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Training: Richtig, Falsch und Richtig Falsch

SGEuropa

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Durch die Diskussion in einigen anderen Threads drängt sich mir eine Frage auf, die aus meiner Sicht von genereller Relevanz ist und der ich hiermit einen eigenen Thread spendieren möchte.

Jeder hat gewissermaßen sein eigenes Konzept von Training, manche halten sich eher an die praxiserprobten Weisheiten, andere trainieren heute schon nach den Studienergebnissen von gestern. Das kann schnell in der Diskussion "was ist richtig und was ist falsch" ausarten - mir stellt sich aber die Frage: Was ist eigentlich richtig falsch?

Damit meine ich konkret: Wie groß ist eigentlich der Unterschied, wenn ich trainiere, wie es vor 20 Jahren Stand der Trainingswissenschaften war, und nicht wie es heute der aktuellste Stand ist? Reden wir dann davon, dass ich vielleicht eine Stunde mehr pro Woche investieren müsste, um den gleichen Stand zu erreichen? Erreiche ich vielleicht nur 98% dessen, was ich mit modernster Trainingswissenschaft erreichen könnte? Oder ist der Unterschied tatsächlich so groß, dass der "nicht-Profi" dadurch deutliche Unterschiede verspüren würde?

Vielleicht trauen sich ja einige von euch, ihre Meinung dazu abzugeben - auch wenn es sicherlich eine komplexe Frage ist.
Mir geht es dabei aber explizit nicht darum, was konkret richtig oder falsch ist, oder ob neu wirklich immer besser ist als alt. Sondern wirklich: Zwei identische Sportler würden hypothetisch beide Methoden durchführen - wie groß sind am Ende die Unterschiede?
 
Hilfreichster Beitrag geschrieben von Argonrockt

Hilfreich
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Ich oute mich hier mal als Nutznießer dieser diversen Diskussionen um Trainingslehre und den Anleitungen wie man/ich mich verbessern kann und finde das durchaus interessant, aber teilweise nicht praxisbezogen sondern übertheoretisch.
@SGEuropa, um das Thema nicht, wie andere Threads hier, zu theoretisch werden zu lassen, willst Du ein meßbares Ziel für den endgültigen Erfolgsvergleich definieren? z.B. Zeit auf 100km/1000hm, Zeit für einen 10k Timetrial, FTP Vergleich? Zusätzlich vielleicht noch was ist der Ausgangspunkt der beiden Sportler, fangen sie bei 0 an, sind sie normale Hobbyfahrer, Vereinssportler, ...
 
Ich oute mich hier mal als Nutznießer dieser diversen Diskussionen um Trainingslehre und den Anleitungen wie man/ich mich verbessern kann und finde das durchaus interessant, aber teilweise nicht praxisbezogen sondern übertheoretisch.
@SGEuropa, um das Thema nicht, wie andere Threads hier, zu theoretisch werden zu lassen, willst Du ein meßbares Ziel für den endgültigen Erfolgsvergleich definieren? z.B. Zeit auf 100km/1000hm, Zeit für einen 10k Timetrial, FTP Vergleich? Zusätzlich vielleicht noch was ist der Ausgangspunkt der beiden Sportler, fangen sie bei 0 an, sind sie normale Hobbyfahrer, Vereinssportler, ...
Ich habe den Eindruck, dass immer oft darüber gesprochen wird, welche Methode für ein Problem die richtige ist. Dabei frage ich mich aber immer, ob die verschiedenen Methoden überhaupt für die meisten von uns spürbar sind. Die Situation ist vergleichbar mit dem adipösen RR-fahrer, der sich mit einem Laufradsatz beschäftigt, weil er 100g weniger wiegt. Auch da kann man natürlich sagen, dass 100g weniger auch bei 120kg Systemgewicht 100g weniger sind - der Hauptangriffspunkt ist aber ein anderer.
Daher interessiert es mich (und ich könnte mir vorstellen, dass es vor allem Einsteigern ähnlich geht), ob man als Leser diesen Fragen große Aufmerksamkeit schenken sollte, oder ob man nicht eigentlich sagen könnte, dass es entscheidend ist, dass man strukturiert trainiert und nicht ob man die Intervalle mit 5% mehr oder weniger Leistung fährt - auch wenn es sicherlich Erkenntnisse geben kann, die exakt aufschlüsseln, ob man 5% mehr oder weniger fahren sollte. Bedingung ist natürlich, dass alle angewendeten Methoden überhaupt sinnvoll und anerkannt sind.

