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UHM Fasern und andere komische Dinge...

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D

Dr. M.Ferrari

Warum steht seit 07+08 UHM Fasern auf dem Rahmen und es sind laut lutz keine im Rahmen enthalten ?

Und andere Fragen sind hier http://forum.tour-magazin.de/showthread.php?t=133216&page=6 offen und sollten mal diskutiert werden. War eigentlich sehr angetan von den letzten Rennräden aber was jetzt an Geschichten abgeliefert wird macht ja Vertrauen auf Jahre kaputt. Ich würde mir eine lückenlose Aufklärung wünschen und ich hoffe nicht nur ich....
 
AW: UHM Fasern und andere komische Dinge...

Hallo,

hier auch unser abschliessendes Statement zur der Diskussion aus dem TOUR Forum:

Hallo Technikinteressierte

Zu den noch offen stehenden Punkten möchte ich nochfolgende
Hintergrundinformationen liefern:

UHM:
Der Canyon F10 wird nicht aus einer Fasertype sondern aus drei verschiedenen Fasertypen aufgebaut. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus den verschiedenen lokal herrschenden Beanspruchungen. Für eine hohe Steifigkeit scheint eine Faser mit extrem hohem Zugmodul sicherlich sinnvoll, allerdings bringt diese Faser auch negative Eigenschaften mit sich, wie i.d.R. geringere Bruchdehnungen, schlechte Verarbeitbarkeit, usw.
Die Eigenschaften eines Laminats hängen nicht nur von der Faser ab, sondern von einer Vielzahl an Parametern. Problematisch ist oftmals, dass gerne Kennwerte zum Vergleich herangezogen werden, die mit der eigentlichen Beanspruchung wenig zu tun haben. So ist bspw. die Druckfestigkeit eines unidirektionalen Laminats eine maßgebende Bemessungsgröße, die mit derZugfestigkeiten einer Faser oder eines unidirektionalen Laminats wenig zu tun hat, ebenso verhält es sich mit der Drucksteifigkeit eines Laminats. Im Gegensatz zu metallischen Werkstoffen ist die Kennzeichnung von Faser-Kunststoff-Verbunden nicht besonders weit fortgeschritten, was natürlich auch an der unendlichen Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten zwischen Faser, Faservolumengehalt, Faserarchitektur, Matrix und deren Verarbeitung zu tun hat. Selbst die Kenzeichnung der einzelnen Werkstoffphasen ist nicht standardisiert. Es gibt bei Fasern die Möglichkeit der Klassifizierung über bspw. die Steifigkeit, allerdings wird nicht geregelt in welchem Intervall genau welche Bezeichnung verwendet wird.
Manche beurteilen eine Faser mit > 400 GPa Zugmodul als UHM andere ab 450 GPa Zugmodul und wiederum andere ab 500 GPa Zugmodul. Der Zugmodul von kommerziell erhältlichen Kohlenstofffasern kann bis zu 800 GPa betragen, d.h. der Bereich von UHM Fasern ist sehr groß. Die Faserhersteller wiederum bezeichnen Ihre Fasern unabhängig nach eigenen internen Bezeichnungen. Es ist also mal generell schwierig hier eine Einordnung vorzunehmen.

Zum F10: Wir verwenden keine Fasern im F10 die einen Zugmodul über 420 GPa erreicht, da die Erhöhung des Zugmoduls in der Regel mit einer verringerten Bruchdehnung und erhöhter Anisotropie der Faser selbst einhergeht. Fasern mit hohem Zugmodul sind weiterhin sehr anfällig in der Verarbeitung. Man muss hier wissen, dass die Fasern durch den Verarbeitungsprozess geschädigt werden und nach der Verarbeitung nicht mehr die theoretischen Werte aus einem Datenblatt erreichen.
Deshalb sind im Endeffekt die Eigenschaften des fertigen Laminats maßgebend und diese können aufgrund der Komplexität und mehrachsial herrschenden Beanspruchung nur durch aufwendige Versuchsreihen ermittelt werden.

