Die Ötztal Rundfahrt 05 - 07.07.19
–ein Wochenende mit Alpenpanorama –
Prolog
Einen Superrandonnée zu fahren stand schon seit letztem Jahr auf meiner To-do Liste und warum nicht zur Vorbereitung auf Paris-Brest-Paris 2019. Also informierte ich mich über die beiden deutschen Superrandonnées „Ötztal Rundfahrt“ und „Belchen Satt“. Da mir die „Belchen Satt“ für den Anfang etwas zu schwer vorkam und ich gerne Alpenpässe fahre, entschied ich mich für die Ötztal Rundfahrt vom ARA München/Oberbayern. Nun musste nur noch ein richtiger Zeitraum gefunden werden, da das Timmelsjoch nur zwischen Anfang Juni und Ende Oktober befahrbar ist. Ich entschied mich für das erste Wochenende im Juli also noch vor dem Ferienbeginn in NRW, da es innerhalb der Sommerferien schwierig ist Urlaub zu beantragen. Außerdem war meine Hoffnung den Auto- und Motorradfahrern zu entgehen, die nur wenig Rücksicht auf Radfahrer nehmen.
Im laufe der Brevetsaison habe ich noch den Uwe, der dieses Jahr zum ersten Mal die Brevetserie gefahren ist, für mein Vorhaben begeistern können. Allerdings kamen mir kurz vor dem Start noch bedenken, ob wir überhaupt so gut zusammen fahren können, da er mit einem leichteren Rad unterwegs und besser trainiert war als ich. Doch falls es nicht geklappt hätte, könnte jeder von uns eigenständig weiter fahren.
Jede gute Tour beginnt mit der Vorbereitung und dies beinhaltet neben der Streckenplanung auch die Ausrüstung. So habe ich bei meinem Rad die Mäntel und Bremsklötze erneuert, um bei den Abfahrten keine bösen Überraschungen zu erleben.
Neben dem typischen Brevet-Equipment kamen noch Zelt, Isomatte und Schlafsack hinzu, weil wir planten in München zu zelten und das überschüssige Gepäck im Zelt zu deponieren. So konnten wir auch Alltagskleidung für die An- und Abreise mitnehmen.
Für die Ötztal Rundfahrt hatte ich drei Tage eingeplant. Start wäre um 6:00 Uhr am Freitag in Deisenhofen und das Ende am Sonntag um 18:00 Uhr. Hinzukamen noch An- und Abreise mit der Bahn also benötigte ich neben dem Wochenende nur drei Tage Urlaub.
Die Anreise mit der Bahn im IC gestaltete sich mal wieder abenteuerlich, weil mein Fahrradstellplatz von anderen Radlern besetzt wurde und diese beim Aussteigen auch wenig zimperlich mit den nebenstehenden Rädern umgingen.
Am Münchner Hauptbahnhof angekommen ging es mit dem Rad zum Campingplatz Thalkirchen an der Isar. Das Wetter war traumhaft und jede Menge Menschen am Ufer der Isar unterwegs.
Der Start
Nach der etwas verspäteten Ankunft von Uwe bereiteten wir uns auf dem Campingplatz auf die Tour vor, indem wir unser Gepäck nochmal aussortierten. Nach einer ruhigen Nacht standen wir um 4:30 Uhr auf und machten uns startklar.
Um 6:10 Uhr standen wir am S-Bahnhof in Deisenhofen, um unser erstes Kontrollfoto zu schießen. Von dort ging es auf Nebenstraßen und Radwegen leicht wellig über kleine Dörfer und die Stadt Bad-Tölz nach Achenkirch. Nach wenigen Kilometern waren die Alpen bereits in Sichtweite und je näher wir kamen, desto mehr stieg die Vorfreude auf dieses spannende Wochenende. Nach 70 Kilometern erreichten wir die erste Kontrolle an der Bäckerei Adler, wo wir ein Kontrollfoto machten und uns einen Stempel besorgten. Natürlich musste auch die Zeit sein, für Kaffee und Brötchen.
Brenner
Vom azurblauen Achensee ging es in die Abfahrt nach Jenbach. Der Weg führte zunächst einige Kilometer flach auf der Nordseite des Tals, dann wechselten wir die Talseite und am Ortsausgang von Volders fingen die kurzen Anstiege am Brenner mit 10% an. Nach den ersten Steigungen füllten wir unsere Flaschen an einem Brunnen auf, da bereits am Vormittag die Temperaturen auf 20°C angestiegen waren. Zum Glück gibt es in jedem Dorf einen Brunnen mit Trinkwasser. Doch mit kletternden Temperaturen nahm meine Leistungsfähigkeit ab und ich hatte Probleme die Steigungen hoch zu kommen, während es Uwe ziemlich leicht fiel. In Sankt Peter angekommen, war ich schon ziemlich fertig. Doch irgendwie ging es weiter den Brenner entlang und nach einer Eis-Pause an einer Tankstelle lief es schon wieder etwas besser. Der Track wechselte zwischen asphaltierten Wirtschaftswegen und verkehrsreichen Nebenstraßen. Polizei auf den Nebenstraßen, welche die Urlauber auf die Autobahn umleiten sollen, sahen wir nicht. Leider führte der Track zwei Mal durch längere Tunnel auf verkehrsreichen Straßen und das war uns dann doch etwas zu risikoreich also umfuhren wir die Tunnel auf den nebenliegenden Radwegen.
