen knappen Meter vor mir zum stehen und ist jetzt aus seiner Trance erwacht. Ich habe ihm dann noch ein paar Nettigkeit an den Kopf geworfen. Danach dürfte er wohl wieder etwas nüchterner gewesen sein.

Gegen 5:30 setzt auf den Pfälzer Landstraßen langsam der morgendlich Berufsverkehr ein, aber nichts, was stressig wäre. Etwas schade ist, dass ich die intensiver werdende Morgenröte nicht schon oben vom Gipfel aus anschauen kann. Es muss toll aussehen, wie aus Schwarz, Blau und dann Rot wird, sich langsam Details in der Rheinebene abzeichnen und die Lichter in der Dörfern verlöschen. Dieses Projekt muss ich vielleicht nochmal im Sommer angehen, wenn dort oben angenehmere Temperaturen herrschen. Ich radel bei nun doch schon fortgeschrittender Helligkeit die Kalmitstraße hoch - in durchaus leichtem Sportmodus, denn der Sonnenaufgang wartet ja nicht.

Um 7:16 bin ich oben, und freue mich, dass ich bei 7° meine Daunenjacke auspacken kann. Keine 10min später beginnt der glutrote Ball sich über den Horizont zu schieben. Nachdem dann die ersten wärmenden Sonnenstrahlen bei mir angekommen sind, stürze ich mich in die eiskalte Abfahrt. Dummerweise wird kurz darauf eine Straßensperre angekündigt. Sowas hatte ich schon vor Beginn des Anstiegs wahrgenommen, aber so interpretiert, dass es eine andere Straße betrifft. Würde ich besagten Abschnitt tatsächlich umfahren, würde das eigentlich zu einer komplett anderen Tour führen. Also versuche ich morgens um kurz vor acht mein Glück und fahre zu. Schließlich treffe ich auf mehrere LKW und Forstarbeiter, sage ganz unschuldig "Guten Morgen" und frage, ob's denn ein Problem wäre, wenn ich durchfahre. Osteuropäisch gefärbt kommt es zurück: "Nein, nein, ist nurr Aufrräumen. Kannst Du durrchfahren". Weiter unten ruft mir dann noch ein chefmäßig wirkender Mensch, der aus einem Jeep aussteigt, aufgebracht etwas hinterher, was ich leider überhaupt nicht verstanden habe:oops:.
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Unten im schattigen Elmsteiner Tal überzieht stellenweise Reif Wiesen und Autoscheiben, das Thermometer zeigt knapp unter 0°. Ich bin froh, dass es leicht aufwärts geht. Bis Hände und Füsse wieder aufgetaut sind, dauert es eine ganze Weile. Die Daunenjacke ziehe ich erst vor dem finalen Anstieg nach Johanneskreuz wieder aus.

Durch den absolut einsamen Pfälzerwald gehts weiter nach Hauenstein, wo ich kurz nach 10:00 und knapp 120km in einem Bäckerei-Cafe frühstücke. Auf der Weiterfahrt durch das Dahner Felsenland ist es in der Sonne mittlerweile ziemlich angenehm. Die wunsderschöne Strecke von Hinterweidental nach Fischbach ist für mich überraschenderweise tatsächlich Neuland. Schließlich geht es auf einem für vielleicht 1,5km unasphaltierten Waldweg nach Wengelsbach, und damit nach Frankreich. Den folgenden Col du Goetzenberg bin ich vor vielleicht 15 Jahren ein erstes und einziges Mal in umgekehrter Richtung gefahren. Der etwas holprige Waldweg in der Anfahrt hat sich echt gelohnt. Ein wirklich schönes Pässlein mit 3 Kehren und schöner Aussicht.
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Erstaunlicherweise sieht der Wald hier im Elsaß schon deutlich herbstlicher aus als zwischen Kalmit und Hauenstein. Weiter geht's über den Col du Pigeonnier nach Wissembourg, was ich nach 185km am späten Mittag erreiche. Nach wie vor hänge ich meinem perfekten Zeitplan um die 15-20min hinterher, die ich morgens später losgekommen bin als ich wollte. Zwischendrin sind noch etwa 3km extra bei Hauenstein dazu gekommen, als ich vor einem wenig einladenden Waldweg stand. Ich gönne mir trotzdem das Mittagessen in dem touristisch heute stark frequentierten Städtchen. Wobei die Kombi "Platz an der Sonne & Flammkuchen" nicht so leicht zu finden ist. Mangels Zeit lasse ich Flammkuchen Flammkuchen sein und gebe der Sonne den Vorzug.

