evisu
Wird aelter und dicker ...
Hier die Geschichte eines etwas ungewöhnlichen Rahmens.
1986 wurde im VEB IFA-Motorenwerke Nordhausen mit der Produktion von Tourenfahrrädern begonnen. Auf einer nagelneu aus dem Boden gestampften Produktionsstrasse wurden die zu den bekannten MIFA Tourenrädern identischen 26" Touren-Räder gefertigt, deren Sexappeal schon zu DDR-Zeiten nicht vorhanden war. Auch waren Qualität und Nutzwert nicht besser als die Sangerhausener Produkte und selbst unter Sammlern von DDR Fahrrädern findet sich eigentlich niemand, der sich freiwillig so eine Gurke in die Sammlung stellt.
Produktionsleiter war Joseph Jahn. Gekommen ist er an die Position, weil er einer der wenigen bei IFA Nordhausen war, die so in etwa wussten, wie ein Fahrrad gefertigt wird und auszusehen hat. Jahn selbst war in den 1960ern erfolgreicher Querfeldeinfahrer und krönte seine Karriere 1964 mit dem Gewinn der DDR-QFE Meisterschaft, welche er auf einem leicht modifizierten Diamant Strassenrennrad gewann.
Nach dem Zusammenbruch der DDR fand sich mit Winora ein Interessent für die Fahrradproduktion in Nordhausen und fortan wurden dort eben Winoras produziert.
In der ersten Hälfte der 90er Jahre (genauer geht´s grade nicht) bekam Jahn, der auch nach der Wende für einige Jahre Geschäftsführer blieb, Besuch aus der ehemaligen Sowjetunion. Dieser brachte zwei Rahmen mit, gefertigt von ehemaligen Technikern aus der sowjetischen Raketenentwicklung. Da die UdSSR nicht mehr existierte, das Land im Chaos versank, Löhne für Staatsbedienstete über Monate ausblieben, aber anscheinend noch Materialien verfügbar waren oder verfügbar gemacht werden konnten, versuchten anscheinend einige findige Ingenieure über die Fahrradproduktion an Devisen zu kommen. Man liess Jahn die zwei Fahrradrahmen, ein Rennrad und ein Mountainbike zur Ansicht dort. Die Idee der Russen war, dass Winora die Vermarktung der in Russland gefertigten Rahmen übernehmen sollte. Das besondere an den Rahmen war das Material, beide Rahmen waren aus Titan gefertigt.
Jahn hörte sich um und befragte die Firmenführung, Händler, Freunde ... die Antwort war immer gleich pessimistisch. Finger weg! Garantiefälle schwer abwickelbar, keine Kontrolle über die Produktion etc.
Nach einigen Tagen medeten sich die Russen wieder und holten sich das finale "Danke, aber nein" ab. Jahn gab ihnen beide Rahmen, die Russen winten jedoch ab und schenkten ihm diese. Dort verweilten sie über 20 Jahre in einem Gartenschuppen ... bis ich um die Ecke kam.
Die Geschichte ist ungewöhnlich, aber wahr. Wirft man einen Blick auf den Rahmen, kann man auch verstehen, warum alles andere als eine Ablehnung unverständlich gewesen wäre. Wer auch immer das Teil gefertigt hat, hatte wenig Erfahrung im Rahmenbau. In seinen Details erinnert der Rahmen an sowjetische Landmaschinentechnik und hat wenig mit Titankunstwerken anderer Radschmieden zu tun. Zudem ist der Hinterbau nur 126mm breit, in den frühen 90ern hatte sich aber eigentlich schon 130mm als zukunftsträchtig erwiesen.
Was mich wundert sind mehrere Dinge, vielleicht gibt es aber hier Metaller, die zur Lösung des Rätseln beitragen können. Es fängt mit der Farbe an. Der Rahmen sieht aus wie ein gestrahlter Stahlrahmen und hat nicht den schönen, champagnerfarbenen Ganz von Titanrahmen, wie man sie kennt. Das Metall hat allerdings null Rost, Flugrost oder was auch immer. Zudem ist das Metall nicht magnetisch.
