AW: Presto
Auf alten Bildern sieht man so ziemlich alle möglichen Stile, was die Bremszugverlegung angeht, mal lang, mal kurz, auch die Ansteuerung der
Bremsen ist da variabel, manchmal zieht man mit linx die Vorderbremse, manchmal die hintere. Lange Zugüllen haben den Vorteil, dass man sich nicht so schnell mit den Händen drin verfängt, wenn man den Lenker greifen will, z.B. beim Griffposizionswexel.
Dennoch war es, besonders in den 70er und 80er Jahren, bei den meisten Herstellern üblich, die Länge der Bremszughüllen besonders großzügig zu bemessen. Ich habe hier so viele Originalkataloge und die Bilder schwungvoll verlegter Hüllen sind so auffällig häufig, daß es für mich als ganz sicher gilt, daß in der besagen Zeit lange Hüllen Mode waren, von den mir bekannten praktischen Vorteilen einmal abgesehen.
Bei den Bremshebeln nehme ich auch an, dass es Weinmann sind. Aber keine alten. Späte Weinmann-Modelle waren ziemlich billig gemacht, man hat dann sogar die Hütli weggelassen. Das ist sehr schade, wenn man bedenkt, dass Teile wie etwa das Modell 999 über 40 Jahre lang hergestellt wurden, damals zum besten zählten, was der Markt hergab und dann nur noch auf billig gemacht wurde, nicht einmal zur Ersatzteilversorgung (Hütli) waren sie mehr zu gebrauchen.
Bremsgriffgehäusegummihüllen sind abnehmbar und können auch verschleißen, mache Fahrer ließen sie auch weg, so oder so. Ich schreibe dies nur, weil Du offensichtlich den Fehler machst, das Fehlen der Bremsgriffgehäusegummihüllen als Indiz für ein späteres Modelljahr anzunehmen, von dem Du glaubst, die Hebel wären von da an nachlässig ohne Bremsgriffgehäusegummihüllen ausgeliefert worden, war ebenso unrichtig ist. Bis zum Schluß wurde Bremsgriffgehäusegummihüllen hergestellt, nahmen allerdings eine Änderung in der Form an, die der Änderung der Bremsgriffgehäuse entsprach. Die zuletzt produzierten passen also nicht mehr gut auf die älteren und umgekehrt. Ich habe hier mittlerweile alle Weinmann Hebel, bis auf eine Modell und könnte einmal einige Fotos davon machen. Auch die Bremsgriffgehäusegummihüllen habe ich noch in Bernstein, Weiß und Schwarz, Bernstein und Weiß, passend zu der alten und der neuen Gehäuseform, die meisten mehrfach, auch solche Bremsgriffgehäusegummihüllen von Universal (weiß/creme und bernsteinfarben). Lediglich mit Mafac-Hebeln habe ich mich nie abgegeben, einfach weil es früher immer so war, daß man zwar gerne die, heute noch leicht zu bekommenden Mafac "Racer" verwendete (ein Paar der nur in geringer Zahl gefertigten "Mafac Tiger" ist in meiner Sammlung), jedoch so gut wie nie die Bremshebel von Mafac, lieber kombinierte man
Bremsen von Mafac mit den wesentlich besseren Hebeln von Universal. Wieder etwas, was ein Anfänger im Sammlen falsch machen würde, doch es wäre ihm nicht vorzuwerfen, wätre er doch nur bemüht gewesen "alles zueinader passend" zu beschaffen, ohne die Besonderheiten der damaligen Vorlieben zu kennen.
Nun, da wir vom Besitzer gesagt bekamen, daß es sich um
Shimano-Hebel handelt (was für mich auf einem solch kleinen Foto in dieser Perspektive nicht zu erkennen war) möchte ich aber doch noch erwähnen, warum es, wären es Weinmann Hebel gewesen, dennoch nicht neuere hätten sein können:
Bis in die später 70er Jahre verwendete Weinmann rote Achsen für die Bremshebel, die allerdings in der Regel unter den Bremsgriffgehäusegummihüllen verschwanden. In den Achtzigern dann wurden nur noch schwarze Achsen verwendet. Überdeutlich würde das frühere Baujahr der angenommenen Weinmann-Hebel allerdings am Fehlen der, ab den späten 60er Jahre in die Hebel eingestanzten Einrastöffnungen für die Mitnehmer der parallelen Sicherheitsbremshebel, mit denen zwar nur Touren- und Rennsporträder ausgerüstet wurden, jedoch aus produktionstechnischen Gründen bei allen Weinmann-Hebeln zu finden waren (bis auf eine Stückzahl der "Carrera"-Hebel - zumindest habe ich hier ein Paar Hebel ohne diese Löcher, weiß aber auch von solchen mit den typischen Löchern für die Sicherheitsbremshebel).
Was die Ausstattung mit funktionellen technischen Details der Vainqueur-Hebel betrifft, war es bei Weinmann ein Hin und Her: Waren die ersten noch ganz einfach, kam sehr schnell, um 1959 das erste Modell mit eingebautem Entlaster auf und verdrängte, wie ich bereits schrieb, die Gravuren "Weinmann" und "Patent" von ihren Plätzen. Zu jener Zeit war der den Entlaster betätigende Schalter noch als ein runder, roter Knopf ausgeführt. Wieder kurze Zeit später, wurden die in die
Griffe integrierten Zugeinsteller eingeführt, zuerst aus Metall, später dann aus Kunststoff (nicht schlechter, leichter). Dann änderte sich die Form des Auslöseknopfes der Zugentlastung von der Rundform in einen Wippschalter. Beide Funktionsdetails, Entlaster und Zugeinsteller wurden bis in die frühen Achtziger Jahre beibehalten, jedoch gab es parallel auch immer die ganz einfachen Modelle "ohne alles" - für den gewichtsbewußten Minimalisten. Erst bei den letzten Modelle verzichte Weinmann entgültig auf Entlaster und Zuhgeinsteller, was allerdings den damaligen Vorlieben des Marktes entsprach.
"Vainqueur"-Hebel wurden nicht nur an den gleichnamigen Mittelzugbremsen "Vainqueur-999-610" (vorne, 61mm) und "Vainqueur-999-750" (hinten, mit der Rahmengeometrie Rechnung tragendem längerem Bremsschenkelmaß 75mm) verwendet, sondern auch an den Seitenzugbremsen 500 (vorne) und 730 (hinten, selbiger Grund). Weiterhin wurden in früheren Zeiten gerne rote Unterlegscheiben für die Achsen verwendet, die später sowohl bei den Mittelzug- und Seitenzugbremsen verschwanden. Die ältesten Modelle der Vainqueur-Mittelzugbremsen erkennt man an der Prägung auf ihren Schenkeln, die Weinmann sehr bald, schon Mitte der 60er Jahre aufgab und stattdessen eine versenkte Schriftplatte einführte, was dem Hintergedanken Rechnung trug, die
Bremsen auch an andere Hersteller verkaufen zu können. Diese versenkte Schriftplatten blieben den Vainqueur-
Bremsen bis zum Schluß erhalten, durch die zweite Hälfte der 60er Jahre und die ganzen 70er in Rot, zuletzt in den 80er Jahren dann in Schwarz. Ich bin sehr, sehr froh, drei komplette Sets der ersten Vainqueur mit eingeprägtem Modellnamen in den Schenkeln zu haben, eine davon an meinem Bauer. Von diesem Modell gab es einige Zeit später eine Variation: Kamen die ersten noch mit einer durchgehenden Feder aus, wurden spätere mit zwei Federn ausgestattet und blieben es bis zum Schluß.