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Emschermetall

Salamander

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27 Februar 2010
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Tief im Westen
Aus gegebenem Anlass eine kleine besinnliche Geschichte zum Jahresanfang :)

Nein, Emschermetall ist keine gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen besonders widerstandsfähige Stahl-Legierung. Auch keine vierteilige Fernsehserie eines öffentlich-rechtlichen Landessenders über Eingeborene und Eisenkocher des nördlichen Ruhrgebiets. Emschermetall ist eine Institution mit der Lizenz zum Geld drucken, eine Institution in Sachen Schrott und Schore.

Emschermetall ist die Firma Karl Lisecki - Schrott- & Altmetallhandel GmbH, Paralellstr. 98 in Gelsenkirchen-Bismarck.
Allein Name und Adresse der Firma lassen Eingeweihte eine Gänsehaut kriegen. "Bismarck": verblühter russgeschwärzter Stadtteil, einst dominiert von den Zechen Consolidation und Bismarck (wobei letztere genaugenommen in Resse lag, also jenseits des Kanals und der zur offenen Abwasserschlagader mutierten Emscher). Zufahrt über die Paralellstraße, eine Schlaglochstrecke neben kilometerlangem Gleislabyrinth. In den zerfallenen Begrenzungssteinen noch Einschüsse der Flieger vom letzten Krieg; die als Leitplanken einbetonierten Eisenrohre sind entweder dem Rost zum Opfer gefallen oder weisen jetzt unaufmerksamen Fahrern den Weg die Böschung hinab. Auf der anderen Seite der Gleise die Autobahn 42, tagsüber auch Emscherschleichweg genannt und an dieser Stelle des nachts gerne genutzt für illegale Autorennen.

Schon die Zufahrt ist ein Erlebnis und gibt einen Vorgeschmack auf den Eingang zur Unterwelt: Den richtigen Warteplatz finden, bis Waage frei ist. Nicht in der Einfahrt halten, wo LKW zum Güterbahnhof oder zum Schrotthandel durchbrettern. Die Fahrer dieser 3- bis 30-Tonner fürchten Hupe oder Beule genausowenig wie Tod und Teufel. Dazwischen karren Hebefahrzeuge mit Eimern voller Schrott umher - wobei Eimer für die riesigen tonnenschweren Stahlbehälter leicht untertrieben ist. Endlich auf der Waage, gilt es schon für den Wiegezettel der ersten tödlichen Gefahr zu begegnen. Das Büro ist ein klaustrophobischer Raum, in dem Wolfgang Menge sich vor über 30 Jahren Inspirationen für sein preisgekröntes Fernsehspiel "Smog" geholt haben muss. Die Luft zum Schneiden dick, ein Gemenge aus Zigarettenrauch und den Ausdünstungen von in Kanne und Warmhalteplatte eingebranntem Kaffeeteer. Dienen die kiloschweren Gewichte wohl zum Kalibrieren der Waage oder eher als Handwaffen, wie vermutlich die knapp meterlangen Stahlkeulen neben dem Schreibtisch? Ich habe nie versucht es rauszufinden. In dem gut DIN-A-0 großen Raum findet sich noch Platz für diverse Schmuckstücke, die vor dem Einschmelzen gerettet wurden. Granathülsen in allen Größen, Kupferkessel, Samowar und Wasserpfeife aus 1001 Nacht, aber auch mancherlei bizarres Gekröse, gekrönt von einem phallisch geformten Stahlteil. Achja, und dann sind da noch Anzeigen, Drucker, Computer und Monitore mit grün-schwarzem Bildschirm für die Waage - ein Wunder, dass solch hochmoderns High-Tech-Geräte in dieser archaischen Atmosphäre überleben konnten. Für das Überleben des Büros selber sorgt ein Käfig aus armdicken Stahlrohren.

Anschließend gilt es, sich mit dem Fahrzeug zum Abladeplatz durchzuschlagen. Vorbei an haushohen Schrottbergen, zwischen denen Gänge und gepanzerte Unterstände sind. Das ganze erinnert an Schützengräben auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs. Dazwischen die Waffen der Schrottsoldaten: Karren mit mannshohen Eisenrädern für die Gasflaschen der Schneidbrenner. Schleifhexen mit Trennscheiben so groß wie Langspielplatten - und das sind noch die kleinsten Exemplare... Hydraulik-Kompressoren für überdimensionierte Blechscheren und Pressen, die eine Garage auf die Größe eines Einachshängers schrumpfen lassen. Bagger und Kranwagen, die nach einem unergründlichen Plan diese metallische Landschaft Tag um Tag aufs neue formen. Mittendrin bewegen sich behende kleine Wesen, die unsichtbar mit ihrer Umgebung verschmelzen sobald sie einen Moment verharren. Diese lemurengleichen Menschen haben die Farbe ihrer Umgebung angenommen, die Haut genauso wie die Arbeitskleidung - egal ob Blaumann oder einstmals dunkelweißer Schweisseranzug. Wundersamerweise behalten lediglich die Haare ihre Farbe, schwarz zumeist, glänzend schwarz. Ist es Schweiß, Hydraulik- oder Maschinenöl, oder sind die Haare der meist südländischen Arbeiter einfach so glänzend? Und das graue Haar der ältesten Knechte scheint immun gegen die alles überziehende Patina, aber dafür sind deren Gesichter gezeichnet von der jahrzehntelangen Fron, zerfurcht wie die Fahrwege hier. Alles andere ist dunkelrostbraun; kaum ein frisch angeliefertes Stahlteil behält seine graue Farbe länger als einen Tag. Nur der Boden ist noch 2 Stufen dunkler, fast schwarz; unklar ob die Farbe von ausgelaufenem Öl herrührt oder von feinstverteiltem Eisen und Rost. Einzig die Kupferberge leuchten hellrot, wenn vor kurzem ein Container Produktionsreste abgekippt wurde oder frisch abisolierte Kabel (wo immer die auch herstammen mögen...) Am eindruckvollsten ist es an wenn einem nass-kalten Januartag alles im Dunst verschwimmt, an manchen Stellen dampft es aus dem Gewirr, brennende Feuer in Ölfässern spenden ein unheimlich flackerndes Licht und ein wenig Wärme für die durchgefrorenen Schergen.

