Wenn du dir moderne Trainingsprogramme anschaust bzw. automatisch zusammenstellen lässt, dann sind dort die längsten Einheiten max. 180 min. (und das hat eben genau diesen Grund). Es gibt Trainingsprogramme für Hobbyfahrer, die gegen Ende vereinzelt 210 bzw. gar eine 240 min Einheit einbinden.
@long_distance_cycling Welche auf 1200km-Brevets spezifisch zugeschnittenen Traineeprogramme meinst du denn? Ich kenne keine.
Ich habe gerade mal nach dem Trainingskonzept des von
@Hubschraubär erwähnten Christoph Strasser gegoogelt und das hier von 2018 gefunden:
https://www.radsport-rennrad.de/training/christoph-strasser-trainingseinblicke/ Darin heißt es, dass eine durchschnittliche Trainingswoche bei ihm 1000 Kilometer und 30 Trainings-Stunden umfasst.
Vieles hängt wahrscheinlich auch von stark individuellen Faktoten ab: in welcher Gesamtverfassung befindet man sich, wenn man ein 1200er-Brevet angehen will? Wie viel sonstigen Sport macht man zu dem Zeitpunkt, Gewicht, Alter....
Und ich glaube auch, dass das klassische Brevet-Fahren und Ultra-Racing - also das, was die Leute machen, die ganz vorne bei PBP und TCR mitfahren - sportlich gesehen unterschiedliche Aktivitäten sind.
Der klassische Brevetfahrer, der PBP in 75-90 Stunden finished, ist wesentlich langsamer unterwegs und in der Regel im GA1-Bereich, also im "Dieselmodus". Da kann sich zumindest mein Körper während der Aktivität regenerieren, solange ich genug Flüssigkeit und Nahrung nachschiebe und 3-4 Stunden schlafe. Um in den oberen 10 Prozent von PBP zu fahren, oder auch Mille Miglia in der Spitzengruppe zu finishen (wie viele Starter gibt es da eigentlich?), musst du natürlich mit einer deutlich höheren Leistung und Geschwindigkeit unterwegs sein. Vorteil ist, dass man dann weniger Nächte durchfahren muss - das geht aber nur, wenn man die entsprechende körperliche Fitness mitbringt. Ich würde das nicht schaffen - erst recht nicht, wenn ich zur Vorbereitung weniger als 3000km fahren würde.
Aus meiner Sicht gibt es mit Blick auf die richtigen langen Brevets mindestens zwei weitere Aspekte, die von denen von
@long_distance_cycling angeführten Trainings-Argumenten mit Blick auf körperliche Regeneration nicht erfasst werden.
1) Zumindest mein Körper muss sich, trotz Bikefitting, an die vielen, vielen Stunden im
Sattel am Stück immer wieder neu gewöhnen. Das erfordert bei mir eine ganze Reihe von 200-600km Fahrten. Mir fallen, wenn ich einige Monate nichts über 100-120km gefahren bin, beim Wiedereinstieg selbst 200km nicht leicht, weil irgendwann der Rücken zwickt, der Hintern brummt und die Hände wehtun. Wenn ich aber ideal vorbereitet und mit 7000km in den Beinen einen 1200 fahre, dann spule ich den ohne jede körperliche Beschwerde ab (und auch ohne Sitzcreme, nur mit ein bisschen Vaseline).
2) Mental brauche ich für die erfolgreiche Teilnahme bei einem 1200er die Gewissheit, dass ich perfekt vorbereitet bin und dass ich mich auf anderen, kürzeren Brevets in der gleichen Saison aus mentalen Schwächephasen (die ja immer kommen, egal wie gut die Vorbereitung war) wieder ausgekurbelt habe. Ohne dieses Wissen fehlt mir die mentale Härte, das durchzustehen. Ich habe 2021 versucht, einen vergleichsweise einfachen 1400er (Berlin-München-Berlin) mit deutlich weniger Vorbereitung zu fahren, und habe nach 400km aufgegeben, weil ich mich platt gefühlt habe und nicht die mentale Kraft hatte, das zu ignorieren und einfach weiterzufahren. Rein körperlich hätte ich es vermutlich geschafft, wenn ich einfach eine längere Pause gemacht hätte und dann meine Unlust ignoriert hätte.
Insofern: Kudos für eine erfolgreiche Teilnahme an einem 1000er mit nur 2300 km Vorbereitung, aber ich denke, dass du damit wirklich die Ausnahme und nicht die Regel bist und vermutlich mega-fit. Als Vorbereitungsempfehlung für den Durchnittsrennradfahrer, der sich ohne Brevet-Erfahrung an einen 1200er wagen will, taugt das m.E. nicht.