AW: Neuer Forumsbereich: Fahrtechnik.
Wie meinte mal ein schlauer Mann:
"Der Pfaff verwechselt Ursache und Wirkung" (MEW25,S.256)
Gelobt sei er.
Wer da mal wieder alles verwechselt, und zwar auf fast schon komische Art und Weise (stünde nicht zu befürchten, dass er es tatsächlich nicht besser weiß), ist einmal mehr der eben zitierte User.
Im 15. Kapitel des 3. Bandes des Kapitals leitet Marx die inneren Widersprüche seines Gesetzes des tendenziellen Falls der Profitrate her. (Dessen gerade jetzt wieder zu beobachtende Aktualität wir hier einmal außer Acht lassen wollen.) Und dabei nimmt er Bezug auf die weniger seelsorgerische als vielmehr ökonomische Amtsführung eines seiner Zeitgenossen, des Pastors Thomas Chalmers.
Dieser schottische Protestant hat wahrhaftig seiner Amtskirche die Aufgabe zugeschrieben, sie selbst habe die Armen zu bilden und ihnen die Fähigkeiten zu vermitteln, sich selbst zu helfen.
Gerne habe ich mal wieder in den blauen Bänden geblättert, und tatsächlich: Thomas Chalmers musste natürlich Marx übel aufstoßen (vor allem, wenn dieser, was man bezweifeln kann, Marxist war). Schließlich will Chalmers der Amtskirche Kompetenzen geben, die der spätere Marxismus als staatliche Aufgabe sui generis sehen muss. Er formuliert also:
Karl Marx aus Trier schrieb:
Fällt, wie gezeigt, sinkende Profitrate zusammen mit Steigen der Profitmasse, so wird ein größrer Teil des jährlichen Produkts der Arbeit vom Kapitalisten unter der Kategorie Kapital angeeignet (als Ersatz von verbrauchtem Kapital) und ein verhältnismäßig geringrer unter der Kategorie Profit. Daher die Phantasie des Pfaffen Chalmers, daß je geringre Masse des jährlichen Produkts die Kapitalisten als Kapital verausgaben, sie um so größre Profite schlucken; wobei ihnen dann die Staatskirche zu Hilfe kommt, um für die Verzehrung, statt Kapitalisierung eines großen Teils des Mehrprodukts zu sorgen. Der Pfaff verwechselt Ursache und Wirkung. Übrigens wächst ja die Masse des Profits, auch bei kleinerer Rate, mit der Größe des ausgelegten Kapitals. Dies bedingt jedoch zugleich Konzentration des Kapitals, da jetzt die Produktionsbedingungen die Anwendung von massenhaftem Kapital gebieten. Es bedingt ebenso dessen Zentralisation, d.h. Verschlucken der kleinen Kapitalisten durch die großen und Entkapitalisierung der erstern. Es ist wieder nur in einer zweiten Potenz die Scheidung der Arbeitsbedingungen von den Produzenten, zu denen diese kleinem Kapitalisten noch gehören, da bei ihnen die eigne Arbeit noch eine Rolle spielt; die Arbeit des Kapitalisten steht überhaupt im umgekehrten Verhältnis zur Größe seines Kapitals, d.h. zum Grad, worin er Kapitalist. Es ist diese Scheidung zwischen Arbeitsbedingungen hier und Produzenten dort, die den Begriff des Kapitals bildet, die mit der ursprünglichen Akkumulation (Buch I. Kap. XXIV) sich eröffnet, dann als beständiger Prozeß in der Akkumulation und Konzentration des Kapitals erscheint und hier endlich sich als Zentralisation schon vorhandner Kapitale in wenigen Händen und Entkapitalisierung (dahin verändert sich nun die Expropriation) vieler ausdrückt. Dieser Prozeß würde bald die kapitalistische Produktion zum Zusammenbruch bringen, wenn nicht widerstrebende Tendenzen beständig wieder dezentralisierend neben der zentripetalen Kraft wirkten.
Ich bewundere hier mal wieder den feinen Humor des Trierer Philosophen, der den Begriff des "Pfaffen" auf einen protestantischen Pastor anwendet – genau den Begriff, den erst Martin Luther zu einem Schimpfwort machte, das er in polemischer Absicht gegen, na wen schon, katholische Priester in Anschlag brachte.
Verzeiht dieses unerwartet lange Einlassung, aber ich vermute, dass nicht alle Forumskameraden die Zusammenhänge vollumfänglich in Erinnerung haben – und mit Sicherheit schon gar nicht der eingangs Zitierte
no*dice (im Englischen eine humorvolle idiomatische Wendung, die die Qualität der intellektuellen Anstrengungen dieses Users exakt beschreibt).
Mit sportlichem Freundesgruß,
Eisbrecher
PS: Liebe Moderatoren, ich weiß, daß das hier off-topic ist (fast unentschuldbar in meinem eigenen Thread!), aber wie soll man sonst des Flamens Herr werden?