Wenn man es noch etwas praxisnäher ausdrücken möchte: Ich kann mir gut vorstellen, dass ein aktueller Sieger der Tour mit einer Trainingsstruktur, wie man sie vor 20 Jahren gelehrt hat, nicht als Sieger vom Feld ziehen würde. Interessant wäre es für mich aber, ob der nun irgendwo im Niemandsland rumkriechen würde, oder immer noch ein Favorit oder zumindest guter Helfer sein könnte.
 
Ok danke, wenn Du von Einsteigern redest, dann fühle ich mich durchaus angesprochen. Ich fahre seit ca. 4 Jahren, war adipös und bin übergewichtig. Nebenbei fahre ich ein schönes Rad, weil ich Spaß dran hab. An die Grenzen bringe ich es nicht. Jahreskilometer sind ca. 5000.
Ich frage mich, was ich erreichen kann, mein Ziel/Traum sind 200+km und der erste 100er dies Jahr hat noch weh getan :D.
Das Equipment und Gewicht/Aero des Rades stufe ich inzwsichen für mich als nett ein, wenn ich einen Vorteil davon habe, weil es mir ein wenig leichter fällt mit anderen mitzuhalten, dann ist das super, für meßbar halte ich das für mich nicht. Also alles nice to have, Style gewinnt keine Spiele, aber Style schafft Selbstvertrauen. Aber - warum nicht, wenn das Geld da ist, im Fokus habe ich persönlich das nicht, was mich mehr zurück hält steht weiter oben.
Was das Training angeht, habe ich im 2. und Anfang des 3. Jahres bis Corona kam regelmäßig auf der Rolle Intervalle gefahren nach Trainingplan unter Anleitung. Hat es was gebracht? Ja, ich denke schon, wobei der Trainingsumfang für deutliche Effekte wohl hätte höher sein müssen. Bei sagen wir ca. 6h (-10h auf dem Rad, wenns gut lief zeitlich) die Woche ist da so mittelviel zu reißen. Gefreut habe ich mich immer auf die Fahrten draußen. Seit Corona bin ich im homeoffice und hab ehrlich gesagt keine Motivation mich noch auf die Rolle zu setzen, die direkt hinter meinem Schreibtisch steht. Dafür geh ich halt bei Wind und Wetter raus und fahre, fahre, fahre, wenn ich die Zeit erübrigen kann. Den Coronafrust bekomme ich damit in den Zaum, habe aber auch abgebaut.
Ein bis 2 Mal die Woche versuche ich aktuell immerhin 2*15-20 einzubauen, was je nach Wetter und Tageslicht klappt oder auch nicht. Bergintervalle bin ich im letzten Jahr auch immer mal gefahren mit 4-5*5. Das ist das was ich als sinnvoll auf der Straße machbar halte und was mich fordert und mir Spaß macht. Mal schauen, wie weit ich damit komme dies Jahr....
Abweichungen gibt es also durchaus in den Intervallen die ich fahre, ich sehe das aber eher als Fahrspiele, als ernsthaftes Training.
Insofern bin ich wohl ein normaler Hobbyfahrer, wie viele hier ohne Anspruch oder Lust auf Podiumsplätze... Die Frage, ob ich mehr aus mir machen könnte und wie ich mein "Training" anders durchführen kann, um mehr rauszuholen ist also durchaus interessant.
 
Durch die Diskussion in einigen anderen Threads drängt sich mir eine Frage auf, die aus meiner Sicht von genereller Relevanz ist und der ich hiermit einen eigenen Thread spendieren möchte.

Jeder hat gewissermaßen sein eigenes Konzept von Training, manche halten sich eher an die praxiserprobten Weisheiten, andere trainieren heute schon nach den Studienergebnissen von gestern. Das kann schnell in der Diskussion "was ist richtig und was ist falsch" ausarten - mir stellt sich aber die Frage: Was ist eigentlich richtig falsch?