Mit etwas Glück erleichtert ein Einweiser den Weg durch dieses Labyrinth, ich habe Zweifel ob das eine oder andere anliefernde Fahrzeug nicht den selben Weg wie seine Ladung gegangen ist... Wenn sich dahin so eine Rostlaube von Kleinwagen verirrt und eine Minute rumsteht, kann sich der Baggerfahrer mit dem Greifer schon mal vertun... Ich habe bisher jedenfalls Glück gehabt und bin dieser Apokalypse immer entronnen, ohne Schaden an Material und Gesundheit. Mit dem Kastenwagen durch metallischen Schlamm und über Pisten aus zentimeterdicken Stahlplatten gerumpelt. Kein Wunder, dass an dem Mitsubishi laufend Visitenkarten von afrikanischen Autohändlern stecken. Aber auch im Nahen Osten kommt der L 200 wohl bombig an... Doch zurück zu Emschermetall. Am Ende landet man immer an einer Art Sackgasse, nur haben die meist sonst einen komfortablen Wendehammer. Wenn man irgendwo warten muss, bleibt Zeit um Details aus dieser Ursuppe des Materialkreislaufes wahrzunehmen: Heizkörper verkeilt zwischen undefinierbaren Maschinen und massiven Stahlträgern; natürlich ausgeweidete Autokarossen, Achsen, Felgen und Motoren überall; der Haufen alter Fahrräder, Kochtöpfe, Badewannen und Kleinmöbel stammt sicher von einem fahrenden Schrotthändler. Eine Batterie Stahlspinde und Schwerlastregale zeugt von der Schließung eines Gewerbebetriebes, während kubikmeterweise gleich gestanzte Blechreste zeigen dass irgendwo immer noch produziert wird. Dann gilt es, ein vor Baggern und anderen Lieferfahrzeugen halbwegs sicheres Plätzchen zu finden und versuchen zu wenden, ohne sich mit Stoßstange oder Achse unentrinnbar im Schrott zu verhaken. Sicher auch für einen selbst, sicher vor scharfkantigen Blechen im Boden; sicher vor Stolperfallen aus Draht; sicher vor dünnen Eisenstangen, die in Augenhöhe aus dem stählernem Wald herausragen; sicher auch vor den anderen, die mit Elan halbzentnerschweres Geraffel von den Ladeflächen wuchten und durch die Gegend schmeissen.

Jetzt noch unbehelligt zurück und man hat es so gut wie geschafft. Bei meiner vorletzten Fuhre dachte ich einen Moment, alles wäre plötzlich aus und vorbei. Ich war schon fast an der Waage, da bemerkt mich im Entgegenkommen so ein kleines schwarzhaariges Kerlchen, greift in den Hosenbund - und zieht eine Pistole! OK, ich hatte auf dem Rückweg kurz angehalten und in einem unbeobachtet geglaubtem Moment etwas in den Wagen geladen, aber das ist doch kein Grund... Jedenfalls kommt der näher und PENG! PENG!
???
Kein Klirren, keine splitternde Frontscheibe, keine Schmerzen, kein Blut. Ich lebe noch! Dann höre ich wieder "PENG" und irgendein Kauderwelsch und irgendwas von "Bambino". Offensichtlich ein Italiener, der mich über alle Backen anlacht und gutgelaunt plappert, die Pistole sei für seinen Kleinen. Eine Spielzeugpistole oder doch eine echte? Wenn ja, hat er die von einem albanischen Kollegen oder auch im Schrott gefunden? Ich weiß es bis heute nicht... von Schiessereien unter Freunden der italienischen Oper in der Gegend habe ich jedenfalls nichts gehört. Puhhh! Und ich dachte schon... Da hatte ich doch inmitten von dem graubraunem Schrott etwas entdeckt, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Was strahlte mich denn da so blau an? Hammerschlagblau! Das konnte doch nur eins sein - und richtig! Ein Schraubstock lag da achtlos im Dreck, und was für einer. Ein altes massives Gussteil, Backenbreite, 150 mm, geschätzte 50 kg schwer, von hartem Gebrauch gezeichnet aber eigentlich unverwüstlich. Einen Versuch wäre es wert, schlimmstenfalls bring ich den beim nächsten mal wieder mit und vertick den zum Schrottpreis ;) War aber nicht nötig, saubermachen, die Führung etwas nachstellen und das gute Stück funktioniert wieder wie am ersten Tag. Endlich kann ich in der eigenen Garage festgegammelte Auspuffanlagen loswürgen. Ein Superteil, hat mich nur virtuelle 4,50 EUR Tara gekostet. Mein alter Schraubstock nervte mich schon seit 20 Jahren, man soll doch kein billigstes Werkzeug im Baumarktsonderangebot kaufen. Die Spindel ging sauschwer, zum Spannen musste man mit dem Mottek nachhelfen und trotzdem wurde das Werkstück nie richtig gehalten. Überhaupt, Emschermetall: auch eine gute Quelle wenn man irgendwas braucht: ein kleines Profil für eine Halterung oder einen massiven Stahlrundling, um an der Drehbank ein Treibwerkzeug zu improvisieren. Übrigens, durch Zufall hab ich kurz danach aus einem Nachlass einen weiteren Schraubstock erhalten, einen geschmiedeten Peddinghaus Matador. Mit 120 mm Backenbreite und 10 kg im Vergleich dazu scheinbar ein Spielzeug, aber der spannt ebenso gut, eher wandert die Werkbank durch den Keller als dass der nachgibt. Der olle Billigschraubstock hat dann bei der nächsten Ladung auch noch mal ca. 2 Euro zusätzlich gebracht :D