Ritten/Klobstein (Achenpass)
Kurz vor Brixen hatte ich noch einen Platten, doch der ließ sich relativ schnell beheben. Zum Glück sollte dies der einzige technische Defekt auf der ganzen Tour bleiben. Am Nachmittag erreichten wir Brixen, wo wir in einer kleinen Pizzeria ordentlich Pizza bestellten. Da wollten die Augen wohl wieder mehr als der Magen, so dass Uwe ein übrig gebliebenes Pizzastück auf den Saddle Bag schnallte.
Nach dem Gelage ruhten wir eine halbe Stunde auf einer Parkbank. Am späten Nachmittag ging es weiter in Richtung Ponte Gardena und von dort kurbelten wir uns über die ersten Serpentinen und eine längere Steigung mit 15% nach Ritten zum Ortseingangsschild von Klobstein. Beim Kontrollfoto knipsen mit den Rädern wurden wir von einer Autofahrerin nach einem Hotel gefragt, welches wir jedoch nicht kannten. Im Ortskern fanden wir endlich einen Brunnen um unseren leeren Wasserflaschen zu füllen und uns mal das Gesicht zu waschen. Was für eine Wohltat. Ein paar Kilometer weiter sahen wir auf einer Wiese eine große Hochzeitgesellschaft, die offensichtlich das Ziel der Autofahrerin war. Ein Büffet konnten wir aber weit und breit nicht erblicken, dafür nur gut gekleidete Hochzeitsgäste. Es ging noch einige Kilometer bergauf und der Sonnenuntergang tauchte die umliegenden Berggipfel in ein leichtes Rot. Bei der anschließenden Abfahrt schalteten wir schon einmal vorsichtshalber die Lichter an, doch es war noch was zu sehen.
Penser Joch
Im Sarntal angekommen war es nun endgültig dunkel geworden, doch es fuhren noch immer einige Autos die Landstraße entlang. Uwe wurde so langsam müde und wir suchten in Sarentino eine Übernachtungsmöglichkeit. Leider hatten um Zehn Uhr abends schon alle Hotels zu und weiterfahren war auch keine Option. Das EC-Hotel im Ortskern war um diese Uhrzeit auch keine Option, weil dort noch zu viel los war. Also machten wir es uns außerhalb der Ortschaft auf einem Feld gemütlich. Nach zwei Stunden Schlaff wurde es Uwe zu kalt und wir zogen in das EC-Hotel um, wo wir nochmal zwei Stunden blieben. Um zwei Uhr stiegen wir wieder auf die Räder und fuhren in der Dunkelheit weiter. Bei Nacht zu fahren finde ich immer sehr entspannend, weil kaum noch Autos unterwegs sind und man sich vollständig auf das Fahren konzentrieren kann. In Riobianco brauchte Uwe erneut eine kurze Schlaff-Pause. Bei mir dagegen lief es gerade richtig gut und ich war hellwach. Da wir aber zusammen fahren wollten, setzte ich mich dazu und döste herum. Nach einer Stunde ging der Anstieg weiter und es begann langsam zu dämmern, während wir die Steigung zum Penser Joch hinauf fuhren. Das fahle Licht, die wenigen Bäume und die ungewohnte Ruhe auf dem oberen Tal sorgten für eine gespenstische Stimmung. Ab und an wurde die Ruhe von den Glocken der Kühe unterbrochen. Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichten wir den Gipfel und machten sogleich ein Foto von Rädern und Passschild.
Jaufenpass
Nach der Abfahrt gingen wir in Sterzingen abseits des Tracks auf der Suche nach einem Bäcker. Nach einem kleinen hin und her fanden wir im Stadtzentrum ein Café, welches gerade öffnete. Das Café war zwar etwas urig, doch wir machten es uns gemütlich und bestellten Kaffee und Knödelsuppe. Unser Programm für diesen Tag sah den Anstieg zum Timmelsjoch am Vormittag vor, optional wäre der Kühtai. Zwischen 20 und 7 Uhr ist das Timmelsjoch gesperrt und wir hätten im Tal warten müssen und dann hätten wir Probleme mit der Zeit bekommen. Gestärkt und in voller Vorfreude ging es den Jaufenpass hoch. Dabei war Uwe motivierter als ich, denn bei der ersten Steigung war er nicht mehr zu sehen. Man hätte diesen Geschwindigkeitsunterschied natürlich auch auf meine mangelnde Fitness zurückführen können. Das war ein wenig deprimierend so schnell abgehangen zu werden, aber nach ein paar Kilometern hatte ich mich damit abgefunden.
