Ist eigentlich ganz leicht. Wer hat Fausto Coppi oder Hugo Koblet ausgestattet und gleichzeitig Aerorahmen 30-40 Jahre später für die bekanntesten Sprinter und Tourfahrer wie Urs Freuler oder Dill Bundi gebaut? Weil das ist bei Estermann die Messlatte. Wer in den 50ern Rahmen gebaut hat, war meist beim Aerozeug der 80er raus oder hat die Welle mitgenommen. Estermann war Inspiration auch dann noch.
Luigi Gilardi hat schon in den 20-30ern die Profis ausgestattet und bestimmt mehr Profis bestückt als Estermann, aber dafür aber auch nicht so eine Innovation in den 70-80ernan den Tag gelegt. Pogliaghi würde mir noch einfallen, aber der hat auch Anfang 70 aufgehört und seine Rahmen starteten eventuell 1947-50. Um ein deutsches Beispiel zu bringen…Hugo Rickert würde zeitlich passen und war bestimmt ganz vorne in den 50-70ern dabei, aber danach halt auch nicht mehr in der Aerowelle aktiv.
EIne spannende Diskussion.
Betrachten wir mal das Rennrad:
Zwischen den Raedern knapp vor dem 1.WK bis Mitte der 30er Jahre ist kaum ein Unterschied. Keine Gangschaltung (aber 2 Ritzel), 1-2
Bremsen, gerne noch Holzfelgen.
Dann kam die Zeit der Gangschaltungen in anfangs noch verschiedenen Varianten. Die Raeder behielten ihre Form bis in die 70er. Aluminium wurde STandard bei den Anbauteilen, erste Experimente mit Titan Anfang der 70er, verschiedene Bremsentypen wurden erprobt, die Gangzahl wuchs von 3 auf 12 ... aber insgesamt gab es da nicht viel Neues, weiterhin gemuffte Stahlrahmen.
Ab Mitte der 70er die ersten zaghaften Versuche, die Aerodynamik staerker in den Blickpunkt zu ruecken. Fuer mich die spannendste Phase. Experimente mit Rahmengeometrien, muffenloser Verarbeitung, Lenkerformen, Fahrerpositionierung, vorne Einfachantrieb, Rahmenmaterialien, aerodynamischen Sattelstuetzen, und die Laufraeder begannen so auszusehen, wie sie heute noch aussehen: hoehere
Felgen zur Verringerung des Windwiderstandes und Flachspeichen. Das alles wuchs dann in den 90ern so wild, dass die UCI sieht bemueht sah, die Form des Fahrrades in die Regularien schreiben zu muessen. Schade
Sprich:: Wer die spaeten 70er/80er/90er als Rahmenbauer mitmachte, hatte bessere Startbedingungen fuer groessere Innovationssschritte. Klar ist aber auch, dass viele Rahmenbauer sich da nicht dran beteiligt haben, und es auch Zweifel gab, ob denn die Aerodynamik am Rad notwendig sei, wo doch der Fahrer weiterhin wie eine Wand im Wind steht. Aber da, wo es eben auf 1/10sec ankam, da wurde die Innovation angenommen.
Aber wer ist denn nun der Koenig der Innovationen?
Die Schweiz und die DDR scheinen sich gegenseitig angstachelt zu haben, kommen doch verschiedene fruehe Innovationen aus den beiden Laendern. Fuer mich erscheint auch die Absicht ein wichtiger Aspekt. Muffenlose (oder innengemuffte) Rahmen gab es ja schon kurz nach der Bronzezeit. Aber einen Rahmen muffenlos gestalten, mit der klaren Absicht (und den notwendigen Berechnungen) dahinter, dem Fahrer einen Geschwindigkeitsvorteil zu verschaffen, stellt einen entscheidenden Unterschied da.
Ich wuerde sogar soweit gehen und behaupten, dass die Konzeptionen der Schweizer und DDR-Rahmenbauer die anderen Nationen angestachelt haben, es gleichzutun, und damit ein "Wettruesten" ausloesten. Und dann kamen eben Gitane mit dem halb-integrierten, flachen Aerolenker, kunstvoll gebogene italienische Rahmen, amerikanische "Funny-Bikes" usw.
In der Summe behaupte ich, dass die Raeder von Kochlik, und schliesslich Textima (zumindest bis Mitte der 80er) die Speerspitze bildeten. Hier wurde das Fahrrad als Gesamtkonzept staerker betrachtet. Die Rahmen waren sicher nicht besser als die von Estermann, auf beiden Seiten schoen verarbeitet, dicht an der Perfektion. Auf beiden Seiten mit dem Sportler im Blick, leicht und sexy.
Was in der DDR eben konsequenter gehandhabt wurde, sind die Anbauteile. Die Lenker wurden auf die Fahrer hin angepasst (weshalb viele Lenker eben den Namen des Fahrers eingestempelt haben), die
Bremsen bei den Strassenzeitfahrraedern nicht einfach hinter die Gabel geschraubt, sondern zudem neu gestaltet, dass sie sich besser einfuegen, die Zuege nach innen verlegt, die Sattelstuetzen aerodynamisch geformt, Steuersaetze integriert, Kurbeln bearbeitet, Tests mit verschiedenen Kette gemacht,
Felgen und Speichen ueberdacht, die Saettel verkleidet, mit Radgroessen experimentiert ...
Fairerweise muss man anmerken, dass es eben bei Textima nicht darum ging, fuer den Markt zu fertigen. Man schoepfte nciht aus dem Unendlichen, aber musste auch nicht wirtschaftlich denken.