lelebebbel schrieb:
Übrigens, bei Motorradrennen fahren 125er und 250er in vielen Kurven dank ihrer schmalen
Reifen deutlich höhere Geschwindigkeiten als die breit bereiften 1000er MotoGP Maschinen.
lelebebbel schrieb:
Nein, denn ebenso wie die benötigte Zentripetalkraft größer wird, wächst auch die Normalkraft, also schlichtweg Gewichtskraft, die das Motorrad auf den Boden drückt, und die Haftung erzeugt. Das gleicht sich aus, insofern der Haftreibungskoeffizient ungefähr bei 1 liegt.
Das mit schmaleren
Reifen höhere Kurvenspeeds möglich sind ist unter Motorradfahrern kein Geheimnis. Die breiten
Reifen an den 1000ern sind nötig, weil man mit ihnen beim Beschleunigen in Schräglage besser am Grenzbereich operieren kann, und weil die dünnen Teile bei 250ps am HR nach 2 Runden weg wären. Die 1000er sind natürlich trotzdem durch den Leistungsvorteil schneller.
Ich kann mein Motorrad mit 160er HR auch sichtbar schneller um die Ecke fahren als die Bigbike-Treiber mit 180er und 190er Schlappen. In den Kurven rauscht man denen fast ins Heck, beim Rausbeschleunigen sind sie dann wieder weg....
Aaaaalso gut. Fangen wir trotz der frühen Stunde von vorn an, bei der Haftreibung, und, weil Du mir nicht zu glauben scheinst, mit dem Wissen der Wikipedianer sowie einem leicht nachvollziehbaren Praxistest am Ende.
Haftreibung: Diese hängt von zwei Faktoren ab: Normalkraft und Reibungskoeffizient. Nicht von der Berührungsfläche der reibenden Körper.
Bei Reifengummi auf (leicht rauhem) Asphalt spielt die Fläche aber sehr wohl eine Rolle, da zu der normalen Haftreibung noch eine gewisse Verzahnung des Reifengummis mit den Unebenheiten der Straße stattfindet. Der Einfachheit wegen zitiere ich Wikipedia:
Wikipedia schrieb:
Bei
Autoreifen spielt neben der Normalkraft und dem
Haftreibungszahl auch die
Reifenaufstandsfläche eine Rolle, da bei Reibung von gummielastischen Stoffen auf rauhen Oberfläche die Verzahnung eine Rolle spielt.
Anmerkung zu den Beispielwerten für Gummireifen: Je nach Gummimischung und nach Fahrbahnbelag treten auch effektive Haftreibungszahlen auf, die deutlich >1 sind (im Motorsport annähernd µ = 2), allerdings ist die Anwendung der Haftreibungsmodelle auf Gummi problematisch, da sich das Material eher wie eine hochviskose Flüssigkeit verhält, z.B. zeigt sich eine deutlichere Abhängigkeit des Reibungskoeffizienten von der Normalkraft als bei anderen Stoffen.
Das heißt: je breiter der
Reifen (und damit meist seine Berührungsfläche mit der Straße), desto schwerer bringt man ihn auf (leicht rauhem) Asphalt zum Rutschen. Dies gilt für Auto- genauso wie für Motorradreifen.
Interessant: der letzte Satz des Zitats. Er besagt, daß bei Gummi (
Reifen) eine Erhöhung der Normalkraft die Reibung stärker als bei anderen Stoffen erhöht.
Ich fasse kurz zusammen: Die Haftreibung in Verbindung mit o.gen. Verzahnung führt zu besserer Haftung der breiten
Reifen schwerer Maschinen gegenüber der Haftung der schmalen
Reifen leichter Maschinen. Da die Zentripetalkraft, um es wieder mit dem
Lexikon zu sagen, durch die Haftreibung (plus "Verzahnung) der
Reifen aufgebracht wird, müssten schwere Maschinen schneller um die Kurve fahren können als leichte.
Warum tun sie es aber nicht?
Hier kommt wieder #21 ins Spiel. Nachdem breite
Reifen als Ursache für die langsamere Kurvenfahrt schwerer Maschinen ausgeschieden sind, bleibt nur noch die Erklärung über die steigenden Zentrifugalkräfte durch höheres Fahrzeuggewicht.
#21 schrieb:
Ich denke, dabei spielt nicht die Breite der
Reifen (deren Einfluß auf die Kurvengeschwindigkeit bei nicht völlig glatter Fahrbahn Du hier genau verkehrt herum beschreibst) eine Rolle, eher daß höhere Gewicht der größeren Maschinen, aus welchem sich bei gleicher Geschwindigkeit und gleichem Kurvenradius eine höhere Zentrifugalkraft ergibt. Diese kann wohl nur in Grenzen durch breitere
Reifen ausgeglichen werden, so daß eine schwere Maschine
trotz (nicht wegen) breiterer
Reifen eher aus der Kurve fliegt als eine kleine, leichte Maschine mit schmaleren
Reifen.
Die Sache mit der Verzahnung bringt auch eine (gibt es noch andere?) Erklärung für den höheren Verschleiss schmalerer
Reifen. PLATT ausgedrückt:
- Einerseits sind die vielen elastischen "Zähne" des breiten Reifens besser in der Lage, auf der ihnen zur Verfügung stehenden größeren Berührungsfläche "Festhaltepunkte" zu finden als die wenigen Zähne eines schmalen Reifens auf eben kleinerer Fläche. Deshalb driftet, wie schon gesagt, ein schmal bereiftes Fahrzeug leichter ab, außerdem drehen die Räder eher durch.
- Andererseits werden, je STÄRKER Schlupf und Drift auftreten, immer MEHR "Zähne" abgenutzt, d.h. der
Reifen verschleißt schneller. Und weil beides beim schmalen
Reifen eher auftritt, wenn dessen wenige "Zähne" die Zentrifugalkräfte oder die Motorenkraft nicht mehr halten können, sind seine Zähne eher abgenutzt, sprich: der
Reifen ist verschlissen.
Analog zum Vergleich: Das Gewinde einer Schraube kann mehr halten, je mehr Gewindegänge beim Halten beteiligt sind. Wenn sie bloß auf dem letzten Gang hängt, ist bald Schluß mit lustig. (wie alle Gleichnisse hinkt auch dieses, klaro.)
PRAXISTEST zum Thema HAFTUNG UND VERSCHLEIß VON
REIFEN AUF DER STRAßE: Burnout.
1. Man nehme einen Fiat Panda, nicht die kräftigste Version (um den Effekt deutlich hervortreten zu lassen), mit Frontantrieb.
2. Zunächst simuliere man ein schweres Bike mit breiten
Reifen. Man montiere 255er
Reifen auf die Antriebsachse des Panda und setze soviele Leute ins Auto und auf die Motorhaube, wie rein- und draufpassen. Man hindere das Auto am Wegfahren. Man versuche, die Räder durchdrehen zu lassen.
3. Man simuliere nun ein leichtes Bike. Man nehme einen neuen Panda, wenn die Kupplung des ersten beim vorigen Versuch in Rauch aufgegangen ist. Man montiere an der Antriebsachse 95er
Reifen. Niemand sitze auf der Motorhaube, im Auto nur der Fahrer. Viel Spaß beim Burnout!