Wie die meisten Verschwörungstheorien leidet auch Deine "Diagnose" unter fehlendem Bezug zur Wirklichkeit. Vor 22 Jahren hat Jan Ullrich die Tour de France gewonnen. Da gab es den großen Hype um Telekom, Radsport war medial in Deutschland ganz groß und hoch angesehen. Jeder zweite Freizeitradler ist mit einem Magenta-Trikot durch die Gegend gefahren und die Werbewirtschaft hat den "Radsporthelden" die Bude eingerannt. Von wegen "Schmuddelkind unter den Sportarten". Da haben sich sogar Bundesminister im Ansehen von Ullrich, Zabel, Bölts etc. sonnen wollen. Davor waren in den 60er-Jahren Altig und in den 70ern Thurau die großen Helden und in der öffentlichen Wahrnehmung alles andere als Schmuddelkinder. Da wollen wir von Frankreich, Belgien, Italien gar nicht reden, wo Radsport immer eine hoch angesehene Sportart war.... Ist der Radsport deshalb immer der Übeltäter Nummer eins, weil es vor über 20 Jahren eine Zeit gab, wo man ihn quasi gar nicht "wahr" genommen hat? Er war nicht populär, eigentlich so ein richtiges Schmuddelkind unter den Sportarten. Irgendwie gab es immer nur Fußball ...
Kriegsminister?@christ32
dieser [***]
Es gibt die Verschwörungstheorie (u.A. von Stéphane Mandard, Sportchef "Le Monde" verbreitet), daß Fuentes der spanischen Justiz gedroht hatte, im Falle einer Verurteilung seine gesamte Kundenliste zu veröffentlichen, weshalb die "Operacion Puerto" als neuer Skandal im Radsport verkauft werden musste, um andere Sportarten zu kaschieren. Das Büro von Fuentes wurde nie durchsucht, obwohl / weil jedem klar gewesen sein sollte, daß man dort Akten zu anderen Sportlern geunden hätte.
kann es sein das der schlechte Ruf des Radsports eher eine sehr deutsche Sicht ist und das andere Nationen ganz anders darüber denken ?
ich denke das in den klassischen Radsportländern wie Frankreich, Spanien oder Italien eine ganz andere Sicht der Dinge herrscht. Die sind einfach radsportbegeistert, Doping hin oder her. Denen ist es Rille ob die Fahrer gedopt haben oder nicht.
Die ersten gesetzlichen Bemühen gegen Doping etwas zu tun gehen in Frankreich zurück bis in die 60er Jahre und es gibt in Frankreich auch Teile der Öffentlichkeit, die die Tour de France wegen der ständigen Doping-Probleme am liebsten für alle Zeit beerdigt hätten - vertreten durchaus auch in der bürgerlichen Presse. In Deutschland hat man dagegen bis vor 10/15 Jahren vielfach noch geglaubt, gegen Doping etwas mit dem Arzneimittelrecht tun zu können ...
Pjotr rettet die Schreibfaulen. Danke!Das ist gelinde gesagt Quatsch. Mag schon sein, dass man in anderen Ländern tendenziell etwas eher bereit ist, "gefallenen Helden" wie Dopern mit einer gewissen Sympathie zu begegnen. Wer sich ein bisschen mit der Materie befasst, wird allerdings feststellen, dass man in Frankreich und Italien viel früher mit staatlichen Instrumenten gegen Doping vorgegangen ist, als etwa in Deutschland. Als es in Deutschland keinerlei rechtliche Grundlage für so etwas gab, haben in Italien Polizisten Pantani wie einen Schwer-Verbrecher abgeführt, als er 99 in Madonna di Campiglio aus dem Giro flog (man darf wohl ohne Übertreibung behaupten, dass dieser Tag der Anfang vom tragischen Ende von Pantani war) und in Frankreich stand z.B. Virenque wegen Dopingvergehen vor Gericht.