STW:
Der STW stellt das Verhältnis Torsionssteifigkeit des Rahmens zu seinem
Gewicht dar. Die TOUR besitzt einen eigenen Prüfstand, der vom
Ingenuieurbüro Zedler entwickelt und gebaut wurde. Da alle Rahmen bei den Tour Tests auf dem gleichen Prüfstand gemessen werden und die Rahmengewichte einschl. Kleinteilen auf eine RG57 kalibriert wurden, sind die Werte untereinander vergleichbar. Die Tour hat hier in den letzten Jahren einen riesigen Erfahrungsschatz aufgebaut. Dennoch ist weder die Messmethodik noch der Prüfstand selbst in einem Regelwerk standardisiert, wie dies vielleicht in anderen Bereichen wie der Automobilindustrie oder Luftfahrt der Fall ist.
So wurde bspw. einer der F10 Rahmen aus dem Tour Test (aufgrund des Mangels an Rahmen-Sets zu diesem Zeitpunkt, wie bereits beschrieben), anschließend direkt an die Roadbike übergeben, die eine Lenkkopfsteifigkeit von 91 Nm/° gemessen hat (Heft 3/2008). Nach unseren eigenen Messungen beim Hersteller erreichte der F10 Rahmen eine durchschnittliche Lenkkopfsteifigkeit von 97Nm/°. Trotz gleichem Rahmen und gleichen Randbedingungen, spielt der Prüfstand eine entscheidende Rolle bei der ermittelten Verformung und damit der Steifigkeit. Dies gilt natürlich auch für andere Steifigkeitswerte.

Bei unserem Prüfstand haben wir versucht den Einfluss des Prüfstands zu
eliminieren, indem wir Ihn so steif machen, dass die Verformung aus dem
Prüfstand selbst vernachlässigbar gering ist. Die Anforderungen an unsere
Rahmen werden natürlich auf Basis unserer Prüfstände definiert, alles andere macht ja auch keinen Sinn. Aus diesem Grund ist es sehr wohl möglich, dass der STW-Wert eines Rahmens abhängig von den Prüfbedingungen erheblich voneinander abweicht!
Neben der Steifigkeit ist das zugrunde liegende Gewicht natürlich auch ein
weiterer Parameter zur Ermittlung des STW-Wertes. Welche Kleinteile mit
eingerechnet werden, wie die Umrechnung der Rahmengrößen im Detail
geschieht, hier hat jeder seine eigene Methodik und es kann ebenfalls zu
Unterschieden im wenige Prozentebereich kommen.
Ich persönlich hätte allerdings nichts gegen standardisierte Prüfbedingungen einzuwenden, eher im Gegenteil. Vielleicht könnten wir auch mal eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Presse, den Entwicklern von Radherstellern und Fahrrad-Sachverständigen einrichten, um solche Punkte zu klären.

Vielleicht noch etwas zum Schluss meinerseits. Ich bin gerne bereit in
konstruktiven Diskussionen auch Auskünfte zu geben, wenn ich etwas zur
Klärung von Fragen beitragen kann. Ich freue mich darüber, wenn jemand für die Technikmaterie "wirkliches" Interesse zeigt. Ein Forum bietet die
Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Aber die Mischung aus allen am Radsport beteiligten Parteien macht doch so ein Forum erst interessant. Hoffen wir, dass es durch einen vernünftigen Umgang untereinander, auch dabei bleibt!

Ich möchte von meiner Seite aus noch anmerken, das die jetzt zum Kunden gegangen neuen F10 Rahmen vor kurzem eingeflogen wurden (um die Lieferzeit zu verkürzen, eine weitere Lieferung ist per Schiff unterwegs), also einer erheblich späteren Produktionscharge entstammen als die zum TOUR Test abgegeben Rahmen, welche wie schon geschrieben aus dem Serienanlauf, der für interne Tests verwendet wird, kamen. Aus der Serienanlaufcharge ist kein Rahmen zum Kunden gegangen.

Viele Grüsse,

Michael Staab
 
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