Hallo Karen,
mein Freundin und ich waren August 2015 mit Rad und Bus auf der ganzen Insel unterwegs. Wir haben einige Touren im Osten (Holguin, Santiago, Baracoa), eine in der Mitte (Trinidad bis Cienfuegos) und sind schließlich im Westen (Vinales bis Las Terrazas) gefahren. Insgesamt haben wir knapp 800km mit dem Rad zurückgelegt. Landschaftlich tolle Strecken haben wir praktisch überall vorgefunden. Ein Überblick über unsere Strecken gibt es hier:
http://www.gpsies.com/mapFolder.do?id=73084
Straßenverhältnisse und geeignetes Fahrrad
Wir waren mit unseren MTB (Touren-Fullies) unterwegs. Vielleicht 80km waren wir bewusst auf Gravel-Roads unterwegs, der Rest war alles asphaltiert. Eine super Qualität hatte der Asphalt praktisch nirgends, anderseits gab es aber auch nichts (Flickerlteppisch, wellig, rissig, Schlaglöcker), was ich nicht auch schon in Europa mit dem Rennrad erlebt und bewältigt hätte. Ich sage es mal so: Man KANN dort mit dem Rennrad fahren, wenn man nicht gerade eine Gravel-Road einplant. Ob es für einen selbst das beste Rad ist, was den meisten Spass bringt, muss man selbst entscheiden.
Außerdem ist es so, dass in ganz Kuba recht viel einfache MTB's der 90er bis frühen 2000er Jahre gefahren werden, Rennräder oder moderne MTB's (mit Scheibenbremsen) jedoch so gut wie gar nicht. Ein altes MTB kannst Du Dir in jeder Kleinstadt reparieren lassen, einen Rennradreifen wahrscheinlich nichtmal in Havanna bekommen. Ich habe mich mit 2 kubanischen Rennradfahrern unterhalten. Die erzählten, dass sie sich praktisch alles von Freunden aus den USA schicken lassen müssen.
Mit Rädern der 2000€-Klasse erregt mit in Kuba überall Aufsehen, wie wenn man in Deutschland mindestens mit einem Lamborghini vorfährt - was durchaus zu interessanten Gesprächen führen kann.
Unter praktischen Erwägungen halte ich ein altes MTB mit guter Bergübersetzung und gut gewarteten
Bremsen für das perfekte Reiserad für Kuba. Das wird man Dir auch liebend gerne am Ende der Tour abkaufen (zu zollrechtlichen Fragen kann ich nichts sagen. Wir haben Leute getroffen, die das so gemacht haben)
Wenn man in die Berge fährt - was absolut zu empfehlen ist - hat man es immer wieder mit Rampen von 15-20% zu tun, die einfach stumpf den Berg hochgehen. Namentlich sei hier die Tagestour von Santiago auf den Gran Piedra (Aussichtpunkt ca. 1000müNN) oder unsere 2 Etappen von Trinidad nach Cienfuegos über Topes de Collantes erwähnt. Letztere war trotz des sportlichen Anspruchs ein absolutes Highlight für uns. Nicht ganz so schwer (auch wenn's Reiseführer als extrem darstellen), aber ebenso lohnend war die "Farola" genannte Straße nach Baracoa.
Viel Autoverkehr findet man kaum irgendwo vor. Man teilt sich die Straßen - auch Autobahnen - mit Pferden, Kutschen, Fussgängern, Oldtimern,... was schon einen guten Teil des Reizes ausmacht. Wir wurden einige wenige Male sehr rücksichtslos von LKW überholt, was aber echt die Ausnahme war. Ob man grundsätzlich auf allen Autobahnen Radfahren darf, weiß ich nicht. Auf den Autobahnen, die wir gesehen haben, war das möglich. Zum Rennradfahren kann das eine gute Möglichkeit zum Vorankommen sein.
Es ist übrigens eine Mär, dass man auf Kuba ständig Platte hätte. Das Gegenteil ist der Fall, da praktisch keine Glasscherben auf der Straße liegen (wegen Plastikflaschen und Dosen). Wir haben jetzt
Flickzeug bis an unser Lebensende. Gebraucht habe ich davon einen einzigen Flicken.
Unterkunft
Wir haben großteils in Casas particulares gewohnt (Privatpensionen mit 1-2 Zimmern). Die kosten so 20-25€ ÜF im DZ. Einige Male haben wir uns auch All-Inclusive-Schuppen direkt am Meer gegönnt. Das ging dann so bis 70-80€ und war eine schöne Abwechslung.
Wir haben praktisch alle Quartiere von Deutschland aus gebucht, was über Agenturen (z.B.
www.profil-cuba-reisen.de) gut möglich ist. Das würden wir so jedoch überhaupt nicht empfehlen. Wir haben höchst selten in den gebuchten Quartieren übernachtet, sondern wurden immer irgendwo in die Nachbarschaft weitervermittelt, meist mit einer ähnlichen Geschichte wie "Sorry, wir haben gerade einen Wasserrohrbruch, aber mein Nachbar..." Dahinter steckt, dass Internetanschlüsse auf Kuba 2015 noch rar und teuer waren und praktisch einer seine Casa ins Netz stellt und die Gäste dann auf's ganze Viertel weiterverteilt werden.
In touristisch relevanten Orten gibt es ein absolutes Überangebot an Quartieren. Man wird praktisch an jeder Ecke angesprochen (was sehr nervend sein kann). Wir hingegen haben uns durch große Städte wie Santiago von einer Ecke zur anderen durchgefragt, um zu unserem gebuchten Quartier zu finden - um dann schließlich zum Nachbarn geschoben zu werden. In der Zeit hätten wir bereits spontan bei dutzenden anderer Quartiere einchecken können.