Das Gewicht liegt mit 1660gr auf dem Niveau sehr hochwertiger Stahlrahmen vergleichbarer Größe (55 hoch, 56 lang ... beides m-m).
Am meisten wundert mich jedoch die Art der Zusammenführung der Rohre. Einen gemufften (!) Titanrahmen habe ich bislang noch nicht gesehen. Zudem fehlen die feinen Schweißraupen, der Rahmen weisst keinerlei Hinweise auf, wie die Rohre verbunden wurden. Geklebt? Zudem ist der Hinterbau mit deutlichem Versatz eingebaut wurden, sowohl an den Kettenstreben, als auch an den Sitzstreben. Aber auch hier, bei stumpf verbundenen Rohren, keine Schewißraupen, keine Klebehinweise .. innengemufft?
Der Radstand ist für ein Rennrad eigentlich zu lang, das Bremsmaß auch größer als nötig. Man ist fast geneigt, das Teil als Sportrad zu bezeichnen.
Und zu guter Letzt natürlich die Frage aller Fragen ... was tun damit? An die Wand? Lackieren lassen? Aufbauen zum Showrad? Fahren würde ich das Teil eher nicht ... ich traue dem Rahmen einfach nicht.
Zudem kann ich mich des Eindrucks nicht verwehren, dass der Rahmen auch niemals als fahrbares Exemplar gedacht war ... eher so eine Musterstudie. Oder warum sind die Flaschenhalterbefestigungen nicht gebohrt? (Andererseits ist das Tretlagergewinde geschnitten und auch die Madenschraubenbefestigung der Sattelstütze hat ein Innengewinde.)
In der "Aufregung" habe ich vergessen, ein Bild des Gesamten Rahmens zu machen. Ich hoffe, die Detailaufnahmen geben euch einen Eindruck.
1986 wurde im VEB IFA-Motorenwerke Nordhausen mit der Produktion von Tourenfahrrädern begonnen. Auf einer nagelneu aus dem Boden gestampften Produktionsstrasse wurden die zu den bekannten MIFA Tourenrädern identischen 26" Touren-Räder gefertigt, deren Sexappeal schon zu DDR-Zeiten nicht vorhanden war. Auch waren Qualität und Nutzwert nicht besser als die Sangerhausener Produkte und selbst unter Sammlern von DDR Fahrrädern findet sich eigentlich niemand, der sich freiwillig so eine Gurke in die Sammlung stellt.
Produktionsleiter war Joseph Jahn. Gekommen ist er an die Position, weil er einer der wenigen bei IFA Nordhausen war, die so in etwa wussten, wie ein Fahrrad gefertigt wird und auszusehen hat. Jahn selbst war in den 1960ern erfolgreicher Querfeldeinfahrer und krönte seine Karriere 1964 mit dem Gewinn der DDR-QFE Meisterschaft, welche er auf einem leicht modifizierten Diamant Strassenrennrad gewann.
Nach dem Zusammenbruch der DDR fand sich mit Winora ein Interessent für die Fahrradproduktion in Nordhausen und fortan wurden dort eben Winoras produziert.
In der ersten Hälfte der 90er Jahre (genauer geht´s grade nicht) bekam Jahn, der auch nach der Wende für einige Jahre Geschäftsführer blieb, Besuch aus der ehemaligen Sowjetunion. Dieser brachte zwei Rahmen mit, gefertigt von ehemaligen Technikern aus der sowjetischen Raketenentwicklung. Da die UdSSR nicht mehr existierte, das Land im Chaos versank, Löhne für Staatsbedienstete über Monate ausblieben, aber anscheinend noch Materialien verfügbar waren oder verfügbar gemacht werden konnten, versuchten anscheinend einige findige Ingenieure über die Fahrradproduktion an Devisen zu kommen. Man liess Jahn die zwei Fahrradrahmen, ein Rennrad und ein Mountainbike zur Ansicht dort. Die Idee der Russen war, dass Winora die Vermarktung der in Russland gefertigten Rahmen übernehmen sollte. Das besondere an den Rahmen war das Material, beide Rahmen waren aus Titan gefertigt.