War die Tour bisher einfach durch und durch großartig, ist der nun folgende Weg zurück durch die Rheinebene nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Der stramme Wind aus Nordost hat entgegen dem Wetterbericht noch nicht wirklich nachgelassen. Und rund 20km auf schnurgeraden Straßen, wo langsam der Feierabendverkehr einsetzt, machen keine Freude. Ich verstehe auch durchaus, dass Autofahrer nicht verstehen, dass man nicht den doch so tollen begleitenden Radweg auf der anderen Straßenseite benutzt.

Schöner wird es dann wieder auf dem perfekten Rheinradweg zwischen Leimersheim und Germersheim. Auch der Wind greift hier erfreulichweise nicht so stark an. Um pünktlich zum Sonnenuntergang am Königstuhl zu sein, muss ich die praktisch die ganze Strecke ab Wissembourg ganz ordentlich zu fahren. Mangels Zeit und Körnern entscheide ich mich schließlich für den leichtesten, aber abends verkehrsreichsten Anstieg auf meinen Hausberg. Hier kann ich schließlich noch ein zwischen rennradelnden Männern typisches Beispiel nonverbaler Kommunikation erleben, wo erstmal mit gegenseitigen harten Antritten der "Gegner" getestet wird, bis sich schließlich doch noch ein ganz nettes Gespräch daraus entwickelt und beide Beteiligte froh sind, wieder gemütlicher zu fahren.

Knapp 15min vor Sonnenuntergang hole ich mir oben am "Gipfelkiosk" meinen "Sundowner" in Form eines Colabiers und blicke auf einen erlebnisreichen und langen Tag zurück.
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Zuletzt bearbeitet:
Schöne Tour und vom Kalmit runter ist es morgens immer kalt und jetzt noch kälter. Hut ab davor, dass Du da morgens runter bist. Gestern morgen hatte ich 5,5 Grad auf dem Killesberg und war froh, dass die Abfahrt ja nur kurz ist.
 
Die Idee, den Sonnenaufgang auf der Kalmit im Pfälzerwald mit dem Sonnenuntergang auf meinem Hausberg Königstuhl in Heidelberg auf einer Tour zu verbinden...
Dein Wunsch, mathematisch berechenbare Phänomene empirisch zu erfahren und dabei durch die eigene körperliche Leistung eine Kausalität zwischen mehreren Orten, Zeiten und ebendiesen Phänomenen herzustellen ist genial. Ich finde mich in Deiner Aussage ein ganzes Stück wieder, denn ich bin ja selbst total anfällig für solcherart geplante Unternehmungen.

Vielleicht ist das aber auch (einer) der Unterschied(e) zwischen einem Tourenfahrer und einem Randonneur?
 
Das hast du aber schön gesagt @rajas:)

Tatsächlich ist es interessant, dass es eine ganz andere Tour wäre, wenn man das Selbe im Sommer machen wollte.
 