Was wir echt super nett fanden, war hier in Holguin
https://www.mycasaparticular.com/de...cular-en-holguin-mirador-brisas-del-atlantico (+53 24 429548) und in Vinales
[email protected] (+53 01-53311744)
Weitere spezifische Herausforderungen für Radfahrer
Wir waren völlig überrascht, wie schwierig es ist, sich mit Trinkwasser zu versorgen. 1,5l-Wasserflaschen waren absolute Mangelware. Das galt besonders für den Osten. Etwas besser wurde es dann im Westen. Man musste sich praktisch ständig überlegen, wo man das nächste Trinkwasser herbekommt. Bars haben in jedem Fall Rum, sehr wahrscheinlich Bier und Softdrinks in Dosen und mit viel Glück Wasser. Was wir unter einem Supermarkt verstehen, gibt es in Kuba nicht. Es gibt in größeren Städten eine Art Kaufhaus mit Drogeriebedarf, Keksen - mit viel Glück auch Wasser. Aber selbst in Santiago, der zweitgrößten Stadt des Landes, haben wir regelmäßig 1,5l-Flaschen im Hotelrestaurant für 2,50€ gekauft und uns darüber gefreut, wie die Schneekönige. Die Einheimischen scheinen viel weniger zu trinken als wir. In den Häusern wird auch das stark gechlorte Wasser aus der Leitung getrunken und läuft vorher nochmal durch einen Filter. Das ist eine echte Herausforderung.
Stand 2015 war es verboten, GPS-Geräte nach Kuba einzuführen. Für Smartphones wurde das wohl nicht ganz so eng gesehen. Wir wollten jedoch nicht den Versuch machen, ob nicht doch einem der Zöllner das Smartphone gefällt und er es unter Anwendung einer entsprechenden Regel beschlagnahmt. Defacto hat uns am kleinen Flughafen von Holguin dann kein Mensch kontrolliert, bis wir unsere Räder zusammengebaut hatten und als letzte aus dem Gebäude marschiert sind. Überhaupt hatten wir nie irgendwelche negativen Erlebnisse mit Beamten.
Kurzum, wir haben uns ein Roadbook für unsere Touren geschrieben, was bis auf die Großstädte auch völlig problemlos funktoniert hat.
Verkehrsmittel
Wir hatten einen Gabelflug nach Holguin und zurück von Havanna mit Condor. Räder haben 75€ je Strecke gekostet. Die von Reiseführern und im Netz empfohlenen Flüge mit Air Canada waren bzgl. Preis und Dauer völlig unattraktiv.
Da wir nicht nur Radkilometer "runterschrubben", sondern möglichst viel von der Insel sehen wollten, haben wir immer wieder die Überlandbusse von Via Azul genutzt. Die fahren mit einer Pünktlichkeit ab, von der die DB nur träumt. Die Tickets kann man vorab online buchen, was sich auch empfiehlt. Wir haben mehrere Leute getroffen, die spontan nicht die gewünschte Verbindung nehmen konnten. Einen Fahrradtransport bekommt man vorab nicht zugesagt. Es hat bei uns aber jedes Mal geklappt. Wir haben unsere Räder zu einem gewissen Grad demontiert (Lenker quer, VR raus), dann passten die ganz gut stehend in den Kofferraum. Das Ganze kann man auch selbst beaufsichtigen. Nur einmal hatte ich da eine Diskussion, wo der "Gepäckmensch" andere Vorstellungen hatte als ich.
Verständigung
Ohne Spanisch ist wohl vieles schwierig oder auch nicht möglich.
Preisniveau
Kuba ist nicht billig, wie man es vielleicht z.B. aus Asien oder anderen lateinamerikanischen Ländern kennt. Als Tourist ist man dort in der teuren Hälfte einer Zweiklassengesellschaft - ohne das jetzt bewerten zu wollen. Man bewegt sich in einer eigenen Währung (1CUC ca. 1€) und in einem eigenen Preisgefüge, welches dem europäischen nicht unähnlich ist. Was nicht heißt, dass man nicht auch mal für unter 3€ ein Essen in einem Restaurant gegen Pesos bekommen würde. Meistens bezahlt man jedoch nach unserer Erfahrung die Touristenpreise (8-15€ für ein Essen), da mögen ausgefuchste Backpacker behaupten, was sie wollen.
Fazit
In Kuba kann man in toller Landschaft und üppiger Vegetation (z.B. Mangowälder) spannende Radtouren auf anspruchsvollen Streckenprofilen erleben. Was die Straßen so bevölkert, ließ mich oft an "Wilden Westen" denken. Auch das Baden bzw. Schnorcheln in der Karibik war für uns ein echtes Erlebnis. Für vieles ist ein MTB die vernünftigere Wahl als das Rennrad.
Man wird vielen netten und ehrlich interessierten Menschen begegnen, die nichts weiter wollen, als ein Gespräch darüber, wie einem Kuba gefällt und was man so vor hat. Man wird leider auch sehr vielen Menschen begegnen, die einem irgendwas vermitteln oder verkaufen wollen. Ein Problem mit Kriminalität haben wir hingegen überhaupt nicht wahrgenommen.
Wenn Du noch Fragen hast, werde ich gerne versuchen, darauf eine Antwort zu geben.
kendo05