Die Nachtrunkbehauptung ist grundsätzlich die effektivste Verteidigungsstrategie zur Vermeidung einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr. Vor allem, wenn zwischen Tatbegehung und Blutentnahme ein längerer Zeitraum vergangen ist. Rückrechnungsmodelle und auch die Begleitstoffanalyse sind völlig fruchtlos, sofern der Beschuldigte bzw. Angeklagte weiß, wie eine nicht zu widerlegende Nachtrunkbehauptung auszusehen hat. Dazu will ich mich hier nicht äußern, aber ein halbwegs sachkundiger Verteidiger wird seinem Mandanten entsprechende Hinweise erteilen.
Für mich ist die Diskussion auch nur vom akademischen Interesse und du hast aus guten und nachvollziehbaren Gründen darauf verzichtet hier eine Anleitung zu geben. Ich kann nachvollziehen, dass meine Frage zu der Diskussion hier geführt hat, weil ich mir Sorgen wegen einer für mich hohen Geldstrafe gemacht habe. Im Nachhinein betrachtet ist das auch nicht wirklich konsistent mit anderen Überlegungen von mir.
Die moralische Einstellung der betroffenen Personen ist für das Gesetz unerheblich. Das muss auch so sein, denn jeder oder die meisten Menschen wollen ja Rechtssicherheit. Gesetze sollen gelten, auch wenn die moralische Einstellung von Personen ihnen zuwider laufen. Wenn das für andere gelten soll, dann muss ich auch wollen, dass es für mich gilt. Also gleichermaßen für alle in einem Rechtsstaat. Wenn dies nicht im überwiegenden Maß gewährleistet wäre, dann würde auch die Pflicht aller Mitglieder des Rechtsstaates in Frage stehen, den Gesetzen zu folgen. Andersherum: Wenn ein Gesetz im großen Maße nicht realisiert wird, warum sollte ich mich dann verpflichtet fühlen, das Gesetz zu befolgen ?
Allerdings scheint es für andere Menschen relevant zu sein, welche moralische Schuld ein Gesetzesverstoß mit sich bringt und ob sie dann bereit sind eine Aussetzung der Sanktionierung zu akzeptieren und dennoch allgemein wollen, dass Gesetze gelten. Natürlich klingt diese Aussage erstmal widersprüchlich aber man überlege sich folgendes:
Wir können meinen Fall problemlos gedanklich dramatisieren. Angenommen ich hätte ein kleines Kind oder eine schwangere Frau mitgeschädigt. (Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sowas hätte passieren können scheint mir sehr gering, aber theoretisch wäre das möglich gewesen und deswegen habe ich meine Konsequenzen daraus gezogen) Die Reaktionen hier wären wohl ganz anders ausgefallen und die Diskussion, ob man das Gesetz "austricksen" kann wären vermutlich nicht entstanden. Das Argument scheint mir plausibel zu sein und unterstützt meine These, dass andere Menschen auf die Anwendung einer Regel (Sanktionierung) bereit sind zu verzichten, oder eben nicht, in Abhängigkeit von der moralischen Last der Tat.
In anderer aber ähnlicher Form scheint das ja auch in die Gesetzgebung berücksichtigt zu werden. Das äußert sich m.E. im Strafmaß.
Naja, genug von meiner laienhaften Rechtsphilosophie. Ich bin nur froh, dass ich keinen anderen verletzt habe. Und im Zweifelsfall will ich, dass solche Vergehen sanktioniert werden.