Damit meine ich konkret: Wie groß ist eigentlich der Unterschied, wenn ich trainiere, wie es vor 20 Jahren Stand der Trainingswissenschaften war, und nicht wie es heute der aktuellste Stand ist? Reden wir dann davon, dass ich vielleicht eine Stunde mehr pro Woche investieren müsste, um den gleichen Stand zu erreichen? Erreiche ich vielleicht nur 98% dessen, was ich mit modernster Trainingswissenschaft erreichen könnte? Oder ist der Unterschied tatsächlich so groß, dass der "nicht-Profi" dadurch deutliche Unterschiede verspüren würde?

Vielleicht trauen sich ja einige von euch, ihre Meinung dazu abzugeben - auch wenn es sicherlich eine komplexe Frage ist.
Mir geht es dabei aber explizit nicht darum, was konkret richtig oder falsch ist, oder ob neu wirklich immer besser ist als alt. Sondern wirklich: Zwei identische Sportler würden hypothetisch beide Methoden durchführen - wie groß sind am Ende die Unterschiede?
Wenn ich das, was ich bei deinem Beitrag verstanden habe, in eigenen Worten wiedergeben soll, würde ich sagen:
Es geht dir darum: Wenn ich nur "ein bisschen falsch" trainiere, werde ich dann überhaupt einen Unterschied in meiner Leistung feststellen - immer unter hypothetischen Voraussetzungen, daß es also das "Richtig" gibt und daß man das Alles jederzeit mit vollkommen identischen Athleten experimentell vergleichen kann.

Anders herum: Wie falsch muß ich trainieren, damit ich richtig gravierende Unterschiede feststelle.

Wenn du mich fragst: Nach vielen Irrungen und Wirrungen in der Trainingslehre und ihrer praktischen Umsetzung: Es geht nicht um viel oder wenig falsch machen, sondern bei Spitzenprofi wie auch beim Hobbyisten um zwei Dinge: Reize setzen und Erholung. Und da kann man fast nur einen Fehler machen: Dem Körper zuwenig Erholung zu gönnen.

Gönnt man sie ihm, wird er alle Reize, ob man sie nun 3x4x3 oder 5x3 oder 3x20 oder 2x5x30s oder 5 Std. GA oder wie auch immer setzt, vertragen und wird, solange das überhaupt möglich ist, mit einer Leistungssteigerung reagieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was lief früher bei mir falsch:

  • warm und kalt Fahren vor Belastungen oder Wettkämpfen völlig vernachlässigt!
  • Regeneration und langsam fahren sind der Schlüssel!
  • viele "Nicht Fleisch & Fisch" Fahrten!
  • harte HIT Einheiten die !mein! Körper einfach nicht gut verträgt/umsetzt.

Nach einer Saison mit Trainer & PM vor 10 Jahren wurden diese Defizite geklärt...

  • Trainingsfrei laut Plan weckt Gier und Motivation
  • L5-L7 nur noch in (Trainings-)Rennsituationen
  • jede 4 Trainingswoche Recom
 
Was lief früher bei mir falsch:

  • warm und kalt Fahren vor Belastungen oder Wettkämpfen völlig vernachlässigt!
  • Regeneration und langsam fahren sind der Schlüssel!
  • viele "Nicht Fleisch & Fisch" Fahrten!
  • harte HIT Einheiten die !mein! Körper einfach nicht gut verträgt/umsetzt.

Nach einer Saison mit Trainer & PM vor 10 Jahren wurden diese Defizite geklärt...

  • Trainingsfrei laut Plan weckt Gier und Motivation
  • L5-L7 nur noch in (Trainings-)Rennsituationen
  • jede 4 Trainingswoche Recom
Wie wirkte sich dieses vorher/nachher denn aus? Körpergefühl, messbar (FTP, Watt/Kg), bessere Platzierungen..?
 
Was lief früher bei mir falsch:

  • warm und kalt Fahren vor Belastungen oder Wettkämpfen völlig vernachlässigt!
  • Regeneration und langsam fahren sind der Schlüssel!
  • viele "Nicht Fleisch & Fisch" Fahrten!
  • harte HIT Einheiten die !mein! Körper einfach nicht gut verträgt/umsetzt.

Nach einer Saison mit Trainer & PM vor 10 Jahren wurden diese Defizite geklärt...

