RAG Tag 2 und 3
Gegen 1:00 Uhr wurde beim Stand von ca. 460 km der einzige besetzte Kontrollpunkt der Fahrt in Bilderlahe erreicht. Die Dorfbewohner veranstalten hier immer eine Party in einer Bushaltestelle und organisieren die Versorgung für die RAG-Fahrer. Dafür ist man um diese Zeit sehr dankbar. Ich trank einige Zusatzgläser Cola, nahm mein Versorgungspack auf und hielt mich nicht länger auf.
Im dritten Streckenabschnitt folgt dann mit dem Harz eine landschaftlich sehr schöne Gegend. Allerdings wird hier auch jede Steigung mitgenommen. Das Rennen hat hier über 140 km immerhin einen Durchschnitt von 1,8 % Steigung (der Ötztaler hat auch nur 2,4%). Da hat man schon zu Klettern. Als gegen Morgen ein (ersichtlich kleines) Regengebiet aufzog, entschied ich mich für die ca. 30 Minuten Regen einen Powernapp in einer Bushaltestelle zu machen. Dabei machte ich bei einem Blick auf den Tracker die sehr erfreuliche Entdeckung, dass ich durch die Nachtfahrt auf Platz 1 der Altersklasse Ü60 vorgerückt war.
Nach den 15 Minuten Powernapp ging es durch die zusätzliche Motivation, die Führung zu verteidigen schnell wieder flott voran. Ich dachte erst, dass die schnellen Fahrer vom Vortag mich gleich wieder eingeholt haben würden, aber so war es nicht. Ich konnte eine gute Geschwindigkeit halten und der Abstand nach hinten wurde eher größer.
So ging es den ganzen Tag hindurch weiter nach Süden, zunächst am Rande der Rhön entlang wo ich mich bei km 670 durch eine weitere Packstation versorgen ließ, dann durch Unterfranken, die Region in der ich wohne. Dort gab es in Ebenhausen noch eine nette Überraschung. Ein ehemaliger RAG-Teilnehmer wohnt direkt an der Strecke und hatte dort einen kleinen Unterstützungs-Stand aufgebaut. Sehr nette und engagierte Menschen dort. Zu dieser Zeit gab es erneut etwas Regen.
In Ansbach wurde bei km 860 die letzte Packstation erreicht, dann bruch die zweite Nacht an. Ich fuhr hier auf einer relativ stark befahrenen Straße in der Dunkelheit. Ich fühlte mich da nicht richtig wohl und wusste aus Erfahrung, dass ich eh keine zwei Nächte hintereinander durchfahren kann. Also entschied ich mich, 2 Stunden zu schlafen, um dann etwas später bei geringerem Verkehr durch die Nacht zu kommen. Der Abstand zum zweitschnellsten Fahrer betrug zu diesem Zeitpunkt geschätzte 50 km, das erschien mir ein gutes Polster. Zum Glück hatte ich mich dafür entschieden, einen Schlafsack mitzunehmen, somit konnte ich mich einfach ein paar Meter neben der Straße in ein Feld legen. Es war ziemlich kalt, aber der Daunenschlafsack hielt wunderbar warm und ich konnte 2 h sehr gut schlafen.
Beim Aufwachen allerdings der Schreck: Mein erster Verfolger hatte mich überholt und auch der zweite Verfolger war nicht mehr weit hinter mir. Ich packte schnell zusammen und versuchte, massiv Gas zu geben. Anfangs war es erst einmal schwierig, nach der Pause wieder einen Rhythmus zu finden, nach einer Warmlauf-Phase konnte der Körper aber die neue gewonnenen Kräfte mobilisieren und es ging ziemlich schnell durch die Nacht.
Gegen Morgen hatte ich bei km 930 an der vorletzten Time-Station Mauren knapp nördlich der Donau bereits wieder einen Vorsprung von ca. 1 Stunde. Die Donau wurde überquert und es ging in weitgehend ebenem Gelände an Augsburg vorbei zur letzten Time-Station Moorenweis kurz vor dem Ammersee. Ich mobilisierte auf dieser Strecke nochmals alle Kräfte und konnte meinen Vorsprung auf gut 1,5 Stunden ausbauen. Dort war mir klar, dass ich diesen ins Ziel fahren kann, wenn nicht noch etwas Dummes passiert.
Die letzten 80 km bis Garmisch waren dann zwar landschaftlich wunderschön, aber vom Fahren her eine fürchterliche Quälerei. Zu allem Überfluss wurde ich noch von einer Hummel ins Bein gestochen. Da ging nicht mehr viel und ich hatte Bedenken, dass meine Verfolger dies ausnutzen und mich noch abfangen könnten. Aber die waren genauso fertig wie ich.
Nach knapp 54 Stunden bin ich in Garmisch ins Ziel gefahren und habe damit den Sieg in der Altersgruppe Ü60 erzielt. Ich bin damit sehr zufrieden, aber um der Überheblichkeit vorzubeugen: Der gesamtschnellste nonsupported Fahrer war knapp 37 Stunden unterwegs. Das ist schon noch eine andere Welt! Der ist aber halt auch 30 Jahre jünger….
Im Ziel gab es dann viel Austausch mit den anderen Fahrern und endlich auch wieder etwas Festes zu Essen.
Die Organisation des Rennens ist gut. Vielen Dank hierfür an Dieter und Fritz. Von der Streckenwahl her waren für meinen Geschmack anteilig zu viele große und befahrene Straßen beinhaltet. Ich verstehe aber auch, dass es dafür nicht immer gute Alternativen gibt, wenn man die Streckenlänge nicht noch zusätzlich ausdehnen möchte.
Am Tag nach dem RAG war ich körperlich und mental total erschöpft. Ich war froh, dass ich noch einen Tag in Garmisch bleiben konnte.... Inzwischen ist mein Normalzustand wieder weitgehend erreicht. Ich war heute sogar schon wieder (sehr kurz) auf einem Rad gesessen
