Na ja, fast:
"Setzen Sie sich außerdem eine pinke Rumumleuchte auf den Kopf und vergessen Sie nicht, alle 10 Sekunden eine Leuchtrakete abzuschießen. Flakscheinwerfer auf dem Gepäckträger sollten selbstverständlich sein!"
Ernsthaft: Victimblaming! Scheißdreck!
Echt jetzt? Ernsthaft? Und das soll jetzt von meiner Seite nicht provokant sein. Ich würde es wirklich gerne wissen, was genau daran bei Dir den Nerv trifft. Ist es das Müssen?
Wer als Radfahrer einen Unfall vermeiden will, muss sich sichtbar
machen. Es ist also wichtig, dass Sie leuchtende Farben tragen. Noch
besser sind Kleidung und Accessoires mit fluoreszierenden und
reflektierenden Materialien. Autofahrer sehen Sie so deutlich besser.
Ich formuliere den Grundgedanken der Aussage einfach mal etwas um: "Wer als Radfahrer Unfälle vermeiden will, sollte sich sichtbar machen. Sie werden von Autofahrern deutlich besser gesehen, wenn Sie Kleidung in hellen und leuchtenden Farben tragen." Die Aussage finde ich nicht verkehrt und deckt sich so durchaus mit meinen eigenen Erfahrungen.
Ein Beispiel: Laut Wikipedia sind 10% der Menschheit mit einer angeborenen
Rot-Grün-Schwäche gesegnet worden. Wenn an Dir neun Autofahrer vorbeigefahren sind, dann bin ich statistisch gesehen dahinter der Zehnte, denn ich kann hier tatsächlich auch mit größter Anstrengung keine 47 erkennen:
Echt jetzt! Ernsthaft! Ich gehöre dazu. Man muss mich explizit auf Situationen mit tollen Farbkontrasten hinweisen, weil mir diese nicht ins Auge springen. Zum Beispiel Klatschmohn am Straßenrand. Oder reife Kirschen am Baum. Ich seh's einfach nicht. Und wenn ich es dann endlich erkenne, dann finde ich das ehrlich gesagt wenig beeindruckend (Ich sage aber trotzdem: "Och, schön."). Frau Leone hat es mittlerweile entweder verstanden oder hat auch einfach nur aufgegeben und schickt mich nicht mehr ins Gewächshaus, um die
reifen Tomaten zu ernten. Sie hat - wohlgemerkt! - diese schwer lösbare Aufgabe zu einer nahezu unmöglich lösbaren Aufgabe gemacht, indem sie unter anderem auch noch Tomatensorten angepflanzt hat, deren reife Früchte grün sind. Grüne Tomaten!
Wenn ich jetzt mit dem Auto auf der Landstraße zwischen Wiesen unterwegs bin, dann bin ich mehr damit beschäftigt, den Rennradfahrer im roten BMC-Trikot zu entdecken. Und wenn ich ihn entdeckt habe, dann habe ich allerdings keine Zeit mehr, seine frisch rasierten Waden zu bewundern. Schade. Seine Mühe, auf dem Rad gut auszusehen, kann ich leider nicht honorieren. Oder vielleicht erst dann, wenn ich ihn ganz aus der Nähe frisch erlegt vor meiner Motorhaube liegen sehe und ich ihn später im Krankenhaus besuche. Dazu wird es hoffentlich nie kommen! Warum jetzt ausgerechnet Rot eine Signalfarbe sein soll, interessiert jeden zehnten Menschen wie mich einfach nicht!
Übrigens wird bei schlechteren Lichtverhältnissen (Dämmerung und so) für mich das Farbspiel noch schwieriger. Viele andere Trikotfarben verhalten sich übrigens ähnlich. Und mit den anderen meine ich nicht nur grüne Trikots.
Am besten erkenne ich gelb. Aber ich weiß ja, dass sich nicht jeder dazu berufen fühlt, das Gelbe Trikot zu tragen. Schon gar nicht, wenn er es sich nicht redlich verdient hat. Wer also hier Skrupel hat,
könnte sein Understatement mit der Farbe weiß ausleben. Das erkenne ich als zehnter Autofahrer auch noch relativ gut. Was vielleicht auch für die Farbe weiß spricht, ist eine Statistik, nach der weiße Fahrzeuge in weniger Unfälle verwickelt sind...
Wenn ich in den dunklen Jahreszeiten mit dem Rad über eine unbeleuchtete frühere Bahntrasse nach Hause fahre, begegnet mir hin und wieder ein Jogger mit einer weißen fluoreszierenden Jacke. Ich bin jedesmal fasziniert, wie weit die leuchtet und wie gut ich die erkennen kann und wie früh ich mich auf ihn einstellen kann. Beim ersten Mal wäre ich ihm am liebsten vor Dank um den Hals gefallen. Ich habe aber davon Abstand genommen, weil man es hätte falsch verstehen können. Aber: Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihm begegne.
Ganz im Gegensatz zu dieser - Entschuldigung! - hirnlosen Bratze, die ihren klütteschwarzen Kinderwagen im Dunkeln über den selben Weg geschoben hat. Nach der Vollbremsung und dem Adrenalinschub will ich die nie wieder sehen. Ich meine natürlich: Ich will der nie wieder begegnen. Genauso wenig wie dem unangeleinten - Entschuldigung! - Köter, der plötzlich direkt vor mir aus dem Gebüsch herausspringt. Es gibt Sachen, die echt nicht sein müssen! Da hilft die beste Lampe nix.
Seit ich im Winter mit einer gelben Windstopperjacke auf dem Renner zur Arbeit fahre, werde ich von Autofahrern mit spürbar größerem Abstand überholt und respektvoller behandelt. Ich glaube zwar nicht, dass ich es verdient habe, Gelb zu tragen, aber in Gelb unterwegs traut sich im Winter auch kein E-Biker, am Berg einen Angriff zu starten. Liegt aber vielleicht auch daran, dass die im Winter auf meiner abgelegenen Route eh nicht fahren....