  • Trainingsfrei laut Plan weckt Gier und Motivation
  • L5-L7 nur noch in (Trainings-)Rennsituationen
  • jede 4 Trainingswoche Recom
Die meisten Elemente, die Du nennst, würde ich nicht als "Neu" bezeichnen kann. Mikrozyklen mit regelmäßigen Ruhewochen spielten z.B. bereits in der Trainingslehre des früheren Ostblocks eine Rolle.
Der entscheidende Punkt der fett markierte. Heute stehen durch PM, Trainerangebote, aber auch (von Dir nicht erwähnt) zahlreiche Bücher, Websiten, Foren, Online-Plattformen ganz andere Methoden und Quellen zur Verfügung, die es ermöglichen trainingsmethodisches Wissen zu erlangen und in der Praxis anzuwenden.

Natürlich gab es auch früher schon trainingsmethodische Populär-Literatur. Zwischen Theorie und Praxis klaffte aber eine große Lücke. Das hatte mEn mehrere Gründe. So ist die früher im deutschsprachigen Raum übliche trainingsmethodische Nomenklatur wenig plastisch und schwer nachvollziehbar. Außerdem war es vor Verbreitung von Powermetern sehr aufwändig, Trainingserfolg überhaupt zu analysieren. Dazu brauchte man kostspielige Leistungsdiagnostiken, wobei manche Angebote - je nach Methode - noch nicht einmal besonders belastbare Informationen lieferten (gilt speziell für reine Laktatdiagnostiken). Ohne PM ist die Frage, welche Ursachen zu einem besonders guten oder schlechten Wettkampf geführt haben, immer ein Stück Ratespiel.

Zusammenfassend kann man meiner Meinung nach folgern, dass sich nicht ´die Trainingsmethodik so stark weiterentwickelt hat, wie hier vom TE suggeriert, sondern das vorhandene Wissen viel leichter zugänglich und anwendbar ist, als früher.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie wirkte sich dieses vorher/nachher denn aus? Körpergefühl, messbar (FTP, Watt/Kg), bessere Platzierungen..?
C Zecken Zeit im Studium ohne Podest mitgeschwommen, viele Km und viel Mittwochslotto, trotz RSC keinerlei wirklich strukturiertes Training...

Mit dem trainingsmethodischen Wiedereinstieg und PM / Literatur / Trainer mit deutlich weniger als der Hälfte der Jahreskilometer bei den sonntäglichen Trainingsrennen gut mitgekommen, bei flachen Jedermannrennen unter den ersten 10% und bei den regelmäßigen Ausfahrten mit gleichaltrigen (jetzt) M3 Rennfahrern eigentlich nicht letzter werde...
ALSO EIGENLICH ALLES NUR GEFÜHLT ABER NICHT NACH DEN STRENGEN WISSENSCHAFTLICHEN MAßSTÄBEN HIER!
 
Zusammenfassend kann man meiner Meinung nach folgern, dass sich nicht ´die Trainingsmethodik so stark weiterentwickelt hat, wie hier vom TE suggeriert, sondern das vorhandene Wissen viel leichter zugänglich und anwendbar ist, als früher.
Wollte ich am frühen Nachmittag schon kommentieren, habe ich dann aber vergessen: Danke dir für das interessante Statement! Meine ursprüngliche Motivation, die offenbar etwas untergegangen ist, war auch eher, dass oft diskutiert wird und der Eindruck entstehen könnte, dass es ein Richtig und Falsch gibt. Daher hat mich interessiert, ob es letztlich überhaupt große Unterschiede macht, wenn man sich an "erprobtes" hält oder sich stattdessen eben am Stand der Forschung orientiert.
 