Die ersten gesetzlichen Bemühen gegen Doping etwas zu tun gehen in Frankreich zurück bis in die 60er Jahre und es gibt in Frankreich auch Teile der Öffentlichkeit, die die Tour de France wegen der ständigen Doping-Probleme am liebsten für alle Zeit beerdigt hätten - vertreten durchaus auch in der bürgerlichen Presse. In Deutschland hat man dagegen bis vor 10/15 Jahren vielfach noch geglaubt, gegen Doping etwas mit dem Arzneimittelrecht tun zu können ...
Marc Madiot konnte seinen FDJ-Rennstall in den Nuller-Jahren dieses Jahrtausends nur dadurch retten, dass er einen Deal mit seinem Sponsor einging: Die staatliche Lotterie FDJ gab weiter Geld unter der Auflage, dass keinesfalls gedopt werden dürfe, auch wenn das bedeutet hat, auf internationaler Ebene bei großen Rundfahrten faktisch nicht konkurrenzfähig zu sein. Ein Skandal hätte das Ende des Teams bedeutet, das konnte sich der Sponsor, die staatliche Lotteriegesellschaft, nämlich schlicht nicht leisten. Während dieser Zeit hat der ehem. Staatskonzern Telekom noch fröhlich Rudy Pevenage und seine fahrende Apotheke namens Team Telekom finanziert, die btw. auch noch von Wissenschaftlern der bekanntlich mit Staatsknete finanzierten Uni Freiburg unterstützt wurden beim Dopen,
Aus dieser Zeit stammt der in Frankreich geprägte Begriff des "Radsports der zwei Geschwindigkeiten". Auf der einen Seite die Armstrongs, Contadors, Ullrichs, Klödens und Winos, alle "Hackebreit", auf der anderen Seite die Franzosen. Die waren auch nicht alle sauber, unterlagen aber einem viel schärferen Doping-Kontrollsystem als Fahrer aus anderen Ländern - und fuhren deswegen hinterher.
Der wesentliche Unterschied zwischen Deutschland und den klassischen Radsportländern ist, dass man dort schon lange wusste, dass Rad- und andere Spitzensportler häufig dopen, ein Umstand, über den man in Deutschland gerne hinweggesehen hat, wenn es um die eigenen Sportler ging. Als dann klar wurde, wie groß der Sumpf war, haben sich Teile der deutschen Öffentlichekit dann eben gegenüber Radsportlern verhalten, wie störrische Kinder, denen man die Illusion vom Christkind genommen hat und die deswegen ihr Spielzeug kaputt machen.
In Frankreich waren immer viele Zuschauer an der Strecke aber die kamen und kommen nicht allein wegen den Sportlern. Die Tour ist in Frankreich Kulturgut, deswegen kommen die Leute an die Strecke. Außerdem gibt es mit der Werbekarawane eine Art Unterhaltungsprogramm. Es gibt ausserdem Umfragen, nach denen rund die Hälfte der Fernsehzuschauer vorwiegend wegen der Bilder von Landschaft, Städten und Kulturgütern einschalten. Ohne diese Mechanismen wäre die Tour vielleicht längst tot. Prudhomme und seine Vorgänger haben sich auch immer bemüht, die Tour von den Sportlern gedanklich "abzutrennen", z. B. Mit Sätzen wie dem, dass die Tour grösser sei als ihre Protagonisten.Ich muss gestehen das ich mich zur damaligen Zeit nicht für den Radsport interessiert hatte und nur in den Nachrichten hin und wieder davon gehört hatte. Ist den in den Krisenjahren die Radsportbegeisterung merklich zurück gegangen und die Fahrer quasi auf einer leeren Strecke ohne Fans gefahren ?
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Der Anreiz zum Dopen im Profisport ist nicht, schnell zu fahren um den Zuschauern etwas zu bieten, sondern sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu sichern oder wenigenstens keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden, um daruch Einkommen zu erzielen und zu maximieren. Vor dem Hintergund halte ich die Aussagen, dass die Verantwortlichen die Bereitschaft haben müssten, etwas zu ändern oder "der Fisch am Kopf stinke", für höchst fragwürdig. Wie Rudolf Scharping oder die gesamte BDR Spitze zum Thema Doping steht wird faktisch am Grundproblem wenig ändern. ...