Ab zur Waage, den Wiegezettel fertig machen lassen, den Wagen irgendwo am Rand abstellen und dann zur Kasse. Dazu muss man an der Waage für Kleinmengen vorbei. Wo Klempner ihre glänzende Schore loswerden, Mannoman, die haben die Kupferrohre aber auch unwirtschaftlich abgeschnitten! Von jedem Stück hätten die locker noch einige kürzere Abschnitte bekommen. Statt dessen machen die sich die Arbeit, dauernd ein neues halbes Rohr zu nehmen. So eine Verschwendung aber auch... :rolleyes: Alte Rentner, die olle Tütenlampen und Wasserhähne aus Messing für den Gegenwert einiger Stumpen Fehlfarben eintauschen. Zwei dürre Gestalten mit Unterarmen wie Streuselkuchen mühen sich mit einem Fahrradanhänger ab, um eine Waschmaschine vom Straßenrand in Geld zu verwandeln.

Genug, rein zur Kasse! Ein kleiner Warteraum mit einer pittoresken Installation wirrer Kabel und Leitungen, eine Rohrpostanlage, irgendwie hat eine alte Holzschulbank als Sitzgelegenheit hierher gefunden. Der obligatorische Kalender zeigt Bilder von heissen Autos und Frauen mit teilen Gitten, ganz das richtige für die Prachtexemplare männlicher Supermodels hier. Und ich mittendrin... :D Auch in diesem Raum hat alles eine einheitliche Farbe angenommen, die hier aber organischen Ursprungs ist. Nikotin und Schweiß sind mit jedem Quadratzentimeter eine derart innige Verbindung eingegangen, dass der Einsatz eines Anstreichers ebenso überflüssig wie erfolglos wäre. Sogar ein Kaffeeautomat steht da. Nie habe ich gesehen, dass jemand gewagt hätte daraus eine Tasse zu probieren. Hinter der Glasscheibe ein etwas größeres Büro, man kann sogar bis zum anderen Ende des Raumes sehen und in die Computer hat auch schon die Fenstertechnik Einzug gehalten. Am Schalter eine Tippse, die abrechnet und auszahlt. Die Zukunft ist über dieses Steinzeitgewerbe eingebrochen, jede Rechnung vom Computer, mit Namen Anschrift und Personalausweisnummer; mit Unterschrift über Erhalt des Betrages und der Versicherung, dass die Metalle aus dem uneingeschränktem Besitz des Verkäufers stammen...

Und inmitten der Schreibtische, Aktenregale und Geldschränke steht das Fossil. Steht ER, steht Karl Lisecki! Schwarzer breitkrempiger Schlapphut über kantigem Schädel und faltigem Gesicht, schwarzer knielanger Mantel über massigem Leib. Gern eine Zigarre im Mund, gern eine Tasse Kaffe in der Hand. Lieber irgendwelche Akten oder Papiere zum Durchsehen in der Hand. Noch lieber aber Geld zählend, mit beiden Händen. Immer im Stehen. Immer den Überblick habend. Das ist Emschermetall...
 
Aus gegebenem Anlass eine kleine besinnliche Geschichte zum Jahresanfang :)

Nein, Emschermetall ist keine gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen besonders widerstandsfähige Stahl-Legierung. Auch keine vierteilige Fernsehserie eines öffentlich-rechtlichen Landessenders über Eingeborene und Eisenkocher des nördlichen Ruhrgebiets. Emschermetall ist eine Institution mit der Lizenz zum Geld drucken, eine Institution in Sachen Schrott und Schore.

Emschermetall ist die Firma Karl Lisecki - Schrott- & Altmetallhandel GmbH, Paralellstr. 98 in Gelsenkirchen-Bismarck.
Allein Name und Adresse der Firma lassen Eingeweihte eine Gänsehaut kriegen. "Bismarck": verblühter russgeschwärzter Stadtteil, einst dominiert von den Zechen Consolidation und Bismarck (wobei letztere genaugenommen in Resse lag, also jenseits des Kanals und der zur offenen Abwasserschlagader mutierten Emscher). Zufahrt über die Paralellstraße, eine Schlaglochstrecke neben kilometerlangem Gleislabyrinth. In den zerfallenen Begrenzungssteinen noch Einschüsse der Flieger vom letzten Krieg; die als Leitplanken einbetonierten Eisenrohre sind entweder dem Rost zum Opfer gefallen oder weisen jetzt unaufmerksamen Fahrern den Weg die Böschung hinab. Auf der anderen Seite der Gleise die Autobahn 42, tagsüber auch Emscherschleichweg genannt und an dieser Stelle des nachts gerne genutzt für illegale Autorennen.