Auf dem Anstieg nahm der Verkehr in Form von Autos und Motorrädern merklich zu und auch die ersten Rennradfahrer fuhren langsam an mir vorbei. An eine Gruppe hängt ich mich zur Motivation ran und folgte ihnen um einige Kehren. Am Gipfel angekommen, wartete Uwe bereits und nach einem kleinen Stück Apfelstrudel und etwas Cola ging es nach San Leonard.
Timmelsjoch
Die Abfahrt endet im Ort mit dem Anstieg zum Timmelsjoch. Nun war es früher Vormittag und die Temperaturen begannen zuzunehmen genauso wie die Anzahl an Autos, Bussen und Motorrädern. Für mich war der 29 km lange Anstieg mit 1800 Hm einer der anspruchsvollsten der ganzen Tour. So durchlebte ich mehrere Tiefs und machte gefühlt unzählige Pausen. An einem Restaurant, wo ich meine Flaschen auffüllen konnte, traf ich auch zwei Rennradfahrer im Bikepacking Modus, die in Zwei Wochen 10.000 Hm schaffen wollten. Dies war beruhigend und gleichzeitig aufmunternd, dass es Leute gibt, die noch verrückter sind als Uwe und ich.
Aufgrund der vielen Pausen zog sich der Anstieg unendlich in die Länge und ich kam dem Gipfel kaum näher. Doch irgendwann hatte ich darauf keine Lust mehr und mir vorgenommen ohne Pausen, aber gleichmäßig den Anstieg hochzufahren. Nach gefühlten Stunden und kurzen Abschnitten mit 15% Steigung hielt ich vor dem Tunnel mit den schweren Stahltüren für ein paar Fotos an. Man hörte bereits von hier, wenn die Motorradgruppen das Tal hinauffuhren. Wie leben bloß die Bauern mit dieser Dauerbeschallung? Eine junge Rennradfahrerin genoss ebenfalls auf der Steinmauer sitzend das Alpenpanorama. Es kam jedoch zu keinem Gespräch, da Uwe höchst wahrscheinlich schon wartete.
So fuhr ich die letzten paar Kilometer schnell zum Gipfel. Hinter einem Getümmel von Motorrädern und deren Fahrern saß der Uwe mit einer Cola-Flasche. Nach ein paar Schlucken, den obligatorischen Fotos saßen wir auch schon wieder auf den Rädern. Uwe wartete schon fast eine Stunde und ihm wurde so langsam kalt. Auf der Abfahrt sahen wir noch ein paar Schneewände.
Ein kurzes Stück ging es noch bergauf und dann für eine lange Strecke abwärts bis nach Pens, wo wir uns in einem Supermarkt für Sonntag eindeckten und in einem Restaurant ein paar Nudeln aßen.
Kühtai
Nach ein paar Kilometern im flachen Tal wurde der Wind plötzlich stärker und der Himmel dunkler. Wir stellten uns in einer Bushaltestelle unter um die Regensachen anzuziehen .Unter dem Platzregen verwandelte sich die Straße in einen kleinen Bach. Unter diesen Umständen konnten wir nicht zum Kühtai hinauffahren also suchten wir nach kurzer Diskussion nach einer Unterkunft. Der erste Versuch etwas zu finden schlug fehl und da der Regen aufhörte, versuchten wir unser Glück und hofften auf gutes Wetter auf dem Kühtai.
Die Strecke zum Gipfel war kaum von Autos und Motorrädern befahren und führte durch einen Nadelwald mit plätschernden Bächen. Nach den ersten Kehren klarte es wieder auf und die Sonne strahlte die Gipfel der Tannen an. Nach ein paar Kilometern konnten wir auch schon wieder in der Sonne fahren, doch mit der Abenddämmerung sanken die Temperaturen und Uwe war so kalt, dass er seine Rettungsdecke unter die Jacke steckte. Ein paar Kühe am Straßenrand schauten ganz gespannt zu und nach wenigen Minuten gesellten sich noch mehr dazu. Wir schoben unsere Räder durch die kleine Herde und fuhren dann schnell weiter so dass uns die Kühe nicht folgen konnten. Auf den Wiesen zum Gipfel standen überall Kühe selbst auf den Straßen.