Ich lese sonst immer nur mit, daher hab ich jetzt auch mal einen geschrieben:

Weserwasser

Vorgeschichte
Für 2015 stand als Ziel für die Vorbereitung auf PBP 2019 eine 400er Distanz. Im Sommer hab ich mich mit einem Freund, seines Zeichens Triathlet und Marathonläufer, verabredet, um im Flachen eine große Runde von Essen über Emmerich, Arnheim, Zeist, Doetinchem, Borken wieder zurück nach Essen zu fahren. Seine erste Langstrecke, echt spannend (schaut bei Ortsausfahrt Essen auf den Tacho: „Hey, jetzt nur noch 389 Kilometer“ - lautes Gelächter). Hat aber super geklappt, bis nach 345 km mein Material schlappmachte. Hätte aber genauso ewig weitergehen können.

Trotzdem, es ließ mir keine Ruhe. Die nächste Gelegenheit ergab sich in den Herbstferien. Im Familienrat hatte ich plötzlich exzellente Karten in der Hand, die ich auch prompt ausspielen musste: In der nächsten Woche geht’s auf 400. Der Freund im Urlaub, das Wetter mit Regen zu schlecht, außerdem mit 8° tags und erstem Nachtfrost zu kalt. Also mit Hotelübernachtung.

Bislang auf der Langstrecke nur im Flachland gefahren, sollten jetzt Berge her. Ich wollte auch irgendwohin, wo ich bislang noch nicht geradelt bin. Das Weserbergland passt wunderbar, bis zur Diemelmündung 200+ hin und 200+ zurück. Also auf radroutenplaner.nrw und gpsies nen schönen Track zusammengeschnitzt, aufs etrex geladen, Hotel gebucht, Rad gepackt, los gehts.


Ruhrgebiet: Tour de Rouge
Im Ruhrgebiet hat sich was getan. Es ist noch nicht gut, aber es ist auch keine Katastrophe mehr. Man kommt ganz gut durch, wenn man dem Radroutenplaner vertraut. Leider sind nahezu alle Ampeln rot, und wenns mal kurz bergab geht, ist unten ne dicke Straße mit „Vorfahrt achten“. Ich weiß nicht warum, aber einen zu kleinen Schnitt anheben zu müssen kommt mir immer sehr mühsam vor, deswegen hab ich direkt am Anfang ein paar Körner gelassen und den 20er Schnitt durchgehalten.

Hinter Dortmund dann auf gerader Strecke schön gleichmäßig und entspannt auf 23 km/h rollen lassen, bis der Vorderreifen hinter Unna die Luft von sich gab. Ochnee. Zwei Glasscherben im einsetzenden Regen aus dem Reifen gepult, Schlauch gewechselt, und weiter. Was ich nicht kannte: Ein Bahnübergang, an dem man einen Knopf drücken muss, damit sich die Schranke hebt. Was es nicht alles gibt. Das Regenwetter bleibt bis Geseke erhalten.

Berge
Danach der erste Gruß des Teutoburger Walds. Am nordöstlichen Horizont tauchen die ersten Ausläufer auf, dunkel und schweigend. Allmählich kommen ersten Steigungen, sehr flach und unauffällig, dann nach und nach etwas steiler werdend, bis südlich von Paderborn klar ist: Der flache Teil der Strecke ist hier zu Ende. Bis zum Diemeltal wollen fünf Höhenzüge erklommen werden. Ich habs mir schlimmer vorgestellt angesichts von 2200 angedrohten Höhenmetern, die Steigungen sind mit zwei bis fünf Prozent flach und langgezogen, sie sind aber dennoch zeitraubend. Bis halb acht will ich im Hotel sein, der Platten hat ne halbe Stunde gekostet. Also Kette weiter nach rechts und gib ihm.

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Blick zurück Richtung Westen

Ärgerlich: Die Abfahrten sind kurz und knackig steil, mit sowas hab ich keine Erfahrung. Mit Tränen in den Augen landet ein viel zu großer Teil der mühsam erarbeiteten Energie in den Bremsschuhen. Allerdings fahre ich ohne Brille.