Schon die Zufahrt ist ein Erlebnis und gibt einen Vorgeschmack auf den Eingang zur Unterwelt: Den richtigen Warteplatz finden, bis Waage frei ist. Nicht in der Einfahrt halten, wo LKW zum Güterbahnhof oder zum Schrotthandel durchbrettern. Die Fahrer dieser 3- bis 30-Tonner fürchten Hupe oder Beule genausowenig wie Tod und Teufel. Dazwischen karren Hebefahrzeuge mit Eimern voller Schrott umher - wobei Eimer für die riesigen tonnenschweren Stahlbehälter leicht untertrieben ist. Endlich auf der Waage, gilt es schon für den Wiegezettel der ersten tödlichen Gefahr zu begegnen. Das Büro ist ein klaustrophobischer Raum, in dem Wolfgang Menge sich vor über 30 Jahren Inspirationen für sein preisgekröntes Fernsehspiel "Smog" geholt haben muss. Die Luft zum Schneiden dick, ein Gemenge aus Zigarettenrauch und den Ausdünstungen von in Kanne und Warmhalteplatte eingebranntem Kaffeeteer. Dienen die kiloschweren Gewichte wohl zum Kalibrieren der Waage oder eher als Handwaffen, wie vermutlich die knapp meterlangen Stahlkeulen neben dem Schreibtisch? Ich habe nie versucht es rauszufinden. In dem gut DIN-A-0 großen Raum findet sich noch Platz für diverse Schmuckstücke, die vor dem Einschmelzen gerettet wurden. Granathülsen in allen Größen, Kupferkessel, Samowar und Wasserpfeife aus 1001 Nacht, aber auch mancherlei bizarres Gekröse, gekrönt von einem phallisch geformten Stahlteil. Achja, und dann sind da noch Anzeigen, Drucker, Computer und Monitore mit grün-schwarzem Bildschirm für die Waage - ein Wunder, dass solch hochmoderns High-Tech-Geräte in dieser archaischen Atmosphäre überleben konnten. Für das Überleben des Büros selber sorgt ein Käfig aus armdicken Stahlrohren.

Anschließend gilt es, sich mit dem Fahrzeug zum Abladeplatz durchzuschlagen. Vorbei an haushohen Schrottbergen, zwischen denen Gänge und gepanzerte Unterstände sind. Das ganze erinnert an Schützengräben auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs. Dazwischen die Waffen der Schrottsoldaten: Karren mit mannshohen Eisenrädern für die Gasflaschen der Schneidbrenner. Schleifhexen mit Trennscheiben so groß wie Langspielplatten - und das sind noch die kleinsten Exemplare... Hydraulik-Kompressoren für überdimensionierte Blechscheren und Pressen, die eine Garage auf die Größe eines Einachshängers schrumpfen lassen. Bagger und Kranwagen, die nach einem unergründlichen Plan diese metallische Landschaft Tag um Tag aufs neue formen. Mittendrin bewegen sich behende kleine Wesen, die unsichtbar mit ihrer Umgebung verschmelzen sobald sie einen Moment verharren. Diese lemurengleichen Menschen haben die Farbe ihrer Umgebung angenommen, die Haut genauso wie die Arbeitskleidung - egal ob Blaumann oder einstmals dunkelweißer Schweisseranzug. Wundersamerweise behalten lediglich die Haare ihre Farbe, schwarz zumeist, glänzend schwarz. Ist es Schweiß, Hydraulik- oder Maschinenöl, oder sind die Haare der meist südländischen Arbeiter einfach so glänzend? Und das graue Haar der ältesten Knechte scheint immun gegen die alles überziehende Patina, aber dafür sind deren Gesichter gezeichnet von der jahrzehntelangen Fron, zerfurcht wie die Fahrwege hier. Alles andere ist dunkelrostbraun; kaum ein frisch angeliefertes Stahlteil behält seine graue Farbe länger als einen Tag. Nur der Boden ist noch 2 Stufen dunkler, fast schwarz; unklar ob die Farbe von ausgelaufenem Öl herrührt oder von feinstverteiltem Eisen und Rost. Einzig die Kupferberge leuchten hellrot, wenn vor kurzem ein Container Produktionsreste abgekippt wurde oder frisch abisolierte Kabel (wo immer die auch herstammen mögen...) Am eindruckvollsten ist es an wenn einem nass-kalten Januartag alles im Dunst verschwimmt, an manchen Stellen dampft es aus dem Gewirr, brennende Feuer in Ölfässern spenden ein unheimlich flackerndes Licht und ein wenig Wärme für die durchgefrorenen Schergen.

Mit etwas Glück erleichtert ein Einweiser den Weg durch dieses Labyrinth, ich habe Zweifel ob das eine oder andere anliefernde Fahrzeug nicht den selben Weg wie seine Ladung gegangen ist... Wenn sich dahin so eine Rostlaube von Kleinwagen verirrt und eine Minute rumsteht, kann sich der Baggerfahrer mit dem Greifer schon mal vertun... Ich habe bisher jedenfalls Glück gehabt und bin dieser Apokalypse immer entronnen, ohne Schaden an Material und Gesundheit. Mit dem Kastenwagen durch metallischen Schlamm und über Pisten aus zentimeterdicken Stahlplatten gerumpelt. Kein Wunder, dass an dem Mitsubishi laufend Visitenkarten von afrikanischen Autohändlern stecken. Aber auch im Nahen Osten kommt der L 200 wohl bombig an... Doch zurück zu Emschermetall. Am Ende landet man immer an einer Art Sackgasse, nur haben die meist sonst einen komfortablen Wendehammer. Wenn man irgendwo warten muss, bleibt Zeit um Details aus dieser Ursuppe des Materialkreislaufes wahrzunehmen: Heizkörper verkeilt zwischen undefinierbaren Maschinen und massiven Stahlträgern; natürlich ausgeweidete Autokarossen, Achsen, Felgen und Motoren überall; der Haufen alter Fahrräder, Kochtöpfe, Badewannen und Kleinmöbel stammt sicher von einem fahrenden Schrotthändler. Eine Batterie Stahlspinde und Schwerlastregale zeugt von der Schließung eines Gewerbebetriebes, während kubikmeterweise gleich gestanzte Blechreste zeigen dass irgendwo immer noch produziert wird. Dann gilt es, ein vor Baggern und anderen Lieferfahrzeugen halbwegs sicheres Plätzchen zu finden und versuchen zu wenden, ohne sich mit Stoßstange oder Achse unentrinnbar im Schrott zu verhaken. Sicher auch für einen selbst, sicher vor scharfkantigen Blechen im Boden; sicher vor Stolperfallen aus Draht; sicher vor dünnen Eisenstangen, die in Augenhöhe aus dem stählernem Wald herausragen; sicher auch vor den anderen, die mit Elan halbzentnerschweres Geraffel von den Ladeflächen wuchten und durch die Gegend schmeissen.

