Im 24. Türchen nun also ein bisschen Geschichte zu den Bildern der letzten Tage.
Zu mir gefunden hat das Rad schon im Februar diesen Jahres im Zuge einer ganz gewöhnlichen eBay-Auktion. Eingestellt mit den richtigen Stichworten und vier brauchbaren Fotos, glaubte ich eigentlich nicht daran, dass es zehn Tage lang unter dem Radar bleiben könnte. Also nur fix den Preis ein wenig hochgetrieben und den Rest dem Bietagenten überlassen. Ein paar Minuten nach Auktionsende dann die gute Nachricht über den erfolgreichen Zuschlag
Ein schöne Sache beim Fahrradsammeln ist ja, dass man dadurch immer mal wieder spontan in Regionen kommt, in die man bewusst nicht gefahren wäre. So lag die Abholadresse in einem Stadtteil von Reichenbach, in dem August Horch vor gut elf Jahrzehnten die Steigfähigkeit seiner Automobile erprobte. Was im Navi wie eine gewöhnliche Querstraße aussah, entpumpte sich nach dem Abbiegen in Dunkelheit als etwas, das mich in seiner Steilheit spontan an halsbrecherische Fahrradabfahrten auf Kinderwagenschrägen erinnerte.
Hier ein Bild von der Website der "Freien Presse":
https://www.freiepresse.de/DYNIMG/60/60/4356060_W800C764x509o0x0.jpg
Die sogenannte "Steile Wand von Meerane" ist ein sanfter Hügel dagegen
Das aber nur als Vorgeschichte und damit zurück zum eigentlich Grund der "Reise":
Als Verkäufer stellte sich mir ein sehr sympathischer, älterer Herr vor, der sich mit Blick auf die zweistelligen Minusgrade noch schnell eine dickere Jacke überzog und dann vorweg in Richtung Garage ging. Dort angekommen, strahlte der blaue Diamant unter Kunstlicht noch intensiver als es die Fotos vermitteln können und beim Schwatz über das Rad erkannte ich, dass ich hier die wirklich seltene Gelegenheit hatte, ein Modell 167 aus erster Hand zu kaufen. Dazu noch von jemandem, der es über Jahrzehnte so pfleglich wie nur irgendmöglich behandelt hatte. Er erzählte mir, wie er sich das Rad in jungen Jahren kaufte und welche Veränderungen er über die Jahre vorgenommen hatte. Die zugehörigen Teile lagen alle auf der Werkbank bereit und wurden Stück für Stück für die Mitnahme zusammengepackt. Ab etwa den 70er Jahren stand das Rad übrigens sogar auf einem Drahtreifen-Laufradsatz, weil die Schlauchreifen nicht überzeugt hatten
Ein paar Jahre nach der Wende wurde das Modell 167 durch etwas moderneres abgelöst, aber landete nicht wie viele andere Schätze auf dem Sperrmüll, sondern abgedeckt auf dem Dachboden. Von dort wurde es erst einige Tage vor der Auktion wieder hervorgeholt und da sich sein Besitzer über Sammler und deren Befindlichkeiten schlau gemacht hatte, baute er das Rad in den Ausgangszustand zurück. Den gröbsten Schmutz hat er dabei natürlich weggeputzt, aber zum Glück nichts aufpoliert, sondern auch die flugrostigen Teile so gelassen, wie sie waren. Kannte er als Münzsammler auch so.
Nachdem wir das Rad und die Einzelteile sicher im Auto verstaut hatten, konnte ich den ehemaligen Besitzer mit dem Gefühl zurücklassen, dass sein Rennrad in gute Hände gekommen ist - auch wenn die Formulierung etwas abgedroschen klingt ...
Kurz nachdem ich wieder zu Hause war, musste ich natürlich direkt einen guten Sammlerfreund anrufen und von meinem Kauf berichten. Der wusste auch gleich um welches Rad es ging und wie sich herausstellte, hatten wir uns unabgesprochen gegenseitig hochgeboten.
Aber in diesem Fall fand ich das nicht einmal schlimm, da das Geld ja genau den erreichte, der das Diamant-Rad über sechs Jahrzehnte für die Nachwelt erhalten hat.
Ganz wichtig zu sagen, dass er das Radfahren mit dem Verkauf seines 167ers nicht etwa aufgegeben hat! In der Garage stand auch jenes moderne Markenrad, das dank wesentlich breiterer Übersetzung eigentlich viel besser zu den eingangs erwähnten Steigungen des Stadtteils passte. Gleichermaßen gepflegt und damit sicher auf dem besten Weg, in 50, 60 Jahren ein Klassiker zu werden.
Der Fundzustand des Modell 167 stellte mich allerdings vor eine schwierige Entscheidung.
Bei der Abholung war ich noch voll Tatendrang: alles blitzblank polieren und flugrostige Teile austauschen - kurzum einen technischen und optischen Neuzustand imitieren, war der Plan. Erst bei der Tageslichtbegutachtung am nächsten Wochenende sah ich die nicht zu verdeckenden Lackverluste an den Sitzstreben, die weitgehend bescheidenen Korrosionsschutzeigenschaften der DDR-Galvanik und auch das Detail mit den gemischten Naben.
Darum kamen mir Zweifel an dem Vorhaben und so schaffte ich mir mit Belassen im Fundzustand erstmal Bedenkzeit. Wie schon bei meinem Modell 67 vor einigen Jahren habe ich mich inzwischen mit dem ansonsten unwiederbringlichen "Used-Look" angefreundet und werde es vermutlich genau so lassen, wie ich es übernommen habe. Der Zustand entspricht zwar eigentlich auch nicht dem der letzten Nutzung, aber ein Rückbau aus erster Hand ist ja auch ein Original
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... und damit wünsche ich euch ein wunderschönes Weihnachtsfest sowie besinnliche Feiertage
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So und nun endlich die letzten Fotos des Adventskalenders und der Link zum Flickr-Album:
https://www.flickr.com/photos/46002115@N05/albums/72157676840449738