Wollte ich am frühen Nachmittag schon kommentieren, habe ich dann aber vergessen: Danke dir für das interessante Statement! Meine ursprüngliche Motivation, die offenbar etwas untergegangen ist, war auch eher, dass oft diskutiert wird und der Eindruck entstehen könnte, dass es ein Richtig und Falsch gibt. Daher hat mich interessiert, ob es letztlich überhaupt große Unterschiede macht, wenn man sich an "erprobtes" hält oder sich stattdessen eben am Stand der Forschung orientiert.
Die Unterscheidung "Erprobtes" vs. "Stand der Forschung" ist problematisch. "Erprobtes" im Sinne von bewährtes Training hält auch einer wissenschaftlichen Überprüfung stand. Ist das nicht der Fall, ist das vermeintlich Erprobte in den allermeisten Fällen einfach nur Hokus Pokus. Darüber hinaus ist es nicht so, dass die Wissenschaft ständig neue Erkenntnisse produziert, die riesige Leistungszuwächse produzieren und den Stand der Sportwissenschaft radikal verändern. Trainingswissenschaft ist eher wie ein Puzzle, bei dem sukzessive weitere Lücken geschlossen werden.
Natürlich kann im übrigen auch völlig falsch trainieren. Ich vermute, die häufigsten Fehler sind unstetes Training mit zu langen Pausen, unangemessene Umfänge (zu viel für die zur Verfügung stehende Regenerationszeit, zu wenig für das angestrebte Ziel, zu starke Umfangsteigerungen) und zu gleichförmiges und reizarmes Training.
 
Die Unterscheidung "Erprobtes" vs. "Stand der Forschung" ist problematisch. "Erprobtes" im Sinne von bewährtes Training hält auch einer wissenschaftlichen Überprüfung stand. Ist das nicht der Fall, ist das vermeintlich Erprobte in den allermeisten Fällen einfach nur Hokus Pokus. ...
Das ist - mit Verlaub - Unfug. Die "wissenschaftliche Überprüfung" findet i.d.R. in Studien mit kleinen Stichproben und mit Probanden- wie auch Kontrollgruppen aus Studenten und Hobbyisten statt. Da ist noch nicht einmal eine Aussage darüber möglich, ob die Ergebnisse Kriterien der Signifikanz genügen. Geschweige denn, daß die Ergebnisse irgendwelche Aussagekraft hätte.

pjotr weiß das. Warum er es verschweigt, weiß kein Mensch.

P.S. Erprobtes auf diese Art als "Hokus Pokus" zu diffamieren, ist wieder einmal eine grobe Unsportlichkeit.
 
Zum Thema "Erprobtes" und "Hokuspokus" hab ich da tatsächlich mal eine Frage, die mir nie jemand wirklich sachlich beantworten konnte. Das gute alte Motortraining. Die "alten Trainer" und "alten Hasen" schwören darauf, ich musste es selbst auch machen (okay, macht ja auch Spaß..).. auch hier in der Gegend knallert immer ein Daddy mit Moped und seinem Lizenz-Sprössling dahinter durch die Landschaft.. und ab und an hört man auch mal, dass irgendwelche Spanier oder Italiener von der Autobahn gewunken wurden, weil sie sich hinterm Teamfahrzeug warmgefahren haben. Wobei ich das (abgesehen von der Autobahn) noch ganz pragmatisch finde, wenn man zu spät dran ist, und so zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt (Man wird warm und nähert sich dem Start-Ort).

Aber wenn ich jetzt hinter dem Bulli, Kombi, Moped, was auch immer fahre, 300 Watt mit TF 90.. was ist der Unterschied dazu, als wenn ich allein 300 Watt mit TF 90 fahre? Außer, dass ich allein keine Abgase als zusätzliches Handicap einatme? Es hieß dann immer, "man muss ein Gefühl für die Geschwindigkeit, die dicken Gänge kriegen, blabla..".. aber, wie gesagt, was ist der tatsächliche Unterschied, was ist daran kein Hokuspokus? 🤔
 