Nach Willegassen kommt endlich, worauf ich so sehnlich gewartet habe: Eine Bundesstraße, perfekter Asphalt, drei Prozent Gefälle, wenig Verkehr. Also eine Stunde Unterlenker und dem Abendessen entgegengeflogen! Um acht im Hotel, Eiweiß, Abendessen, Dusche. Nächste Mal weder Zinkcreme für den Poppes noch Miniportion Waschmittel vergessen. Zum Glück bin ich beim Frühstück der erste und einzige.


Rückweg
Sonntags morgens ist im Wesertal nicht viel los. Trotzdem ist mir das gerade angezogene Wolltrikot zu warm, also Thermohemd und Trikot von gestern wieder an und die Jacke schließen...

Da ich die gleiche Strecke zurück fahre, verkehren sich idealerweise alle Vor- und Nachteile ins Gegenteil. Die Auffahrten werden knackig steil, meist zweistellig, einige Male bis über 20 Prozent. Bloß nicht umkippen. Die Abfahrten aber sind wunderbar langgezogen zum Kopfeinziehen und Loskurbeln. Endlose Hochplateaus durch riesige Maisfelder und kleine Wäldchen, nach Westen hin sanft abwärts führend, endloser Blick über traumhafte Höhenzüge, übersät mit Windrädern...

Schwierig finde ich vor Allem das Kleidungsmanagement. Bei den Auffahrten staut sich die Wärme in der Kleidung, und bei der Abfahrt friere ich wegen der Schweißnässe. Die Regenjacke hilft aber als Windbreaker sehr gut, ansonsten hätte ich mich wohl erkältet. Auch ziehe ich Thermohemd und Trikot unter der Trägerhose nach oben, das hilft ein wenig. Ab und zu taucht die Sonne auf, wärmt ein wenig, und lässt rechts neben mir sogar einen Schatten entstehen.

Freundlich und hilfsbereit
Allmählich gibt’s weniger Gefälle, bald erreiche ich die Ebene. Die Wasserversorgung ist sonntags viel einfacher als erwartet, überall treffe ich ganz, ganz freundliche und nette Menschen, die gern aushelfen. Auch hier hätte ich Probleme erwartet. Man muss nur die Augen aufhalten, mal schraubt jemand am Traktor, dann saugt einer das Auto, ein anderer räumt in der Werkstatt.

In der Ebene stürze ich dann, dummer Fahrfehler, das Hinterrad rutscht in einer Matschlache weg, die viel tiefer ist als sie aussieht. Zum Glück auf die linke Seite, den Schremshebel muss ich zurücksetzen, ansonsten ist nichts passiert. Blöde Radwege, ab da fahr ich wieder weitestgehend auf der Straße.

In Dortmund springt das GPS auf die 400 um, das Ziel für 2015 ist grundsätzlich erreicht. Einige Überlegungen keimen auf. Erstens wird es dunkel, zweitens ist es nass und rutschig, drittens ist der Straßenverkehr im Ruhrgebiet gefährlich, viertens bin ich ungeduldig und will einfach nur nach Hause, weswegen ich Gas geben will und es mir schwerfällt, auf Autofahrer Rücksicht zu nehmen.

Ich entscheide mich in Oespel, für 9 Euro die S-Bahn in Anspruch zu nehmen, und sitze zum Tatort bereits geduscht auf dem Sofa.

edit: Fuzzhandy-Foto eingefügt
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir gefällt das auch, bloß kann ich mir "Tatort" als Erholung gar nicht vorstellen. Ist es nicht angenehmer in der Hotelbar zu sitzen und bei einem Bierchen den andern Hotelgästen zu erzählen, dass es möglich ist mit dem Rad so weit zu fahren? :))
 
Dankesehr :)

Ich musste am Montag leider arbeiten, da war das heimische Sofa quasi festgelegt.

edit: Oben noch schnell ein Foto reingepackt :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Entschuldige, ich hab völlig falsch gelesen. Du warst ja nicht im Hotel, sondern schon wieder zu Hause.