Jetzt noch unbehelligt zurück und man hat es so gut wie geschafft. Bei meiner vorletzten Fuhre dachte ich einen Moment, alles wäre plötzlich aus und vorbei. Ich war schon fast an der Waage, da bemerkt mich im Entgegenkommen so ein kleines schwarzhaariges Kerlchen, greift in den Hosenbund - und zieht eine Pistole! OK, ich hatte auf dem Rückweg kurz angehalten und in einem unbeobachtet geglaubtem Moment etwas in den Wagen geladen, aber das ist doch kein Grund... Jedenfalls kommt der näher und PENG! PENG!
???
Kein Klirren, keine splitternde Frontscheibe, keine Schmerzen, kein Blut. Ich lebe noch! Dann höre ich wieder "PENG" und irgendein Kauderwelsch und irgendwas von "Bambino". Offensichtlich ein Italiener, der mich über alle Backen anlacht und gutgelaunt plappert, die Pistole sei für seinen Kleinen. Eine Spielzeugpistole oder doch eine echte? Wenn ja, hat er die von einem albanischen Kollegen oder auch im Schrott gefunden? Ich weiß es bis heute nicht... von Schiessereien unter Freunden der italienischen Oper in der Gegend habe ich jedenfalls nichts gehört. Puhhh! Und ich dachte schon... Da hatte ich doch inmitten von dem graubraunem Schrott etwas entdeckt, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Was strahlte mich denn da so blau an? Hammerschlagblau! Das konnte doch nur eins sein - und richtig! Ein Schraubstock lag da achtlos im Dreck, und was für einer. Ein altes massives Gussteil, Backenbreite, 150 mm, geschätzte 50 kg schwer, von hartem Gebrauch gezeichnet aber eigentlich unverwüstlich. Einen Versuch wäre es wert, schlimmstenfalls bring ich den beim nächsten mal wieder mit und vertick den zum Schrottpreis ;) War aber nicht nötig, saubermachen, die Führung etwas nachstellen und das gute Stück funktioniert wieder wie am ersten Tag. Endlich kann ich in der eigenen Garage festgegammelte Auspuffanlagen loswürgen. Ein Superteil, hat mich nur virtuelle 4,50 EUR Tara gekostet. Mein alter Schraubstock nervte mich schon seit 20 Jahren, man soll doch kein billigstes Werkzeug im Baumarktsonderangebot kaufen. Die Spindel ging sauschwer, zum Spannen musste man mit dem Mottek nachhelfen und trotzdem wurde das Werkstück nie richtig gehalten. Überhaupt, Emschermetall: auch eine gute Quelle wenn man irgendwas braucht: ein kleines Profil für eine Halterung oder einen massiven Stahlrundling, um an der Drehbank ein Treibwerkzeug zu improvisieren. Übrigens, durch Zufall hab ich kurz danach aus einem Nachlass einen weiteren Schraubstock erhalten, einen geschmiedeten Peddinghaus Matador. Mit 120 mm Backenbreite und 10 kg im Vergleich dazu scheinbar ein Spielzeug, aber der spannt ebenso gut, eher wandert die Werkbank durch den Keller als dass der nachgibt. Der olle Billigschraubstock hat dann bei der nächsten Ladung auch noch mal ca. 2 Euro zusätzlich gebracht :D

Ab zur Waage, den Wiegezettel fertig machen lassen, den Wagen irgendwo am Rand abstellen und dann zur Kasse. Dazu muss man an der Waage für Kleinmengen vorbei. Wo Klempner ihre glänzende Schore loswerden, Mannoman, die haben die Kupferrohre aber auch unwirtschaftlich abgeschnitten! Von jedem Stück hätten die locker noch einige kürzere Abschnitte bekommen. Statt dessen machen die sich die Arbeit, dauernd ein neues halbes Rohr zu nehmen. So eine Verschwendung aber auch... :rolleyes: Alte Rentner, die olle Tütenlampen und Wasserhähne aus Messing für den Gegenwert einiger Stumpen Fehlfarben eintauschen. Zwei dürre Gestalten mit Unterarmen wie Streuselkuchen mühen sich mit einem Fahrradanhänger ab, um eine Waschmaschine vom Straßenrand in Geld zu verwandeln.

Genug, rein zur Kasse! Ein kleiner Warteraum mit einer pittoresken Installation wirrer Kabel und Leitungen, eine Rohrpostanlage, irgendwie hat eine alte Holzschulbank als Sitzgelegenheit hierher gefunden. Der obligatorische Kalender zeigt Bilder von heissen Autos und Frauen mit teilen Gitten, ganz das richtige für die Prachtexemplare männlicher Supermodels hier. Und ich mittendrin... :D Auch in diesem Raum hat alles eine einheitliche Farbe angenommen, die hier aber organischen Ursprungs ist. Nikotin und Schweiß sind mit jedem Quadratzentimeter eine derart innige Verbindung eingegangen, dass der Einsatz eines Anstreichers ebenso überflüssig wie erfolglos wäre. Sogar ein Kaffeeautomat steht da. Nie habe ich gesehen, dass jemand gewagt hätte daraus eine Tasse zu probieren. Hinter der Glasscheibe ein etwas größeres Büro, man kann sogar bis zum anderen Ende des Raumes sehen und in die Computer hat auch schon die Fenstertechnik Einzug gehalten. Am Schalter eine Tippse, die abrechnet und auszahlt. Die Zukunft ist über dieses Steinzeitgewerbe eingebrochen, jede Rechnung vom Computer, mit Namen Anschrift und Personalausweisnummer; mit Unterschrift über Erhalt des Betrages und der Versicherung, dass die Metalle aus dem uneingeschränktem Besitz des Verkäufers stammen...

