So. Lieblingskamera. Wer hin und wieder verfolgt hat, was ich hier so poste, wird nicht überrascht sein.
Schon als Kind faszinierte mich die zweiäugige Rolleiflex. Ein wunderliches Ding. Im Vergleich zur ebenfalls in der Familie kursierenden Zeiss Ikon Contarex, die gefühlt aus einem Stahlblock geschmiedet wurde, ist sie - für eine Mittelformat-Kamera - recht handlich und leicht. Warum sie zwei fest verbaute Objektive hat, erschloss sich mir damals nicht. Der faltbare Lichtschacht zog mich magisch an. Ein wenig einem Periskop vergleichbar, schaut man damit um die Ecke und sieht auf der Mattscheibe noch dazu alles spiegelverkehrt. Im Lichtschacht kann man eine Lupe ausklappen um damit die Schärfe, die mit einem Einstellrad an der Seite justiert wird, besser zu kontrollieren. An der Front stellt man Blende und Verschlusszeit ein. Wechselobjektive sind nicht möglich und zoomen geht sowieso nicht. Man muss sich eben bewegen. Insgesamt bedarf es schon etwas Übung und Geduld, um den gewünschten Bildausschnitt zu erhalten.
Es ist eine Rolleiflex T, laut Seriennummer zwischen 1958 und 1961 gebaut. Das Zeiss Tessar f/3.5 75 mm dient der Aufnahme, durch das Heidosmat f/2.8 75 mm schaut man. Das Tessar-Objektiv (eine Ableitung aus dem griechischen Wort
tessares = vier, eben aus vier Linsen bestehend) wird auf Grund seiner Abbildungsleistung auch als „Adlerauge“ bezeichnet. Ein Vorteil der zweiäugigen Bauweise: Das Sucherbild ist stets sichtbar und wird bei der Verwendung von Farbfiltern nicht verfälscht bzw. abgedunkelt. Man blickt eben nicht durch das Aufnahme-Objektiv, auf das man die Filter setzt. Eine wie auch immer geartete Automatik gibt es nicht. Sowieso kommt diese Kamera völlig ohne Elektronik, ohne Batterien oder Akkus aus. Auf Fernreisen bedeutete das eine Sorge weniger.
Lieblingsfoto damit:
Afghanistan 1974
Lieblingsfoto, weil sich a) die Kuchi-Frau* überhaupt nicht um den komischen Touristen kümmert und b) weil auf diesem Foto absolut nichts zu sehen ist, was irgendwie an das 20. Jahrhundert erinnert.
*Die Kuchi sind überwiegend paschtunische Nomaden, die im Nordosten und Süden Afghanistans sowie in Pakistan leben. Sie leben am Rande der Gesellschaft, gehören nirgendwo hin, niemandem an und queren Staatengrenzen je nach Jahreszeit und Bedarf ihrer Tiere. Ihre Zahl wird auf ca. 2,5 Millionen geschätzt. Mehr als die Häfte von ihnen lebt auch heute noch nomadisch.
Die Kuchi (wörtlich: Wanderer) verstehen sich nicht als Angehörige eines Staates, sondern als Mitglieder ihres Clans. Politische Grenzen zwischen den Weiden bedeuten ihnen nichts. Wie bei Nomaden üblich, ist die Stellung der Frau bedeutsam. Selbstbewusster als viele andere afghanische Frauen, gehen Kuchi-Frauen meist dem Treck voran, auffallend in ihrer oft dunkelroten und goldfarben bestickten oder auch sehr bunten Kleidung. Dass sie sich nie unter die Burka zwingen ließen, war den Fundamentalisten im Land immer ein Dorn im Auge.
(Textauszüge aus meinem Buchprojekt)