Das Wetter, das man auf dem Foto sieht, ist ja so wie man es liebt :)
 
Winterbrevet

Heute geht’s los. Das Ziel ist die Emmericher Rheinbrücke, der Hinweg über Ruhr und Rhein, der Rückweg quer durchs Münsterland, gute 200 km. Der Blick nach draußen verrät einen herrlichen Tag mit viel Sonnenschein und blauem Himmel. Für den Nachmittag ist zwar ein Tief vorhergesagt, aber das soll südlich von Köln durchziehen, und der Sonntag ist keine Alternative: Am Montagabend sind Schwimmprüfungen angesagt, da will ich einigermaßen ausgeruht sein.

Leider ist das Rad nicht ganz fahrbereit. Die Schaltung zickt, und die neue Lenkertasche (lag unterm Weihnachtsbaum) muss nach Vorbauexperimenten wieder dran. Zum Glück haben die Reifen den Druck gehalten, was wichtig für die Motivation ist, weil ich die Conti GP4000 nach einer Pannenserie wegen der Arbeitswege gegen die Schwalbe Marathon getauscht hatte. Jetzt sind die Conti wieder drauf, gut dass sie gehalten haben.

So ist 10:00 durch, bis ich mich auf den Sattel schwinge und losrolle. Wegen des herrlichen Wetters habe ich nur ein Laufhemd und ein Trikot an, und hole nach 150 gerollten Metern die Regenjacke raus und ziehe sie an. Das schöne Wetter täuscht: Es ist kalt. Auf die Idee, zurückzufahren und mehr Kleidung mitzunehmen komme ich nicht, was ich später noch bereue.

Bis zum Niederrhein rollt es sich sehr angenehm, das Wetter ist klasse, die Motivation hoch. Nach 40 Kilometern ist die erste Flasche leer, der Mensch im Schnellimbiss ist irritiert und genervt, füllt mir aber die Flasche auf. Danke nochmal!

Dann zieht von Westen eine scharf umrissene Wolkenfront auf, und es wird deutlich kühler. Jetzt würd ich gern noch was anziehen, und erhöhe ein wenig die Leistung, um mich aufzuwärmen, was auch gut klappt. Der Wind kam die ganze Zeit aus Südosten, was mich an der Ruhr nicht gestört hat und am Rhein angenehm schiebt. So komme ich gut voran.

Der Rhein führt grade Hochwasser, beeindruckend! Das Fuzzehandy mag die Stimmung nicht ganz einfangen, die Ufer sind unter Wasser, und oft reicht das Wasser bis zum Deich hoch! Die Anrheiner haben kleine Fluttore geöffnet und fluten das Hinterland. Was ich sehr umsichtig finde, anstatt das Problem an die Niederländer weiterzureichen. Die würden sich ja auch bedanken.

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Der Rhein führt Hochwasser - auf der anderen Seite sind die Felder geflutet

Dann dreht der Wind auf Ost und frischt enorm auf. Mittlerweile hat es sich zugezogen, es wird kalt, und der Wind wird langsam schneidend. Von Sven Plöger habe ich gelernt, dass Tiefdruckgebiete sich gegen den Uhrzeigersinn drehen, was bedeutet, dass ich nun auf seiner Nordseite bin. Vielleicht habe ich Glück und komme trocken nach Hause.

Dann erreiche ich um 14:15 die Emmericher Rheinbrücke. Seit Stunden überlege ich, nun einfach umzukehren und den gleichen Weg zurückzufahren, zumal ich ziemlich genau auf der Hälfte bin. Von vergangenen Fahrten habe ich gelernt, dass Gegenwind im Münsterland nichts ist, worüber man Witze macht. Die Fahrt zurück bedeutet erstmal südliche Fahrtrichtung bei Seitenwind, und das Gegenwindproblem auf die letzten 30 km zu verschieben. Bis dahin kann mag er aber auch drehen. Knifflig. Ich fahre weiter.