Und inmitten der Schreibtische, Aktenregale und Geldschränke steht das Fossil. Steht ER, steht Karl Lisecki! Schwarzer breitkrempiger Schlapphut über kantigem Schädel und faltigem Gesicht, schwarzer knielanger Mantel über massigem Leib. Gern eine Zigarre im Mund, gern eine Tasse Kaffe in der Hand. Lieber irgendwelche Akten oder Papiere zum Durchsehen in der Hand. Noch lieber aber Geld zählend, mit beiden Händen. Immer im Stehen. Immer den Überblick habend. Das ist Emschermetall...

Da muss ich wohl mal hin. Hört sich überaus sympatisch an ;)
 
Da muss ich wohl mal hin. Hört sich überaus sympatisch an ;)
Gibt es nicht mehr, ist im wahrsten Sinne des Wortes platt gemacht. Hatte ich bei motorisiertenn Kollegen so mal geschrieben, mittlerweile sollte ich ein Update verfassen.

Ich kann Dir Schrott Becker in GE Bismarck nennen, Gewerbegebiet Ahlmannshof unweit der ex Zeche Consolidation. Ist aber vom Erlebnisfaktor kein Vergleich :( Für entsprechende Tips im Pott wäre ich dankbar.
 
Aus gegebenem Anlass eine kleine besinnliche Geschichte zum Jahresanfang :)

Nein, Emschermetall ist keine gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen besonders widerstandsfähige Stahl-Legierung. Auch keine vierteilige Fernsehserie eines öffentlich-rechtlichen Landessenders über Eingeborene und Eisenkocher des nördlichen Ruhrgebiets. Emschermetall ist eine Institution mit der Lizenz zum Geld drucken, eine Institution in Sachen Schrott und Schore.

Emschermetall ist die Firma Karl Lisecki - Schrott- & Altmetallhandel GmbH, Paralellstr. 98 in Gelsenkirchen-Bismarck.
Allein Name und Adresse der Firma lassen Eingeweihte eine Gänsehaut kriegen. "Bismarck": verblühter russgeschwärzter Stadtteil, einst dominiert von den Zechen Consolidation und Bismarck (wobei letztere genaugenommen in Resse lag, also jenseits des Kanals und der zur offenen Abwasserschlagader mutierten Emscher). Zufahrt über die Paralellstraße, eine Schlaglochstrecke neben kilometerlangem Gleislabyrinth. In den zerfallenen Begrenzungssteinen noch Einschüsse der Flieger vom letzten Krieg; die als Leitplanken einbetonierten Eisenrohre sind entweder dem Rost zum Opfer gefallen oder weisen jetzt unaufmerksamen Fahrern den Weg die Böschung hinab. Auf der anderen Seite der Gleise die Autobahn 42, tagsüber auch Emscherschleichweg genannt und an dieser Stelle des nachts gerne genutzt für illegale Autorennen.

Schon die Zufahrt ist ein Erlebnis und gibt einen Vorgeschmack auf den Eingang zur Unterwelt: Den richtigen Warteplatz finden, bis Waage frei ist. Nicht in der Einfahrt halten, wo LKW zum Güterbahnhof oder zum Schrotthandel durchbrettern. Die Fahrer dieser 3- bis 30-Tonner fürchten Hupe oder Beule genausowenig wie Tod und Teufel. Dazwischen karren Hebefahrzeuge mit Eimern voller Schrott umher - wobei Eimer für die riesigen tonnenschweren Stahlbehälter leicht untertrieben ist. Endlich auf der Waage, gilt es schon für den Wiegezettel der ersten tödlichen Gefahr zu begegnen. Das Büro ist ein klaustrophobischer Raum, in dem Wolfgang Menge sich vor über 30 Jahren Inspirationen für sein preisgekröntes Fernsehspiel "Smog" geholt haben muss. Die Luft zum Schneiden dick, ein Gemenge aus Zigarettenrauch und den Ausdünstungen von in Kanne und Warmhalteplatte eingebranntem Kaffeeteer. Dienen die kiloschweren Gewichte wohl zum Kalibrieren der Waage oder eher als Handwaffen, wie vermutlich die knapp meterlangen Stahlkeulen neben dem Schreibtisch? Ich habe nie versucht es rauszufinden. In dem gut DIN-A-0 großen Raum findet sich noch Platz für diverse Schmuckstücke, die vor dem Einschmelzen gerettet wurden. Granathülsen in allen Größen, Kupferkessel, Samowar und Wasserpfeife aus 1001 Nacht, aber auch mancherlei bizarres Gekröse, gekrönt von einem phallisch geformten Stahlteil. Achja, und dann sind da noch Anzeigen, Drucker, Computer und Monitore mit grün-schwarzem Bildschirm für die Waage - ein Wunder, dass solch hochmoderns High-Tech-Geräte in dieser archaischen Atmosphäre überleben konnten. Für das Überleben des Büros selber sorgt ein Käfig aus armdicken Stahlrohren.

