AW: Wien - Teil 2
Ich glaube sagen zu können, daß ich bei dieser Etappe tatsächlich an meine körperlichen und geistigen Grenzen gehen mußte. Es war sehr, sehr hart.
Begonnen hat es ja noch ganz gut. Wir fuhren locker dahin, hatten dabei geplaudert, Ja sogar gescherzt. Dabei gegessen. Jedoch mit der Zeit kam die Wende. Schlimm wurde es ab km 200.
Nach etwa 200 km ließ unser bereits im Schlafwagen eingedöster Zimmergenosse (kein Radcoristi!) einen solch gewaltigen Schleicher los, dass wir, die wir uns ebenso schon hingelegt hatten, fluchtartig das Abteil verließen. Noch im Nachbarabteil, in welches wir Zuflucht gesucht hatten, war die Spur der Verwesung zu riechen.
Nachdem sich die Gasattacke durch die noch funktionierende Aircondition so weit verdünnt hatte, dass das Abteil wieder bezogen werden konnte legten wir uns wieder zu Bett.
In Venedig Maestre der nächste Supergau. Da der Waggon abgekoppelt wurde war dieser für geraume Zeit ohne Strom, folglich gab es auch keine Aircondition. Die Lufttemperatur lag laut Radcomputer (wofür der alles gut ist...) bei belegbaren 35 Grad, dazu ein wieder steigender Pegel von Ammoniak-Schwefel Gemischen in der Luft. Da wegen der steigenden Temperatur auch die Gefahr einer spontanen Selbstenzündung akut wurde, lies uns der pure Überlebenswille wieder aus dem Abteil flüchten, und wir beobachteten statt dessen spärlich bekleidet die Rangierarbeiten.
Mit einsetztendem Strom und einer wieder funktionierenden Klimaanlage gings wieder ins Bett. Ab jetzt erträgliche Temperaturen, auch die Luft schien wieder erträglich zu sein. Zumindest war wieder eine gewisse Sichtweite vorhanden.
Das unser Bettgenossen laut zu schnarchen begann kam für uns nicht mehr wirklich überraschend. Sein Handyweckruf in Form eines elendslangen und lauten mir nicht bekannten und nicht so wahnsinnig ins Ohr gehenden Bollywood Klassikers, der alle im Abteil aufschreckte, nur unseren Kumpanen weiterdösen ließ wie ein Baby war jedoch wieder ein überraschendes Highlight das durch Mark und Bein fuhr.
Erst die Zugdurchsage ließ in aufwachen & aussteigen und ab Mürzzuschlag waren wir wieder frei von jedweder olfaktorischen und sonstigen Belästigung und wir fielen sodann in einen tiefen erholsamen Schlaf.
Als ich in der Früh das Abeil verließ, waren es meine Kollegen die mir sofort zu dieser sehr harten aber doch irgendwie gemeisterten Etappe gratulierten. Ihnen stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, denn es war auch für Sie nicht sicher ob wir das Abteil jemals wieder heil verlassen werden würden.
Ich möchte allen die mir in dieser schweren Zeit beigestanden sind nochmals danken. Dem Verantwortlichen für die letzte Labe unseres Zimmergenossen sage ich: go to hell!
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Ankunft am Vortag in Turin nach einer gemeinsamen Radausfahrt: da war die Welt noch in Ordnung...
Michl bekommt bei eben dieser Ausfahrt ein Strafmandat wegen Übertretung der Höchstgeschwindigkeit:
(die Geschwindigkeit wurde wie in Italien üblich durch Glaskugelschauen ermittelt)