Jahn hörte sich um und befragte die Firmenführung, Händler, Freunde ... die Antwort war immer gleich pessimistisch. Finger weg! Garantiefälle schwer abwickelbar, keine Kontrolle über die Produktion etc.
Nach einigen Tagen medeten sich die Russen wieder und holten sich das finale "Danke, aber nein" ab. Jahn gab ihnen beide Rahmen, die Russen winten jedoch ab und schenkten ihm diese. Dort verweilten sie über 20 Jahre in einem Gartenschuppen ... bis ich um die Ecke kam.
Die Geschichte ist ungewöhnlich, aber wahr. Wirft man einen Blick auf den Rahmen, kann man auch verstehen, warum alles andere als eine Ablehnung unverständlich gewesen wäre. Wer auch immer das Teil gefertigt hat, hatte wenig Erfahrung im Rahmenbau. In seinen Details erinnert der Rahmen an sowjetische Landmaschinentechnik und hat wenig mit Titankunstwerken anderer Radschmieden zu tun. Zudem ist der Hinterbau nur 126mm breit, in den frühen 90ern hatte sich aber eigentlich schon 130mm als zukunftsträchtig erwiesen.
Was mich wundert sind mehrere Dinge, vielleicht gibt es aber hier Metaller, die zur Lösung des Rätseln beitragen können. Es fängt mit der Farbe an. Der Rahmen sieht aus wie ein gestrahlter Stahlrahmen und hat nicht den schönen, champagnerfarbenen Ganz von Titanrahmen, wie man sie kennt. Das Metall hat allerdings null Rost, Flugrost oder was auch immer. Zudem ist das Metall nicht magnetisch.
Das Gewicht liegt mit 1660gr auf dem Niveau sehr hochwertiger Stahlrahmen vergleichbarer Größe (55 hoch, 56 lang ... beides m-m).
Am meisten wundert mich jedoch die Art der Zusammenführung der Rohre. Einen gemufften (!) Titanrahmen habe ich bislang noch nicht gesehen. Zudem fehlen die feinen Schweißraupen, der Rahmen weisst keinerlei Hinweise auf, wie die Rohre verbunden wurden. Geklebt? Zudem ist der Hinterbau mit deutlichem Versatz eingebaut wurden, sowohl an den Kettenstreben, als auch an den Sitzstreben. Aber auch hier, bei stumpf verbundenen Rohren, keine Schewißraupen, keine Klebehinweise .. innengemufft?
Der Radstand ist für ein Rennrad eigentlich zu lang, das Bremsmaß auch größer als nötig. Man ist fast geneigt, das Teil als Sportrad zu bezeichnen.
Und zu guter Letzt natürlich die Frage aller Fragen ... was tun damit? An die Wand? Lackieren lassen? Aufbauen zum Showrad? Fahren würde ich das Teil eher nicht ... ich traue dem Rahmen einfach nicht.
Zudem kann ich mich des Eindrucks nicht verwehren, dass der Rahmen auch niemals als fahrbares Exemplar gedacht war ... eher so eine Musterstudie. Oder warum sind die Flaschenhalterbefestigungen nicht gebohrt? (Andererseits ist das Tretlagergewinde geschnitten und auch die Madenschraubenbefestigung der Sattelstütze hat ein Innengewinde.)
In der "Aufregung" habe ich vergessen, ein Bild des Gesamten Rahmens zu machen. Ich hoffe, die Detailaufnahmen geben euch einen Eindruck.