Es hieß dann immer, "man muss ein Gefühl für die Geschwindigkeit, die dicken Gänge kriegen,
Das ist als Ausgangspunkt nicht so ganz falsch. Ich denke, den Rest kann ich dir erklären. Erstmal: Der das gesagt hat - oder du in der Erinnerung (wer es letztlich war, spielt keine Rolle) - , hat zwei Dinge in einen Satz gepackt, die man separat sehen muß:
  • Gefühl für die Geschwindigkeit: das unterteilt sich in zwei Aspekte
    • das "reine Gefühl für die Geschwindigkeit": das kriegt man nach meiner Auffassung auch durch das Fahren vieler Rennen, trotzdem: das Motortraining trägt dazu bei. Einfach, daß du dich daran gewöhnst, daß du mit deinem Fahrrad und prinzipell auf der Grundlage deiner Kraft so schnell fährst. Daß es zur Selbstverständlichkeit wird, daß du das tust.
    • die Gewöhnung an die Leistung und das Leistungsprofil: Wenn du draußen fährst ist der Gesamtwiderstand ständigen Schwankungen ausgesetzt. Hinzukommt, daß du insbesondere hinter dem Motorrad, was dem Vordermann im Rennen ja sehr ähnelt, dauernd leicht aus dem LuWi rauskommen kannst. "Gewöhnung an die Leistung" heißt also, daß es für dich selbstverständlich wird, daß du immer mal wieder absolute Max-Leistung bringst und zwei Sekunden später wieder ganz normal "mit dem Finger in der Nase am Rad hängst". Physiologisch handelt es sich um den Leistungsfaktor "Geschwindigkeitsausdauer" - oft "Stehvermögen" genannt. Aber: kombiniert mit der Fähigkeit, die Leistung ständig bis zum Max ändern zu können.
  • Gefühl für dicke Gänge: das hängt mit dem vorgenannten zusammen, ist aber für sich genommen wichtig: Auch da erklärt man es am besten mit den Situationen, wo du kurzzeitig den Windschatten verlierst. Dann fährst du kurze Zeit mit einer für dich ungewöhnlich hohen Geschwindigkeit und mit einem ungewohnt hohen Gang. Das geht natürlich kurze Zeit, weil du gleichzeitig ein hohes Trägheitsmoment hast. Aber: Die kleinen Beschleunigungen, die auch dann auftreten, sind jetzt doppelt schwer: a. weil die Beschleunigung in m/sec^2 bei der Geschw. viel mehr Leistung erfordert und du das nicht gewohnt bist und b. weil du sowieso schon mit einer ungewöhnlich hohen Übersetzung unterwegs bist, also auch die Kräfte, die im prinzip proportional zur Leistung sind, höher sind.
Insofern ist der Hinweis auf den Dicken Gang schon richtig. Im Ergebnis geht es also tatsächlich sehr stark um Gewöhnung, auch mental, aber eben auch um die Differenzierung eines physischen Leistungsfaktors, nämlich der Schnelligkeitsausdauer und zwar der mit hohen Kräften. Früher hätte man letzteres als Kraftausdauer bezeichnet, aber dieser Begriff gilt im Ausdauersport mittlerweile gottseidank als veraltet und gehört originär eher in den Kraftsport.

Ja, soweit. Bei Fragen einfach nachfragen.
 
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Nachtrag: Ich habe mir im Prinzip schon von Anfang an in der B-Jugend mein eigenes "Motortraining" organisiert. Optimal wäre ein Motorrad gewesen, aber das klappt meistens nicht, weil die zu schnell fahren und vor allem zu stark beschleunigen.

Sehr gut geeignet war der Linienbus. Da traf es sich auch gut, daß ich des öfteren damals noch mit dem Rennrad zur Schule gefahren bin und die Strecke sehr gut kannte. Ich bin dann bspw. 2 Std. später die gleiche Strecke gefahren und habe mich an dem Bus orientiert. Der muß an den Haltestellen halten, muß also immer wieder auf ca. 55 km/h beschleunigen. Ich habe ihn dann kommen lassen, mußt dann wenn er mit der Front genau auf meiner Höhe war, voll antreten und hatte so ca. schon bei 40 km/h (meine Geschwindigkeit) Windschatten-Unterstützung. Dadurch konnte der, wenn er in voller Länge an mir vorbei war, zwar trotzdem schon 50 drauf haben, aber ich war dann auch schon bei 45 - 47 und mußte nur noch voll in seinen Windschatten eintauchen. Danach kurz ganz nah dran zum Verschnaufen - danach wieder den Windschatten ausnutzend "mit dem Finger in der Nase" fast 60 fahren. Schwieriger waren LKW, ganz Problematisch Tanklaster mit Auflieger, weil da an den Seiten unter dem Tank starke Luftströme entstehen, die hinter dem ding stark verwirbeln.

