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Leo Estermann - Rahmenbaukunst aus Zürich

Genau, die Speichen kamen ueber Hans Kochlik an Fritz Brühlmann.
Der Einsatz der Speichen ist an DDR Raedern seit München 1972 belegt.

Hans' glaubend, fragte Fritz mehrfach an, ob er ihm nicht eine Speiche geben koenne. Aber da die Staatssicherheit (offiziell oder ueber IM) staendig bei den Events vertreten war, wollte Hans nicht das Risiko eingehen, aber da er sich wohl mit Fritz gut verstand, seinen Wunsch auch nicht abweisen.

Nach Aussage von Hans nahm er also eine als von ihm "defekt" deklarierte Speiche, knipste den Kopf ab und warf sie fuer Fritz sichtbar in eine Muelltonne, wo dieser sie rausfischte.
Sehr schöne Geschichte! Danke dafür😊
Ueberhaupt scheint der Sport viel zur Voelkerverstaendigung beigetragen zu haben. Hans sagte mir auch mal, dass die Italiener ihm immer wieder mal was von Campa zusteckten ... ein Werkzeug, Ritzel, ...
Das ist absolut so! Bei all den Grenzen die uns aufgezwungen wurden, entstand durch den Austausch miteinander, immer sehr viel wunderbares! Dies sollten wir uns in den heutigen Zeiten, in denen wieder mehr in "wir" und "ihr" steuern, nie vergessen!
 

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Re: Leo Estermann - Rahmenbaukunst aus Zürich
Schau mal hier:
leo .
EIne spannende Diskussion.

Betrachten wir mal das Rennrad:
Zwischen den Raedern knapp vor dem 1.WK bis Mitte der 30er Jahre ist kaum ein Unterschied. Keine Gangschaltung (aber 2 Ritzel), 1-2 Bremsen, gerne noch Holzfelgen.

Dann kam die Zeit der Gangschaltungen in anfangs noch verschiedenen Varianten. Die Raeder behielten ihre Form bis in die 70er. Aluminium wurde STandard bei den Anbauteilen, erste Experimente mit Titan Anfang der 70er, verschiedene Bremsentypen wurden erprobt, die Gangzahl wuchs von 3 auf 12 ... aber insgesamt gab es da nicht viel Neues, weiterhin gemuffte Stahlrahmen.

Ab Mitte der 70er die ersten zaghaften Versuche, die Aerodynamik staerker in den Blickpunkt zu ruecken. Fuer mich die spannendste Phase. Experimente mit Rahmengeometrien, muffenloser Verarbeitung, Lenkerformen, Fahrerpositionierung, vorne Einfachantrieb, Rahmenmaterialien, aerodynamischen Sattelstuetzen, und die Laufraeder begannen so auszusehen, wie sie heute noch aussehen: hoehere Felgen zur Verringerung des Windwiderstandes und Flachspeichen. Das alles wuchs dann in den 90ern so wild, dass die UCI sieht bemueht sah, die Form des Fahrrades in die Regularien schreiben zu muessen. Schade :D

Sprich:: Wer die spaeten 70er/80er/90er als Rahmenbauer mitmachte, hatte bessere Startbedingungen fuer groessere Innovationssschritte. Klar ist aber auch, dass viele Rahmenbauer sich da nicht dran beteiligt haben, und es auch Zweifel gab, ob denn die Aerodynamik am Rad notwendig sei, wo doch der Fahrer weiterhin wie eine Wand im Wind steht. Aber da, wo es eben auf 1/10sec ankam, da wurde die Innovation angenommen.

Aber wer ist denn nun der Koenig der Innovationen?
Die Schweiz und die DDR scheinen sich gegenseitig angstachelt zu haben, kommen doch verschiedene fruehe Innovationen aus den beiden Laendern. Fuer mich erscheint auch die Absicht ein wichtiger Aspekt. Muffenlose (oder innengemuffte) Rahmen gab es ja schon kurz nach der Bronzezeit. Aber einen Rahmen muffenlos gestalten, mit der klaren Absicht (und den notwendigen Berechnungen) dahinter, dem Fahrer einen Geschwindigkeitsvorteil zu verschaffen, stellt einen entscheidenden Unterschied da.

Ich wuerde sogar soweit gehen und behaupten, dass die Konzeptionen der Schweizer und DDR-Rahmenbauer die anderen Nationen angestachelt haben, es gleichzutun, und damit ein "Wettruesten" ausloesten. Und dann kamen eben Gitane mit dem halb-integrierten, flachen Aerolenker, kunstvoll gebogene italienische Rahmen, amerikanische "Funny-Bikes" usw.

In der Summe behaupte ich, dass die Raeder von Kochlik, und schliesslich Textima (zumindest bis Mitte der 80er) die Speerspitze bildeten. Hier wurde das Fahrrad als Gesamtkonzept staerker betrachtet. Die Rahmen waren sicher nicht besser als die von Estermann, auf beiden Seiten schoen verarbeitet, dicht an der Perfektion. Auf beiden Seiten mit dem Sportler im Blick, leicht und sexy.
Was in der DDR eben konsequenter gehandhabt wurde, sind die Anbauteile. Die Lenker wurden auf die Fahrer hin angepasst (weshalb viele Lenker eben den Namen des Fahrers eingestempelt haben), die Bremsen bei den Strassenzeitfahrraedern nicht einfach hinter die Gabel geschraubt, sondern zudem neu gestaltet, dass sie sich besser einfuegen, die Zuege nach innen verlegt, die Sattelstuetzen aerodynamisch geformt, Steuersaetze integriert, Kurbeln bearbeitet, Tests mit verschiedenen Kette gemacht, Felgen und Speichen ueberdacht, die Saettel verkleidet, mit Radgroessen experimentiert ...

Fairerweise muss man anmerken, dass es eben bei Textima nicht darum ging, fuer den Markt zu fertigen. Man schoepfte nciht aus dem Unendlichen, aber musste auch nicht wirtschaftlich denken.
Sehe ich in vielen Punkten wie du. Aber wie du eben auch schreibst, hat auch Textima den Höhepunkt zwischen 1972-88 gehabt, Estermann hatte davon schon mehr als 25 Jahre Profis ausgestattet.

Wer sich bei wem was abgeschaut hat, sollten wir definitiv (wie wir beide im privaten Chat schon festhielten) mal gegenüberstellen, darauf hätte ich mit euch große Lust. Ich würde auch nicht sagen, dass sich Estermann lediglich auf Rahmen spezialisierte, dazu kamen eigene Sattelstützen, Lenker, Bremshebelmodifikationen und eigene Räder. Das ganze Equipment von Assos von Helmen bis Anzüge wurde mit Estermann, Schär und Brühlmann akribisch getestet. Da kann @stahlpedaleur ganze Akten zeigen. :D In der Entwicklung haben sich beide definitiv super positiv befruchtet. :) Wie mit den Speichen von der DDR in die Schweiz, Scheibenrädern von der Schweiz in die DDR und bestimmt vielem mehr.

Für mich, wie auch dich, bilden die Schweiz auch die DDR die Speerspitze in der Aeroära, einzig Messori und Gielle haben ähnlich mit Innovationen den Rahmenbau revolutioniert, als sie das Stundenrad von Moser 1984 bauten.
 
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