AW: Helm oder nicht Helm...?
Oje, gleich en ganzer Sack voll Argumente.
Tja, was wir machen, machen wir richtig, gelle ?
- "Lehm" habe ich noch nie geschrieben. Finde ich kindisch.
Sorry, das war auch mißverständlich - die Bemerkung über die Hardcore-Helmgegner bezog sich nicht auf Dich oder sonst jemanden hier im Thread, sondern auf Leute in anderen Foren (z.B. in de.rec.fahrrad), die tatsächlich meinen, dass das Lächerlichmachen ihrer vermeintlichen "Gegner" ihre Argumente verstärken würde.
- Beweise, dass ein
Helm nichts nützt
dito. Ich wollte eigentlich sagen, dass genau solche Beiträge bis dato fehlten, und insofern die Debatte kein getreuliches Abbild der üblichen Abläufe darstellen würde.

Allerdings hattest Du vor kurzem noch eine entsprechende Signatur, in der "Sicherheit kommt vom
Helm" als "Ammenmärchen" aufgeführt war ...
Was ich aber anzweifle ist, dass mir solche Situationen auf dem Rad so häufig drohen würden, dass das Tragen eines solchen vernünftig, vorbildlich, dem gesunden Menschenverstand entsprechend sein soll.
Und genau da bin ich eben anderer Meinung, auf der Basis meiner bisherigen eigenen Erfahrungen und der Dinge, die ich so in meinem Umfeld erlebt/gelesen/gehört habe. Und wenn man die Dinge statistisch angeht, kann man auch immer mit einer gewissen Berechtigung fragen, ob Sicherheitsgurte in Autos, Motorradhelme, Feuerlöscher und Brandmelder etc. pp. in öffentlichen Gebäuden angesichts der tatsächlichen Schadenshäufigkeit gerechtfertigt sind.
Ganz zu schweigen von den nervigen Sicherheitseinweisungen an Bord von Flugzeugen - wie oft stürzt denn wirklich mal ein Flugzeug ab, das ist doch extrem selten, das ist doch die sicherste Verkehrsform überhaupt, da muss man doch die Passagiere nicht jedes Mal wieder mit dem Gelaber nerven, nicht wahr ...
Beim Radfahren geht es mir darum, wohlbehalten wieder daheim anzukommen. Jeder Radler hat dafür eine Art "chance". Wo liegt diese Chance für einen Radler mit und einen ohne
Helm? Verhält sich das wie 99.999% zu 99.998% oder wie
100% zu 10%? Und haben andere Faktoren vielleicht einen viel größeren Einfluß da drauf? zB die eigene Fahrweise?
Wie gesagt, darüber gibt es keinerlei verläßliche Zahlen - schon gar nicht, was solche "weichen Faktoren" wie die Risikobereitschaft angeht, die ja nicht einmal für einen einzelnen Radfahrer über einen definierten Zeitraum hinweg gleich bleiben muss - meine z.B. hat sich in den vergangenen drei,vier Jahren deutlich verändert. Und mein Argument dazu wäre gerade: Ich fahre gerne schnell, wo es geht, wo es nicht gegen Verkehrsregeln verstößt, und wo wirklich niemand gefährdet wird oder sich bedroht fühlen könnte, und deswegen halte ich einen
Helm für mich für sinnvoll.
"Andere Faktoren" haben zudem sicherlich einen großen Einfluß auf die Unfallhäufigkeit und -schwere, sind aber kaum sinnvoll zu quali- und quantifizieren: Hier in München z.B. gehen die Leute im Straßenverkehr tendenziell rücksichtsvoller miteinander um, während in Berlin viel Aggression "ausgelebt" wird. Allerdings scheinen mir die Leute hier in München dafür eher von komplexen Verkehrssituationen überfordert zu sein, oder fahren z.B. gerne bei lebhaftem "Gegenverkehr" unbekümmert auf schmalen Radwegen gegen die Fahrtrichtung, deswegen passiert trotzdem hier nicht weniger oder sogar (proportional zur Bevölkerungsgröße) möglicherweise mehr als in Berlin. Aber letztlich ist es kaum sinnvoll meßbar, und eigentlich auch egal, ob Unfälle von schlichter Dummheit oder von überschießender Aggression verursacht werden ...
Wie die "Chancen" ausfallen, mit oder ohne
Helm gesund bzw. wenigstens lebendig nach Hause zu kommen, könnte Dir wirklich nur eine aufwendige Analyse der Unfall- und Krankenstatistik verraten (wobei ich dann - abweichend von der jetzt üblichen Praxis - auch gerne die Fälle mit drin hätte, die mehr als 30 Tage nach dem Unfall an den Unfallfolgen sterben oder das Bett nicht wieder auf eigenen Beinen verlassen können), die man in Intervallen vor und nach der Einführung einer Helmpflicht (die ich nicht befürworte) durchführt, flächendeckend für die Bundesrepublik. Bis dahin wirst Du keine Hinterkommastellen bekommen, nur Wahrscheinlichkeiten und Einzelfallbeispiele.
Aussagen wie "ohne
Helm wird nicht aufgestiegen", "ohne
Helm fährt bei der Ausfahrt keiner mit", "wer etwas im Kopf hat, schützt ihn mit einem
Helm" etc. klingen für mich sehr stark so, als ob Sicherheit beim Radfahren ausschliesslich oder überwiegend von der Frage "
Helm oder kein
Helm" abhinge, oder, um bei der obigen Risikoabschätzung zu bleiben, das
100%/10%-Modfell stimmen würde.
Nein, Sicherheit hängt natürlich nicht alleine (nicht einmal vorwiegend) vom
Helm ab - genauso wenig, wie sicheres Auto- und Motorradfahren in erster Linie vom Gurt oder vom
Helm abhängt. Deswegen wirst Du solche Sätze auch nie von mir hören. Aber eine Abneigung gegen "totalitäre" Formulierungen (die ich teile) kann ja nun gerade für einen "selbstätig denkenden" Menschen kein überzeugendes Argument gegen eine Sache sein - das wirkt dann doch sehr stark unlogisch, nach dem Motto "Weil ihr da was Übertriebenes behauptet, muss ich mich mit der Sache gar nicht mehr auseinandersetzen - das habt ihr nun davon, ätsch !!".
Es ist aber nicht so, das man todgeweiht ist, wen man ohne aufsteigt. Auf einer gemütlichen Ausfahrt auf dem Klassiker, ohne Massensprints, ohne heftigen Verkehr, bei Tageslicht und in nüchternem Zustand, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man auch ohne Radhelm wohlbehalten wieder zuhause ankommt, nahe bei
100%
Es geht tatsächlich nicht um "morituri te salutant", sondern um "Im Falle eines Falles ...". Und man mag sich einbilden, dass man schon genügend Umsicht und Erfahrung hat, um gefährliche Verkehrssituation vorausschauend zu erkennen und vermeiden zu können (das würde ich bis zu einem gewissen Grad auch für mich in Anspruch nehmen), aber alles kannst Du nie vorhersehen, und es kommt öfter dumm, als man denkt. Ich habe ja das Beispiel mit dem Ingenieur, der an einem Sonntagmorgen (hell war es im November um 7 Uhr sicherlich nicht, aber das macht in diesem Fall sicherlich keinen Unterschied) rücklings auf dem Bordsteinradweg überfahren worden ist, durchaus nicht ohne Überlegung gewählt ...