Jedenfalls kann ich beschwören, daß mich diese ganz Art von "Motortraining" ungeheuer nach vorne gebracht hat. Etwas ähnlich wirksames habe ich nur mit dem Vierer-Mannschaftsfahren und -training erlebt und mit dem Fahren auf der Bahn.
 
Es wird zwei Effekte geben. Man gewöhnt sich an hohes Tempo und enges Auffahren sowie die Wahl einer passenden Übersetzung. Und man schöpft Motivation und Selbstwirksamkeitsüberzeugung für die bevorstehenden Wettkämpfe.
Es wird bei dem Motortraining physiologisch recht unterschiedliche Auswirkungen geben je nachdem wie Intensiv und lange die Belastung gewählt wird.
Zu Argonrockt. Ich kann ja nun anhand der Tests nachvollziehen ob ich bessere Allout Werte erziele. Die Platzierung und das Abschneiden bei Wettkämpfen ist ja auch abhängig vom Rennverlauf und v.a.m.
Würde das getrennt voneinander mal betrachten. Es macht ja auch was aus wie man im Feld fährt und wo man sich aufstellt. Das könnte auch ein Punkt sein den ich aber erst mal von der PM Leistungsanalyse im Jahresverlauf abkoppeln würde. Ich war zum Beispiel am Anfang meiner Radkarriere viel erfolgreicher weil weniger Leute da mitgefahren sind. Solche Effekt sieht man ja schon, kann sie aber wenig auf Training zurückführen.
 
...Mototraining wird auch gerne zum Ausdrehen (TF) im Sprinttraining benutzt:
...ab Geschwindigkeit xy hupt der Trainer und es wird am Fahrzeug vorbei gesprintet.

Wir nutzten seinerzeit die schweren Kohlenlaster auf dem Weg zur Halde, langsame Beschleunigung und zwischen den 3 Ampeln wurden knapp 70km/h erreicht. (... gut das die damals keine 500PS + hatten)
 
Wir nutzten seinerzeit die schweren Kohlenlaster auf dem Weg zur Halde, langsame Beschleunigung und zwischen den 3 Ampeln wurden knapp 70km/h erreicht. (... gut das die damals keine 500PS + hatten)
Wenn man immer genug Wasser und Seife zu Hause hat, ist das kein Problem mit den Kohlenlastern. Aber Spaß beiseite: langsam auf hohe Geschw. beschleunigende Laster sind natürlich ideal. Ein Linienbus ist allerdings fordernder. Und mit Kids auf der Rückbank hat man sofort ein entsprechendes Publikum.
 
Okay, die von Karl und Ronde genannten Psycho-Komponenten, das klingt plausibel.. passt auch dazu, dass man das bei uns eher vor-saisonal gemacht hat, um vielleicht psychisch reinzukommen.. 🤔

. Dann fährst du kurze Zeit mit einer für dich ungewöhnlich hohen Geschwindigkeit und mit einem ungewohnt hohen Gang. Das geht natürlich kurze Zeit, weil du gleichzeitig ein hohes Trägheitsmoment hast. Aber: Die kleinen Beschleunigungen, die auch dann auftreten, sind jetzt doppelt schwer
Okay, passt auch, von 55 auf 57 ist was anderes als von 32 auf 34..

...Mototraining wird auch gerne zum Ausdrehen (TF) im Sprinttraining benutzt:
...ab Geschwindigkeit xy hupt der Trainer und es wird am Fahrzeug vorbei gesprintet.

Das man vorbeifahren soll, wenn man lossprintet, hätte man damals wohl dem Ulle erklären sollen.. 😉

1616572028492.png

(Funfakt.. ist noch nie einem aufgefallen, was auf dem T-Mobile-Aufkleber steht?)

Spaß beiseite, klar, Sprinttraining ist da in der Tat ideal, hab das auch mal gemacht, wenn ich hinter nem 40er oder 50er Trecker fuhr.. aber nur einmal, dann abgebogen oder auf den Radweg, um den Fahrer nicht zu nerven.. aber das Fahren dahinter waren halt dann doch gefühlte 0 Watt.. hinter LKWs war es dann teilweise schon sehr sportlich, aber wie gesagt, Trittfrequenz und Wattzahlen hätte man ja auch ohne Lkw reproduzieren können... aber okay, Psyche und Trägheitsmoment.. ☝️
 
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