Ach, lass ihn doch die 23er fahren. Ich war früher auch stur und bin 20er
Reifen auch dann noch gefahren, als 23er längst allgemeiner Standard waren. Heute sind wir wieder bei Breiten, die in meinen RR-Anfängen vor knapp 40 Jahren gängig waren. Und jetzt schätze ich wieder das Gefühl, dass ich schon damals geil fand
Habe ich ja im Grunde kein Problem mit, zumal er ja auch nicht ganz unrecht hat. Natürlich werden die "Breitreifen" gehypt. Und ich finde weder die Dackelschneider noch die Breitreifen pauschal für ganz toll. Auch dieser Modespruch, dass Breitreifen weniger Rollwiderstand haben, der ja nur bei gewissen Einschränkungen stimmt, nervt mich ein wenig, eben weil er so pauschal ist.
Jede Reifenbreite hat ihre ganz eigenen Vor- und Nachteile. Welche das sind, kann jeder b.B. selbst erfahren. Mir paßt als Kompromiß, eben gerade auf wechselnder Untergrundsqualität, die Breite der 25er bis 28er am besten. Der Randonneur hat gar 32er.
Und wie du ja schon schriebst, das war alles schon mal da.
Die blöde, fast reine Dackelschneiderära gab es ja fast nur, weil die Räder so minimiert gebaut wurden, dass breitere
Reifen nicht oder kaum in die Rahmen und durch die
Bremsen paßten. - So als reine Lehre. Ein Rennrad hatte kompromißlos auf schnell gebaut zu sein. Und natürlich waren die so auch spürbar leichter. Viel mehr ließ sich damals beim Gewichtnicht nicht einsparen.
Dass das mit dem "schnell" dann so in der Praxis nicht immer klappte, mit Ausnahme der häufiger auftretenden Schlangenbisse, wurde von den "Fachleuten" gerne mal ignoriert. Das hatte fast schon religiöse Züge.
Es hat sich ja auch einiges gewandelt. In der Zeit, als schon einmal die breiteren
Reifen völlig normal waren, wurden Rennen im Freien auf ganz anderen Untergründen ausgetragen. Die Etappen und Rennen waren vielfach länger, die Fahrer mußten Defekte noch selbst beseitigen, ... Im Grunde also mehrheitlich das, was für uns Freizeitradler heute ebenfals meist zutrifft.
Hier nun ein wenig OT, obwohl es doch irgendwie dazugehört:
Später kamen dann noch ganz andere "Wahrheiten" auf: Die Überlegenheit der steifen Rahmen, die in Labortests bis auf's Letzte vermessen wurde, Philosophien über die perfekten Laufräder, Diskussionen über Energie speichernde oder vernichtende Rahmen, ... Und aus dem ganzen Krempel heraus wurde dann jeweils das passende Verkaufsmarketung herumgebastelt:
Ist das Tretlager nun als Innen- oder Außenlager sinnvoller? Wie groß sollten diese Lager sein? Steuersätze als semi- oder vollintegriert? Welche Größen müssen es unbedingt und ganz zwingend werden? Sind Lenker in 26mm Stärke nun energievernichtender und bruchgefährdeter als 31,8mm? Oder sollten nicht lieber noch ganz andere Stärken zum Einsatz kommen? Wären Steckachsen nicht noch viel steifer und machen den Unterschied zwischen unfahrbar und Sieg aus? ...
Ähnliche Kriegsschauplätze finden sich ja bei den Fragen, ob nicht Generationen von Radfahrern nur deshalb ausgestorben sind, weil sie ohne
Helm, Scheibenbremsen, Tagfahrlicht, Nabendynamo, Reflektoren rundum, ... unterwegs waren.
Letztlich wird um all die mehr oder wenigen theoretischen Betrachtungen und Diskussionen ein hübsches Geschäftsumfeld gebastelt.
Ein wenig gelacht habe ich immer, wenn ein paar Zeitschriften den Rollwiderstand von
Reifen unterschiedlicher Hersteller und Modelle bis hinter's Komma auf irgendwelchen Laufständen zelebrierten. - Und als sich dann herausstellte, dass die Unterschiede in der Realität so dermaßen minimal bis völlig irrelevant sind, lachte ich gar ein wenig lauter.
Aber so sind wir Freaks eben. Worüber sollten wir uns sonst so "fachmännisch" streiten? Jeder Bereich hat so seinn Wahnsinn. Ob nun Energiekristalle oder Magnete an der Benzinleitung bei den "Autophilen", vergoldete Stecker und sauerstoffarme Kabel bei den "Audiophilen", ...
Einziger Nachteil der ganzen Geschäftemacherei: Es gibt im Fahrradbereich wieder kaum noch wirkliche Standards. Jeder Hersteller schafft neue Inkompatibiltäten, nur um noch mehr verkaufen zu können. Aber so lange wir das auch noch gut finden ...