ukreisel
Foundation for the Advancement of Cycling
Auf www.verwandt.de lässt sich nachlesen, dass es in Deutschland 135 Telefonbucheinträge für den Namen Stiebert gibt, was bei den hierzulande üblichen Durchschnittshaushaltsgrößen in etwa 360 Personen entspricht, die diesen Namen tragen.
Im Sommer 2014 hatte ich ein Fahrrad gekauft, im bayerischen Augsburg, das den Namen Stiebert auf Unter- und Sattelrohr trug. Herauszufinden war über Hersteller und Produktionsort rein gar nichts, auch hier auf rennrad-news herrschte Schweigen, mit der Ausnahme eines blauen Rahmens, der etwas neueren Datums war. Ein weiterer Rahmen tauchte bei www.steel-vintage.com in Berlin auf. Der Text zum Rahmen war freilich nicht sonderlich informativ: "Very rare vintage bicycle frame by small manufacturer Stiebert. The frame and fork are made of very light high-end Reynolds 708 steel tubes. There are lots of pantographs on the frame." An anderer Stelle hieß es noch: "Stiebert classic steel bicycles are very rare in the cycling market today. Their lightweight design meant these bikes became very popular and are now highly collectible." Das war natürlich frei und ohne einen Hauch von Ahnung oder gar Wissen in den Computer fabuliert. "Very rare" war offensichtlich, aber offensichtlich war auch, dass der Schreiber ebensowenig wie ich wusste, woher die Stiebert-Rahmen stammten.
Zwei Jahre später, im Spätsommer 2016, entschloss ich mich zu einem letzten, fast schon verzweifelten Versuch, das Stiebert-Rätsel zu lösen, indem ich an die elf ersten Stieberts schrieb, derer ich online habhaft werden konnte: ob sie jemals von der Marke gehört hätten, was über den Markeninhaber bekannt sei, ob sie weitere Details beitragen könnten.
Ich hatte nicht ernsthaft mit einer Antwort gerechnet, aber bereits am Abend war das bislang größte Rätsel der Fahrradgeschichte gelöst, witzigerweise von dem Mann, der auf Platz 1 meiner E-Mail-Liste stand.
In einer ersten Mail berichtete mir der Sohn von Stiebert senior, dass sein Vater von 1979 bis 2001 Rahmen gebaut hatte, ausschließlich in Handarbeit, die dann in der eigenen Lackkammer lackiert wurden. "Mein Vater legte größten Wert auf Qualität und die saubere Verarbeitung der Rahmen." Der Sitz der Marke bzw. die Produktionsstätte war in Augsburg–Haunstetten. Überwiegend wurden die Rahmen mit Reynolds-Rohren gefertigt; daneben wurde Columbus-Rohr verwendet.
Der erste Stiebert-Rahmen war 1979 entstanden, als der junge Stiebert – in den späten 1970ern und frühen 1980ern selbst aktiver Radsportler – nach einem Wachstumsschub nicht mehr recht auf sein Colnago passen wollte. Fritz Stiebert scheute die Kosten für einen weiteren Italiener und baute, in einer selbstangefertigten Holzlehre, seinen ersten Rahmen. Auf eben dieser Holzlehre, so wurde mir versichert, sei auch mein Rahmen entstanden.
Fritz Stiebert hat 22 Jahre lang Fahrräder gebaut. Wenn er sehr fleißig war, hat er es vielleicht auf etwa 100 Rahmen pro Jahr gebracht. Damit dürfte Stiebert die exklusivste Marke in meiner Sammlung sein, die, abgesehen von einem Fritz-Fleck-Rahmen, überwiegend aus Fabrikfahrrädern besteht. Mein Stiebert nimmt da als Rad vom Handwerker eine klare Sonderstellung ein.
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