Anschließend gilt es, sich mit dem Fahrzeug zum Abladeplatz durchzuschlagen. Vorbei an haushohen Schrottbergen, zwischen denen Gänge und gepanzerte Unterstände sind. Das ganze erinnert an Schützengräben auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs. Dazwischen die Waffen der Schrottsoldaten: Karren mit mannshohen Eisenrädern für die Gasflaschen der Schneidbrenner. Schleifhexen mit Trennscheiben so groß wie Langspielplatten - und das sind noch die kleinsten Exemplare... Hydraulik-Kompressoren für überdimensionierte Blechscheren und Pressen, die eine Garage auf die Größe eines Einachshängers schrumpfen lassen. Bagger und Kranwagen, die nach einem unergründlichen Plan diese metallische Landschaft Tag um Tag aufs neue formen. Mittendrin bewegen sich behende kleine Wesen, die unsichtbar mit ihrer Umgebung verschmelzen sobald sie einen Moment verharren. Diese lemurengleichen Menschen haben die Farbe ihrer Umgebung angenommen, die Haut genauso wie die Arbeitskleidung - egal ob Blaumann oder einstmals dunkelweißer Schweisseranzug. Wundersamerweise behalten lediglich die Haare ihre Farbe, schwarz zumeist, glänzend schwarz. Ist es Schweiß, Hydraulik- oder Maschinenöl, oder sind die Haare der meist südländischen Arbeiter einfach so glänzend? Und das graue Haar der ältesten Knechte scheint immun gegen die alles überziehende Patina, aber dafür sind deren Gesichter gezeichnet von der jahrzehntelangen Fron, zerfurcht wie die Fahrwege hier. Alles andere ist dunkelrostbraun; kaum ein frisch angeliefertes Stahlteil behält seine graue Farbe länger als einen Tag. Nur der Boden ist noch 2 Stufen dunkler, fast schwarz; unklar ob die Farbe von ausgelaufenem Öl herrührt oder von feinstverteiltem Eisen und Rost. Einzig die Kupferberge leuchten hellrot, wenn vor kurzem ein Container Produktionsreste abgekippt wurde oder frisch abisolierte Kabel (wo immer die auch herstammen mögen...) Am eindruckvollsten ist es an wenn einem nass-kalten Januartag alles im Dunst verschwimmt, an manchen Stellen dampft es aus dem Gewirr, brennende Feuer in Ölfässern spenden ein unheimlich flackerndes Licht und ein wenig Wärme für die durchgefrorenen Schergen.

Mit etwas Glück erleichtert ein Einweiser den Weg durch dieses Labyrinth, ich habe Zweifel ob das eine oder andere anliefernde Fahrzeug nicht den selben Weg wie seine Ladung gegangen ist... Wenn sich dahin so eine Rostlaube von Kleinwagen verirrt und eine Minute rumsteht, kann sich der Baggerfahrer mit dem Greifer schon mal vertun... Ich habe bisher jedenfalls Glück gehabt und bin dieser Apokalypse immer entronnen, ohne Schaden an Material und Gesundheit. Mit dem Kastenwagen durch metallischen Schlamm und über Pisten aus zentimeterdicken Stahlplatten gerumpelt. Kein Wunder, dass an dem Mitsubishi laufend Visitenkarten von afrikanischen Autohändlern stecken. Aber auch im Nahen Osten kommt der L 200 wohl bombig an... Doch zurück zu Emschermetall. Am Ende landet man immer an einer Art Sackgasse, nur haben die meist sonst einen komfortablen Wendehammer. Wenn man irgendwo warten muss, bleibt Zeit um Details aus dieser Ursuppe des Materialkreislaufes wahrzunehmen: Heizkörper verkeilt zwischen undefinierbaren Maschinen und massiven Stahlträgern; natürlich ausgeweidete Autokarossen, Achsen, Felgen und Motoren überall; der Haufen alter Fahrräder, Kochtöpfe, Badewannen und Kleinmöbel stammt sicher von einem fahrenden Schrotthändler. Eine Batterie Stahlspinde und Schwerlastregale zeugt von der Schließung eines Gewerbebetriebes, während kubikmeterweise gleich gestanzte Blechreste zeigen dass irgendwo immer noch produziert wird. Dann gilt es, ein vor Baggern und anderen Lieferfahrzeugen halbwegs sicheres Plätzchen zu finden und versuchen zu wenden, ohne sich mit Stoßstange oder Achse unentrinnbar im Schrott zu verhaken. Sicher auch für einen selbst, sicher vor scharfkantigen Blechen im Boden; sicher vor Stolperfallen aus Draht; sicher vor dünnen Eisenstangen, die in Augenhöhe aus dem stählernem Wald herausragen; sicher auch vor den anderen, die mit Elan halbzentnerschweres Geraffel von den Ladeflächen wuchten und durch die Gegend schmeissen.