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Die Emmericher Rheinbrücke

Eigentlich wollte ich auf der Brücke ein mitgebrachtes Puddingteilchen essen, aber da war es zu kalt und zu windig. Am Grenzkanaal halte ich an, mache ein kleines Foto und verzehre das Teilchen, was mir eine Stunde später noch im Magen zwickt. Aber es war lecker, und schiebt mächtig.

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Deutsch-Niederländischer Grenzübergang

Eine Weile geht es jetzt nach Osten, genau in den Wind, über Felder ohne Hecken, Wäldchen oder Bebauung. Teilweise fühlt es sich an, als ob mir einer Klebstoff ins Tretlager gekippt hätte. Ich fahre viel im Unterlenker, und die neue Tasche bewährt sich glänzend. Sie verursacht viel weniger Widerstand als eine Seitentasche am Gepäckträger. Dann geht der Kurs wieder überwiegend auf Süd, und ich komme besser voran.

Langsam kommen erste Tropfen runter, im Münsterland muss ich noch eine Flasche füllen, um einigermaßen durchzukommen. Und es zeichnet sich ab, dass ich dabei bin, den Wasserverbrauch zu senken. Sonst rechne ich einen Liter Wasser (mit 80g Maltodextrin+Salz) auf 35-40 km, jetzt komme ich 50 km weit. In einem Hotel-Restaurant ignoriert man mich (hab ich auch noch nicht erlebt), dafür hilft später eine reservierte, aber sehr freundliche Köchin, die an der Außentür steht und eine Zigarettenpause macht.

Das Münsterland durchquere ich unspektakulär, ein Brötchen und einen Apfel esse ich auf meiner Lieblingsbank zwischen Wesel und Raesfeld bei km 160. Von hier gebe ich sonst meinen Liebsten Bescheid, dass ich bald da bin, aber die sind gerade verreist (was ich ja auch grade nutze).

Leider setzt jetzt Regen ein. Der laufende Motor hält mich zwar warm, aber bei 3°C kaltem Wasser werden die Finger langsam taub. Bremsen kann ich zwar, aber nur in den Bremsgriffen. Das Trinken aus den Flaschen geht auch nicht mehr gut, nur mit Kraft dran nuckeln hilft, zusammendrücken geht kaum noch. Der Wind erstirbt, da ich mich nun im Zentrum befinde. Hab ich auch von Sven P. gelernt.

Ein Planungsfehler führt mich durch drei Waldstücke mit unbefestigten Wegen (mannmannmannichhattediedochschonrausgebügeltwiesoistndasnochdrin?!), und das Gerappel gibt meinen Fingern den Rest. Außerdem muss ich wegen Schlamm das Tempo drastisch reduzieren, was meine Laune nochmal verschlechtert. Ab Bottrop hab ich kaum noch Gefühl in den Händen. Bremsen funktioniert aber noch, sonst hätte ich abbrechen müssen.

Irgendwann erreiche ich Essen, und gerate im Stadtverkehr an einen alten Herrn, der an einer roten Ampel die Scheibe runterfährt, und mich im strömenden, eiskalten Regen aufklärt, mein Rücklicht sei sehr schwach aber es ginge grad noch, es sei in Ordnung. Irgendwie hebt das meine Stimmung wieder...

Zuhause angekommen taue ich erstmal auf. Die Hände sind binnen einer Stunde wieder da (die Feinmotorik braucht noch bis morgens), und ich konnte sogar meinen Schnitt ein wenig verbessern. Ein tolles Gefühl, den widrigen Bedingungen getrotzt haben. Die Regenjacke hats wohl gerettet: Die Membran hält den Wind gut ab, und hält so ein wenig die Wärme drin.

Eine gute Vorbereitung auf die Langstreckensaison!
 
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