Natürlich ist das kein "typischer" Unfall, aber wie typisch ist denn "typisch" überhaupt (mal abgesehen davon, dass es mich wenig interessieren würde, ob ich wegen eines typischen oder eines untypischen Unfalls im Krankenhaus lande ...) ? Es gibt den "klassischen" Rechtsabbiegeunfall, ja, aber darüber hinaus sind die Unfallsituationen so vielfältig, komplex und unvorhersehbar, wie unsere Straßen, die Fahrzeuge, die darauf unterwegs sind, und vor allem die Leute, die sich damit bzw. darauf bewegen (sehr häufig übrigens bringen Fußgänger, die unvermittelt auf den Radweg treten, Radfahrer zu Fall), eben auch sind. Tatsächlich statistisch bewiesen (seit den 1920er Jahren übrigens schon, ich habe ja meine Magisterarbeit über den Radwegebau (als Resultat der Motorisierung) in der Zwischenkriegszeit geschrieben) ist eben auch, dass die schweren Unfälle gerade dort passieren, wo eher wenig Verkehr ist, weil die Leute dann nicht mit Radfahrern rechnen - insofern geb' ich nichts auf den trügerischen Charme eines verkehrsarmen Sonntagvormittags ...
Und ich bin durchaus der Meinung, dass man seiner Vorbildfunktion gegenüber dem Nachwuchs auch so nachkommen kann, dass man der Brut beibringt, dass man sich auch seine eigenen Gedanken machen darf. Nicht unhinterfragt jedem Slogan glaubt und dass man seine eigenen Entscheidungen treffen darf, auch wenn die nicht dem "common sense" entsprechen.
Grundsätzlich stimme ich Dir zu, aber angesichts der (altersabhängig) noch nicht voll entwickelten Verkehrstauglichkeit, der schlechteren Sichtbarkeit im Verkehr (Kinder werden ja oft auf dem Fußweg überfahren, von AutofahrerInnen, die aus einer Ausfahrt kommen, nur auf die Straße schauen und nicht mit kleinen beweglichen Objekten auf dem Fußweg rechnen) und der weicheren Schädelkalotte wäre für mich in diesem Fall klar: Kritisches Nachdenken: ja, unbedingt; Papas Maßnahmen/Forderungen in Frage stellen: ja, aber all' das bitte mit einem Fahrradhelm auf dem Kopf, wenn's an das Fahrradfahren geht ...

Ab wann man das dann freigibt - ab 12 ? ab 15 ?, ist eine Frage, die wiederum von vielen "weichen Faktoren" abhängt ...