Die meisten Konflikte, die ich zwischen Rad- und Kfz-Verkehr sehe, liegen meiner Erfahrung nach nicht so sehr an rücksichtslosen Autofahrern - obwohl es die natürlich auch vielfach gibt - sondern an einer grundsätzlich falschen Denkweise bei der Planung und Auslegung der Verkehrsinfrastruktur.
Der Eine Punkt dabei ist, dass jahrzehntelang dem Autoverkehr einfach überall der Vorrang eingeräumt wurde und das ist so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass nur das Auto als "normales" Verkehrsmittel wahrgenommen wird, alles andere ist "lästig" oder "speziell" oder "unnormal". Das wird aufgrund der langjährigen Gewöhnung kaum noch hinterfragt, und zwar nicht nur von Autofahrern, sondern grundsätzlich von allen.
Der andere Punkt - der daraus folgt - ist, dass es bei der Planung von Verkehrswegen immer als "Problem" angesehen wird, wie man z.B. den Radverkehr in das Verkehrskonzept "integrieren" kann. Radfahrer und Radfahrerinnen werden also in erster Linie als Problem angesehen, nicht als normale Verkehrsteilnehmer. Und daher drücken sich Gesetzgeber, Gemeinden, Verkehrsplaner usw. darum, hier sinnvolle und gleichberechtigte Lösungen zu finden. Aufwand und Kosten für den Autoverkehr werden immer als selbstverständlich akzeptiert, während Kosten für den Radverkehr als "Zusätzlich", als "Sonderfälle" und daher als grundsätzlich diskussionswürdig betrachtet werden.
Aus diesen Gründen haben wir völlig verquere, jeder Logik zuwiderlaufende Regelungen für den Radverkehr, die mit gesundem Menschenverstand kaum einzuhalten sind. Da haben wir Radwege, die nur auf eine Seite einer Straße verlaufen und alle paar hundert Meter die Straßenseite wechseln und bei jeder Einmündung, Kreuzung und Zufahrt neue Gefahrenpunkte bilden, die aber dennoch in beiden Fahrtrichtungen als benutzungspflichtig ausgeschildert sind. Gleichzeitig gilt in Deutschland aber das Rechtsfahrgebot, und alle Verkehrsteilnehmer haben sich darauf eingestellt, dass sie beim Einbiegen oder Queren einer Straße erstmal nach links schauen und mit Verkehr von Rechts nicht rechnen. Und wie soll man Kindern und auch älteren Menschen erklären, dass sie sich an das Rechtsfahrgebot halten sollen, wenn so viele Radwege sie zu einem Bruch desselben zwingen?
Und dann gibt es benutzungspflichtige Radwege, die auf einem Gehsteig, hoch auf dem Bordstein, in Einheit mit dem Fußgängerweg verlaufen, so dass sie von der Fahrbahn aus mit dem Rad fahrend gar nicht erreichbar sind. So wird Linksabbiegen unmöglich und die Leute verstehen auch nicht, warum sie auf anderen Gehwegen mit dem Rad nicht fahren dürfen.
Dann noch der schlimmste, tödlichste Fall, der ieider immer wieder Schlagzeilen macht: Radwege, die rechts von der Fahrbahn markiert sind und an Stellen geradeaus führen, wo die links daneben befindliche Fahrbahn zum Rechtsabbiegen dient. Das widerspricht eigentlich jeder Logik, aber dennoch wundert man sich noch über die vielen Unfälle, wo Radfahrende von rechtsabbiegenden LKWs erfasst werden, oft mit Todesfolge.
Es ist also ein totales Chaos, was die Verkehrsplaner den Radfahrenden - und damit indirekt auch allen anderen Verkehrsteilnehmern - zumuten.
Aus meiner Sicht gäbe es da nur zwei sinnvolle Lösungsalternativen:
- Man baut ein eigenes, unabhängiges Straßennetz nur für den Radverkehr auf, das insbesondere an Kreuzungen, Einmündungen und Grundstückszufahrten keine neuen Gefahrenpunkte für Radfahrer schafft und das durchgehend mit einer gewissen Geschwindigkeit befahrbar ist, so wie man es auch für den Autoverkehr vorsieht. Es darf dann keine Bordsteine, "Radweg ENDE"-Schilder, ungesicherten Querungen von Fahrbahnen, zu enge Kurven usw. geben. Man muss Brücken und Tunnels bauen, damit Rad- und Kfz-Verkehr sich kreuzungsfrei queren können usw.
- Man verabschiedet sich - zumindest innerorts - von der Vorstellung, dass der Radverkehr irgendwie "rechts neben" dem Kfz-Verkehr stattfindet und gestaltet den innerstädtischen Verkehr z.B. durch Geschwindigkeitsbegrenzungen so, dass Radfahrer normal im Verkehr mitschwimmen und z.B. hinter einem rechtsabbiegenden LKW an der Ampel stehen bleiben und nicht rechts daneben. Wer dann schneller unterwegs sein will, als ein Fahrrad, muss bewusste Überholmanöver machen, aber das s zuollte eigentlich kein Problem sein, man lernt das ja in der Fahrschule. Damit würde das "Prinzip Rücksicht" wieder Einzug halten und man käme auch weg von der ausschließlichen Ausrichtung des Straßenverkehrs auf das Auto.
Für Möglichkeit 1 gibt es Ansätze in verschiedenen anderen Ländern, aber für Deutschland halte ich das aufgrund der hohen Kosten und der fehlenden Lobby für unrealistisch. Möglichkeit 2 setzt einiges Umdenken auch bei anderen Verkehrsteilnehmern voraus und ist daher gerade in Deutschland auch nicht gerade einfach umzusetzen. Der Vorteil wäre aber, dass man hier auf einen graduellen Lerneffekt setzen könnte und sich so über eine gewisse Zeit vielleicht ein Wandel in der genrellen Sicht auf den Straßenverkehr ergeben könnte. Ich halte daher Lösung 2 für besser umsetzbar.