Jetzt noch unbehelligt zurück und man hat es so gut wie geschafft. Bei meiner vorletzten Fuhre dachte ich einen Moment, alles wäre plötzlich aus und vorbei. Ich war schon fast an der Waage, da bemerkt mich im Entgegenkommen so ein kleines schwarzhaariges Kerlchen, greift in den Hosenbund - und zieht eine Pistole! OK, ich hatte auf dem Rückweg kurz angehalten und in einem unbeobachtet geglaubtem Moment etwas in den Wagen geladen, aber das ist doch kein Grund... Jedenfalls kommt der näher und PENG! PENG!
???
Kein Klirren, keine splitternde Frontscheibe, keine Schmerzen, kein Blut. Ich lebe noch! Dann höre ich wieder "PENG" und irgendein Kauderwelsch und irgendwas von "Bambino". Offensichtlich ein Italiener, der mich über alle Backen anlacht und gutgelaunt plappert, die Pistole sei für seinen Kleinen. Eine Spielzeugpistole oder doch eine echte? Wenn ja, hat er die von einem albanischen Kollegen oder auch im Schrott gefunden? Ich weiß es bis heute nicht... von Schiessereien unter Freunden der italienischen Oper in der Gegend habe ich jedenfalls nichts gehört. Puhhh! Und ich dachte schon... Da hatte ich doch inmitten von dem graubraunem Schrott etwas entdeckt, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Was strahlte mich denn da so blau an? Hammerschlagblau! Das konnte doch nur eins sein - und richtig! Ein Schraubstock lag da achtlos im Dreck, und was für einer. Ein altes massives Gussteil, Backenbreite, 150 mm, geschätzte 50 kg schwer, von hartem Gebrauch gezeichnet aber eigentlich unverwüstlich. Einen Versuch wäre es wert, schlimmstenfalls bring ich den beim nächsten mal wieder mit und vertick den zum Schrottpreis ;) War aber nicht nötig, saubermachen, die Führung etwas nachstellen und das gute Stück funktioniert wieder wie am ersten Tag. Endlich kann ich in der eigenen Garage festgegammelte Auspuffanlagen loswürgen. Ein Superteil, hat mich nur virtuelle 4,50 EUR Tara gekostet. Mein alter Schraubstock nervte mich schon seit 20 Jahren, man soll doch kein billigstes Werkzeug im Baumarktsonderangebot kaufen. Die Spindel ging sauschwer, zum Spannen musste man mit dem Mottek nachhelfen und trotzdem wurde das Werkstück nie richtig gehalten. Überhaupt, Emschermetall: auch eine gute Quelle wenn man irgendwas braucht: ein kleines Profil für eine Halterung oder einen massiven Stahlrundling, um an der Drehbank ein Treibwerkzeug zu improvisieren. Übrigens, durch Zufall hab ich kurz danach aus einem Nachlass einen weiteren Schraubstock erhalten, einen geschmiedeten Peddinghaus Matador. Mit 120 mm Backenbreite und 10 kg im Vergleich dazu scheinbar ein Spielzeug, aber der spannt ebenso gut, eher wandert die Werkbank durch den Keller als dass der nachgibt. Der olle Billigschraubstock hat dann bei der nächsten Ladung auch noch mal ca. 2 Euro zusätzlich gebracht :D

Ab zur Waage, den Wiegezettel fertig machen lassen, den Wagen irgendwo am Rand abstellen und dann zur Kasse. Dazu muss man an der Waage für Kleinmengen vorbei. Wo Klempner ihre glänzende Schore loswerden, Mannoman, die haben die Kupferrohre aber auch unwirtschaftlich abgeschnitten! Von jedem Stück hätten die locker noch einige kürzere Abschnitte bekommen. Statt dessen machen die sich die Arbeit, dauernd ein neues halbes Rohr zu nehmen. So eine Verschwendung aber auch... :rolleyes: Alte Rentner, die olle Tütenlampen und Wasserhähne aus Messing für den Gegenwert einiger Stumpen Fehlfarben eintauschen. Zwei dürre Gestalten mit Unterarmen wie Streuselkuchen mühen sich mit einem Fahrradanhänger ab, um eine Waschmaschine vom Straßenrand in Geld zu verwandeln.

Genug, rein zur Kasse! Ein kleiner Warteraum mit einer pittoresken Installation wirrer Kabel und Leitungen, eine Rohrpostanlage, irgendwie hat eine alte Holzschulbank als Sitzgelegenheit hierher gefunden. Der obligatorische Kalender zeigt Bilder von heissen Autos und Frauen mit teilen Gitten, ganz das richtige für die Prachtexemplare männlicher Supermodels hier. Und ich mittendrin... :D Auch in diesem Raum hat alles eine einheitliche Farbe angenommen, die hier aber organischen Ursprungs ist. Nikotin und Schweiß sind mit jedem Quadratzentimeter eine derart innige Verbindung eingegangen, dass der Einsatz eines Anstreichers ebenso überflüssig wie erfolglos wäre. Sogar ein Kaffeeautomat steht da. Nie habe ich gesehen, dass jemand gewagt hätte daraus eine Tasse zu probieren. Hinter der Glasscheibe ein etwas größeres Büro, man kann sogar bis zum anderen Ende des Raumes sehen und in die Computer hat auch schon die Fenstertechnik Einzug gehalten. Am Schalter eine Tippse, die abrechnet und auszahlt. Die Zukunft ist über dieses Steinzeitgewerbe eingebrochen, jede Rechnung vom Computer, mit Namen Anschrift und Personalausweisnummer; mit Unterschrift über Erhalt des Betrages und der Versicherung, dass die Metalle aus dem uneingeschränktem Besitz des Verkäufers stammen...

Und inmitten der Schreibtische, Aktenregale und Geldschränke steht das Fossil. Steht ER, steht Karl Lisecki! Schwarzer breitkrempiger Schlapphut über kantigem Schädel und faltigem Gesicht, schwarzer knielanger Mantel über massigem Leib. Gern eine Zigarre im Mund, gern eine Tasse Kaffe in der Hand. Lieber irgendwelche Akten oder Papiere zum Durchsehen in der Hand. Noch lieber aber Geld zählend, mit beiden Händen. Immer im Stehen. Immer den Überblick habend. Das ist Emschermetall...
:daumen:
Alter, schon mal überlegt, dich als Autor zu versuchen?

Frohes Neues!
 
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im Kieler Hafan gab es einen ähnlichen Schrottpatz,hab da mal für 25 Euro Materialwert 4 Renault Alpin Felgen gekauft
jetzt hängt da ein Schild Kein Abverkauf mehr:(
 
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