Tau Bistra - Baia de Fier / 98 km / Donnerstag, 10.7.2025
Frühs, vorm Losfahren, ist etwas wenig Luft auf dem Hinterrad. Ich denke, pumpste bissel drauf, das kann nicht schaden. Als ich das Ventil aufschraube ist ruckzuck die ganze Luft raus.
Doch nun kommt der eigentliche Hammer: ich bekomme mit meiner kleinen Handpumpe keine neue Luft drauf. Durch die erst neu eingebaute Hochfelge ist das Ventil des alten Schlauches zu kurz, die
Pumpe kann das Ventil nicht fassen.
Dabei hatte ich extra eine neue
Pumpe zum Aufschrauben gekauft, doch die liegt daheim. Ich bin am Verzweifeln, fluche vor mich hin. Da kommt, wie ein Geist, plötzlich ein älterer Einheimischer um die Ecke, beguckt sich die Sache. Ich frage ihn mit Handsprache nach einer Ständerpumpe, und das nächste Wunder geschieht. Er dreht sich um und kommt nach einer Minute mit einer solchen zurück. Ich bekomme Luft auf den
Reifen und kann mein Glück nicht fassen !
Leider ist damit das Glück für diesen Tag auch aufgebraucht. Denn was ich die nächsten Stunden erlebe, wäre fast mein Ende gewesen.

Der Oașa-Stausee, auf 1255 Metern gelegen, den ich nach 17 Tageskilometern erreiche. Hier regnet es schon ganz schön und ist kalt. Die nächsten Kilometer geht es leicht abschüssig weiter, ich mache ordentlich Speed, aber gerade das kühlt mich total aus. Eine lange Regenhose habe ich nicht mit, das Wasser läuft von oben in die Füßlinge, die Schuhe sind bald mit Wasser vollgesogen.

Die Auffahrten werden immer steiler. Irgendwann bin ich auf dem ersten Gipfel in der Nordauffahrt der Transalpina, dem Pasul Tartarau, der mit ca. 1700 Metern angegeben wird. Und ab jetzt geht es an meine Substanz, denn es geht wieder runter, auf 1350 Meter. Ich kühle auf diesen 10 Kilometern noch mehr aus und der Regen wird immer mehr. In der Talsenke ziehe ich trockene Strümpfe an, esse einen Riegel, friere mich etwas warm und begebe mich an den finalen Anstieg der beiden letzten Gipfel der Transalpina, die mich über die Südkarpaten bringen soll.

Nach der Talsohle vom Pasul Tartarau fahre ich 13 Kilometer steil bergauf bis zum 2ten Gipfel, der Cărbunele, die in 1150 Metern Höhe liegt. Noch vor der Baumgrenze kommt der Nebel, Sicht keine 20 Meter mehr. Im Freien peitscht dann der Wind den Regen derart von der Seite, dass die Sicht durch die Brille wie Milchglas ist. Ich friere wie noch nie im Leben und zittere vor mich hin. Nach jeder Böe denke ich: schlimmer kanns jetzt nicht mehr werden. Doch der liebe Gott haut immer noch einen drauf ! Dazu ist es so steil, dass ich schieben muss. Das alles hatte ich im Vorfeld nicht auf dem Schirm, hatte von einer sonnigen Auffahrt mit kurzer Kleidung und herrlicher Landschaft geträumt - und nun das hier !

Wie der Hund von Baskerville sind sie plötzlich aus dem Nebel aufgetaucht. Gott sei Dank sind sie friedlich, rennen zuerst zu den Campern, wissen und erhoffen sich von denen Futter.

Endlich !
Fast unscheinbar klebt dieses Schild am Fels (man fährt fast dran vorbei): der höchste Punkt der Transalpina mit 2145 Metern. Ich zittere am ganzen Leib, aber nicht vor Freude, sondern vor Kälte. Wie zum Hohn kommt jetzt von der Südseite die Sonne durch die Wolken. Wieder leiste ich tausend Schwüre, sage: -firlie-, du bist so saudämlich und leichtsinnig (ohne die besagten langen Regenklamotten loszufahren) , das hier ist Hochgebirge - so etwas machst du nie wieder !

Von solchen Bildern hatte ich auf der ganzen ! Transalpina geträumt, wenigstens sehe ich sie auf der Südseite.

Blick zurück in die Nebel- und Regensuppe aus der ich kam, durch die ich durchgefahren bin !

Die Abfahrt auf der Südseite ist dann wesentlich kürzer als die Auffahrt der Nordseite, scheint mir aber auch steiler. Aber es wird mit jedem Meter gefühlt wärmer – ich taue wieder auf, ziehe Stück für Stück meine Kleidung aus, so dass ich in Novaci wieder in kurzem Gewand fahre. In Ranca und Novaci attackieren mich erneut Hunde, die mich schon von Weitem erspähen, mir in einem Affenzahn entgegenkommen. Doch glücklicherweise habe ich genug Abfahrt-Schwung, bin schneller als sie.
Von Novaci, wo ich die Transalpina verlasse, bis zur Unterkunft, der Pension Xinela in Baia de Fier, sinds noch mal hügelige 10 Kilometer. In der Pension erlebe ich dann Gastfreundschaft pur. Eine alte Dame um die 70, die in einer Tour rumänisch plappert, kein anderes Wort in einer anderen Sprache versteht, schmeißt den ganzen Laden. Mit Hilfe der Tankstellenbetreiberin, die daneben auf Kunden wartet, verständigen wir uns irgendwie mit ein paar Brocken Englisch und dem Übersetzer auf dem Smartphone. Alles ist herzlich, und am Abend wird mir die alte Dame eine leckere handgemachte Pizza bereiten. Ein Hoch auf diese Unterkunft, die die schönste auf dieser Reise war.
Aber nichts an dieser Pension ist abgeschlossen! Weder meine Wohnung (kein Schloss funktioniert) noch der kleine Imbissraum, der mit allerlei Waren und der Kasse !!! für jeden zugänglich ist. Zweimal gehe ich dort ein und aus um etwas zu fragen, die alte Dame ist nirgends, auch nicht mit lautem Rufen zu erreichen. In Sachsen würden wir sagen: „Der hätteste die ganze Bude ausräumen können, das hätte keiner gemerkt !“
Diese Begebenheit - welche Ironie zu dem, was mir in Bukarest passieren wird !

Baia de Fier

Haus-und handgemachte Pizza - das war total lecker !!!