In einem fast verlassen Ort am Gipfel machten wir das Kontrollfoto in einer Bushaltestelle. Dort zogen wir, geschützt vor dem Wind, alles an Kleidung für die Abfahrt und die Nacht an. Uwe stopfte sich erneut die Rettungsdecke unter die Jacke bis auf einige Enden. Mit der Dämmerung ging es über leere Landstraßen durch Tunnel schnell abwärts. Der Fahrtwind riss einzelne Teile von Uwe‘s hervorstehender Rettungsdecke los und diese raschelte ziemlich laut. Die in den Straßen eingelassenen Gitter sorgten dabei immer für einen Schreckmoment, da die
Reifen das ein oder andere Mal auf dem glatten Stahl abzurutschen drohten. Bei Nässe sind die Gitter nur mit Vorsicht zu passieren.
Nach der Abfahrt fuhren wir noch einige Kilometer in der Dunkelheit durch kleine Orte und das Gewerbegebiet von Zirl bis nach Inzing. Wo wir zunächst in dem Bahnhof nach einer Schlafmöglichkeit suchten und uns schließlich auf zwei Sitzbänke außerhalb der Ortschaft niederließen. Trotz zahlreichen Mücken war ich relativ schnell weg. So um Mitternacht meldet sich Uwe, dass es ihm zu kalt sei. Also machten wir uns ausgekühlt und Müde auf zur nahegelegenen Bank, in der ich mit meiner EC-Karte auch tatsächlich reinkam. Die kleine Bank verfügte über ein großes Foyer, indem wir es uns auf dem Boden bequem machten.
Buchener Sattel und Kesselberg
Um drei Uhr morgens machten wir uns wieder auf zur nächsten Kontrolle nur wenige Kilometer entfernt. Wir waren zwar noch etwas müde, doch die Straßen leer und somit der Weg frei für den letzten Tag unserer Tour. Nach dem kurzen Anstieg folgte an der Kontrolle an einem Hotel fast automatisch das Kontrollfoto und schon fuhren wir ins Tal hinab, wo wir um halbsechs nach einer Bäckerei suchten.
Erst in Mittenwald hinter der deutschen Grenze fanden wir eine Bäckerei, die jedoch erst in zwanzig Minuten öffnen sollte. Pünktlich zur angegeben Öffnungszeit betraten wir die Bäckerei und bestellten ein Frühstück. In dieser Zeit zog sich der Himmel zu und es begann zu regnen. Nach kurzer Überlegung entschieden wir uns weiter zu fahren. In dem Ort mussten wir dann noch eine Baustelle umfahren, doch nach wenigen Metern waren wir wieder auf dem Track und gestärkt mit ordentlichem Tempo unterwegs. Am Walchensee vorbei ging es schnell die kurze Steigung hinauf zum Kesselberg, der letzten Kontrolle vor Deisenhofen. Nun waren es noch etwa 50 Kilometer bis zum Ziel und da gaben wir nochmal richtig Gas. An einem Seitenarm der Isar sahen wir noch ein paar größere Holzflösse mit feiernden Menschen, die selbst bei dem Dauerregen noch gute Laune hatten.
Die Kilometer auf dem Tacho und dem Navi schmolzen dahin, so dass wir bereits um 11:35 Uhr in Deisenhofen ankamen und uns freuten diese Herausforderung geschafft zu haben.
Von dort ging es sechs Kilometer zurück zum Zeltplatz Thalkirchen, wo wir uns frisch machten und im nahe liegenden Lokal ordentlich aßen. Beim Essen schlug Uwe vor, dass wir jedes Jahr ein Superrandonèe fahren sollten. Am nächsten Morgen bauten wir das Zelt ab, putzten unsere Räder notdürftig und verabschiedeten uns voneinander.
Resümee
Mit dem Wetter hatten wir bis auf den Sonntag Glück, welches in den Alpen auch sehr wechselhaft sein kann. Auch die Temperaturen waren selbst nachts noch erträglich zum Radfahren und lagen bei 8°C und am Tag bei 25°C.
Die Versorgungslage ist ebenfalls ziemlich gut, da es in jedem größeren Ort Gastronomie und Supermärkte gibt. Trinkwasserbrunnen finden sich dagegen in jeder Ortschaft oder gelegentlich am Wegesrand.
Ein Superrandonnée ist eine ganz besondere Herausforderung und nur schwer mit einem regulären 600er Brevet vergleichbar, weil es einen physisch aufgrund der Höhenmeter und mental durch die längere Fahrzeit, mehr fordert. Dafür hatten wir viele schöne Alpenpanoramen und Anstiege.
Besten Dank an Uwe für seine Geduld bei den Anstiegen und sein Durchhaltevermögen bei den Übernachtungen unter freiem Himmel.
Ebenfalls Dank an Jörg und Igor für das Erstellen und Pflegen dieser tollen Tour.